Schmutz- und Schundgesetz

Schmutz- und Schundgesetz
Basisdaten
Titel: Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften
Kurztitel: Schmutz- und Schundgesetz
Art: Reichsgesetz
Geltungsbereich: Deutsches Reich
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht (Deutschland)
Datum des Gesetzes: 18. Dezember 1926 (RGBl. I S. 505)
Inkrafttreten am: 7. Januar 1927
Außerkrafttreten: 31. März 1935
(§ 1 G vom 10. April 1935,
RBGl. I S. 541)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Schmutz- und Schundgesetz war ein Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Schriften, der so genannten Schundliteratur. Es existierte von 1926 bis 1935.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Zur Durchsetzung des Gesetzes wurde in Berlin und München je eine Prüfstelle für Schund- und Schmutzschriften eingerichtet. Diese entschied darüber, welche Werke auf der „Liste der Schmutz- und Schundschriften“ geführt wurden. Antragsberechtigt waren Landeszentralbehörden und Landesjugendämter. Als Revisionsinstanz fungierte die Leipziger Oberprüfstelle für Schund- und Schmutzschriften, bei der das Reich, die Länder sowie betroffene Verfasser und Verleger Antrag auf Nicht-Aufnahme beziehungsweise Streichung stellen konnten.

Der Verkauf von Schriften, die auf dieser Liste indiziert waren, an Personen unter 18 Jahre war verboten. Werbung für diese Schriften war ebenfalls verboten. Sie durften auch nicht an der Haustür oder auf öffentlichem Gelände verkauft werden, ebenso durften sie nicht in Geschäften zur Schau gestellt, sondern nur „unter der Ladentheke“ verkauft werden. Verstöße gegen das Gesetz wurden mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet.

Das Gesetz definierte nicht, nach welchen Kriterien Schriften als „Schmutz-“ oder „Schundschriften“ eingestuft werden sollten. Es legte nur fest, dass politische, weltanschauliche oder religiöse Meinungsäußerungen als solche keine derartige Einstufung erlaubten. In der Praxis wurden vor allem Groschenhefte und erotische Literatur auf die Liste gesetzt.

Geschichte

Mit Gründung der Weimarer Republik eskalierte der bereits im Kaiserreich herrschende Streit darüber, ob und inwieweit der Staat zu entscheiden hätte, welche Medien (Schriften, Bilder, Filme, Theaterstücke) der Bevölkerung und insbesondere auch der Jugend zugänglich sein dürften. Während SPD, DDP und auch die weiter links stehenden Parteien (USPD, später KPD) sich gegen staatliche Eingriffe aussprachen, forderten insbesondere ZENTRUM und DNVP, aber auch die nationalliberale DVP, einen „Schutz vor der Volksverwüstung schlimmster Art“, wie der evangelische Pastor und DNVP-Reichstagsabgeordnete Reinhard Mumm freizügige Filme nannte.

Mumm, der bereits in Artikel 118 der Weimarer Reichsverfassung für Filme eine Ausnahme vom Zensurverbot durchgesetzt hatte und auch treibende Kraft hinter dem Reichslichtspielgesetz vom 12. Mai 1920 war, war folgerichtig auch einer der schärfsten Befürworter des Schmutz- und Schundgesetzes.

Nachfolgeregelungen

Nazizeit: „Liste der für Büchereien und Jugendliche ungeeigneten Druckschriften“

Mit der Errichtung der so genannten Reichsschrifttumskammer in der Zeit des Nationalsozialismus verfügten die Machthaber über eine wirksame Institution zur Kontrolle des in Deutschland veröffentlichten Schrifttums. Das Schmutz- und Schundgesetz wurde deshalb am 10. April 1935 aufgehoben. Die Indizierung jugendgefährdender Schriften sollte gemäß einem Erlass der Reichsschrifttumskammer vom 25. April 1935 mittels der „Liste 2 der für Büchereien und Jugendliche ungeeigneten Druckschriften“[1] erfolgen, deren erste Fassung allerdings erst 1940 erschien. Eine 2., veränderte Fassung erschien 1943.[2] Die in der Liste 2 enthaltenen Titel, zu denen z. B. Heftchenreihen wie „Rolf Torrings Abenteuer“ oder „Sun Koh – Der Erbe von Atlantis“ zählten, durften nicht öffentlich ausgelegt, in Büchereien nicht verliehen und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden.[3]

Bundesrepublik Deutschland: „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“

Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland forderten insbesondere Politiker von CDU, CSU und DP die Wiedereinführung eines Schmutz- und Schundgesetzes, so dass auf Grundlage des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften 1954 schließlich die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften geschaffen wurde. Seit 2003 ist die Materie mit anderen Gebieten des Jugendschutzes im neuen Jugendschutzgesetz geregelt.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Liste 1 enthielt die politische gefährlichen „Verbrannten Bücher“.
  2. Joachim-Félix Leonhard u. a. (Hg.): Medienwissenschaft: ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen. Bd. 1. de Gruyter, Berlin 1999, S. 508.
  3. Christian Adam: Lesen unter Hitler : Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich. Galliani, Berlin 2010, S. 206
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