Schloss Gereuth

Schloss Gereuth

Das barocke Schloss Gereuth bildet den Mittelpunkt des Untermerzbacher Ortsteiles Gereuth im Landkreis Haßberge in Unterfranken. Das ehemalige Wasserschloss bildet zusammen mit der gleichzeitigen Pfarrkirche, einem Gasthaus und dem älteren Wirtschaftsbau ein eindrucksvolles Ensemble ehemaliger Adelskultur.

Geschichte

Nordwestansicht über den ehemaligen Wassergraben
Ehrenhof und Schlosseingang
Greiffenclauwappen über dem Brückenportal

Das Dorf Gereuth wurde um 1300 angelegt. Als erste Besitzer werden die Herren von Memmelsdorf urkundlich erwähnt. Als Lehensnehmer des Hochstiftes Würzburg erscheinen ab 1317 die Familien von Stein zu Lichtenstein, Stein zu Altenstein, von Tünfeldt und ab 1566 die Herren von Schaumberg.

In der Zeit der Reformation konnte sich die Ritterschaft in den Haßbergen überwiegend aus der Abhängigkeit von den Bistümern Bamberg und Würzburg lösen und trat deshalb zum evangelischen Bekenntnis über. Auch in Gereuth, das damals Schaumbergsgereuth genannt wurde, entstand in Folge des wirtschaftlichen Aufschwunges dieser, zur Reichsritterschaft aufsteigenden Adelsschicht ein Schlossbau der Herren von Lichtenstein, der 1576 in einem Zentverzeichnis erscheint. Die Fundamente dieses Herrensitzes haben sich unter der heutigen Wirtsscheune erhalten. 1604 wurde der lang gestreckte Wirtschaftsbau im Norden des späteren Schlosses errichtet, der wegen seiner repräsentativen Baugestalt als „Altes Schloss“ bezeichnet wird. Zu dieser Zeit entstand auch eine protestantische Kirche, deren genauer Standort aber nicht bekannt ist. 1696/97 erwarben die Freiherren von Hendrich Gereuth, verkauften es aber bereits 1703 an den Grafen Christoph Ernst Fuchs von Bimbach und Dornheim, der die Herrschaft 1705 an seinen Schwager - den Würzburger Fürstbischof - weiterverkaufte.

Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths begann noch im gleichen Jahr mit dem Neubau eines standesgemäßen Landsitzes. Der fränkische Gulden hatte zu dieser Zeit einen hohen Wert erreicht, der Schlossbau diente wohl auch als sichere Kapitalanlage aus Furcht vor einer Abwertung. Er lag zudem dicht an der Grenze zum rivalisierenden Nachbarbistum Bamberg, kann also auch als eine Art Macht- und Statussymbol gegenüber dem Hochstift Bamberg interpretiert werden. 1714/14 kam noch die Kirche mit ihrer vorgelagerten Terrasse und dem Pfarrhaus hinzu. Ergänzt wird das Ensemble noch durch einen Getreidespeicher, die Rentei und die Wirtschaftsbauten östlich des „Alten Schlosses“. Nach dem Tod des Bauherrn im Jahr 1719 blieb der Besitz in der Familie Greiffenclau, die Ende des 18. Jahrhunderts noch einen bemerkenswerten englischen Landschaftsgarten im Wald zwischen Gereuth und Buch anlegen. Die „Gereuther Tannen“ waren Anfang des 19. Jahrhunderts ein beliebter Ausflugsort, der auch von den Dichtern Friedrich Rückert und Jean Paul besucht wurde.

Nach der Säkularisation des Bistums Würzburg setzte auch der wirtschaftliche Niedergang der Gereuther Schlossherren ein. Hohe Schulden zwangen Philipp Carl Anton Ignatius von Greiffenclau-Vollraths 1815 zum Verkauf des Schlosses an den Bankier Jakob von Hirsch. Die Freiherren von Hirsch veräußerten die Anlage 1859 an die Familie Prieger, die ihren Reichtum Wollhandelsgeschäften in England verdankte. Als Folge der Weltwirtschaftskrise musste die Familie das Anwesen 1936 an den Landwirt Friedrich Höhn weitergeben. Gereuth wurde landwirtschaftlicher Gutsbetrieb und diente gar von 1948 bis 1950 als Flüchtlingslager. Nach dem Tod von Friedrich Höhn jun. (1990) erwarb der Unternehmer Roland Rösler das Schloss und ließ vor allem im Dachbereich größere Sanierungsmaßnahmen durchführen. Im Jahr 2000 wechselte der Komplex erneut den Besitzer. Ein Förderverein wurde gegründet, der Gereuth zum regionalen Kulturzentrum ausbauen möchte. Heute finden regelmäßig Lesungen und Ausstellungen in den Räumen statt, einige renovierte Zimmer werden auch vermietet.

Beschreibung

Der Westflügel
Das "Alte Schloss"

Die barocke Dreiflügelanlage öffnet sich nach Norden zum Schlossplatz und der erhöht liegenden Pfarrkirche. Der Ehrenhof wird durch ein reiches, schmiedeeisernes Gitter und einen steinernen Portalbau mit Dreiecksgiebel und Wappen Greiffenclau-Vollraths abgeschlossen. Das Schloss war bis ins 19. Jahrhundert von einem Wassergraben umgeben. Der Nordseite ist noch der gemauerte Graben mit seiner steinernen Brücke vorgelegt, an den anderen Seiten wurden die Futtermauern 1878 abgebrochen. Erhalten blieben jedoch die vier achteckigen, kuppelbekrönten Pavillons an den Eckpunkten des rechteckigen, 86 x 75 m großen Schlossbereiches.

Der Schlossbau ist dreigeschossig angelegt. Über einem gemauerten Sandsteinsockel erheben sich das niedrigere Erdgeschoss und zwei Obergeschosse. Die Ecken werden durch toskanische Pilaster gegliedert, die Stockwerke durch einfache Gurtgesimse getrennt. Die Fenster besitzen durchgehend profilierte Rahmungen, die Fensteröffnungen sind im Erdgeschoss nahezu quadratisch, in den Obergeschossen dagegen hochrechteckig (ehemals mit grünen Klappläden). Die Architekturglieder waren ursprünglich in einem hellen Ockerton gestrichen, sind aber heute steinsichtig. Die Wandflächen tragen noch ihren originalen hellbeigen Verputz. Das schiefergedeckte Walmdach wird von zahlreichen vorspringenden Dachgauben unterbrochen. Jeder Flügel kann vom Ehrenhof aus durch ein eigenes Portal mit Segmentgiebelverdachung betreten werden.

Im Inneren lagen im niedrigeren Erdgeschoss die Zimmer der Dienerschaft und die Wirtschaftsräume, was sich auch äußerlich in den quadratischen „Bastardfenstern“ spiegelt. Die Obergeschosse waren den herrschaftlichen Räumen vorbehalten. Repräsentationsräume fehlen hier allerdings bis auf den Festsaal. Die Anlage war als privates Landschloss relativ weit von der Würzburger Hofhaltung entfernt. Das zweiarmige Haupttreppenhaus im Mittelbau ist aus der Mitte gerückt und teilt den Bau in zwei winkelförmige Hälften. Die Zimmer liegen an der Außenseite an langen Gängen, sind jedoch in den Obergeschossen zusätzlich axial miteinander verbunden. Die Dienerschaft konnte die Räume so von den Gängen aus betreten, ohne die Herrschaft stören zu müssen. Nur die Eckzimmer der Herrschaftsgeschosse wurden in der ganzen Flügelbreite angelegt. Eines dieser Eckzimmer ist der Festsaal im Norden des Westflügels (2 OG) mit seinem repräsentativen Parkettfußboden und der stuckierten Flachdecke.

Von der ehemals reichen Innenausstattung sind nach einigen Besitzwechseln nur noch Reste erhalten. Am repräsentativsten war das 2. Obergeschoss ausgestattet, neben dem Festsaal besitzen hier auch die übrigen Räume Parkettböden und Stuckdecken. Die barocke Wanddekoration aus bemalten Stuckfeldern ist nur noch im Festsaal und einem Kabinett vorhanden, die übrigen Zimmer sind heute mit Papiertapeten ausgestattet. In einem Raum ist auch eine - auf einen Holzrahmen gespannte - Stofftapete erhalten geblieben.

Als Baumeister der Schlossanlage wurden früher etwa Heinrich Zimmern oder Joseph Greising angenommen. Ein Vertrag von 1705 (Staatsarchiv Bamberg) nennt als Bauleiter den Würzburger Valentin Pezani. Der ursprünglich aus Trient stammende „einfache Steinhauermeister“ aus dem Umkreis Antonio Petrinis kommt durchaus auch als Architekt des am italienischen Frühbarock orientierten Schlossbaues in Frage.

Schlosskirche St. Philippus

Die Kirche mit dem Giebel des "Alten Schlosses"
Blick in den Innenraum

Die heutige Pfarrkirche liegt gegenüber dem westlichen Schlossflügel neben dem „Alten Schloss“. Das Gotteshaus wurde in den Jahren 1713-1717 unter der Leitung Joseph Greisings erbaut, dem deshalb früher oft auch der Schlossbau zugeschrieben wurde.

Die Funktion als ehemalige Schlosskirche wird bereits durch die ungewöhnliche Nord-Süd-Ausrichtung deutlich, die Kirche ist dem Festsaal im Westflügel gegenüber gestellt. Der Bau steht auf einer – etwa 20 x 20 m großen - Terrasse mit balustergeschmückter Balustrade, die den Geländeabfall ausgleicht.

Der aus der Fassade vorspringende dreigeschossige Turm wird von einem Oktogon mit laternenbekrönter Kuppelhaube abgeschlossen. Über dem Portal ist in einer Nische eine große Sandsteinfigur des Salvator Mundi aufgestellt. Dem rechteckigen Langhaus wurde ein halbrunder, beidseitig eingezogener Chor angefügt. Die Fenster sind im Langhaus zweigeschossig übereinander angeordnet und werden durch Pilaster in drei Achsen getrennt.

Im Inneren wurden die drei Langhausjoche mit Stichkappen überwölbt und stuckiert. Der Chor ist durch einen profilierten Chorbogen abgesondert und besitzt ebenfalls ein Stichkappengewölbe.

Die Ausstattung entstand in den Jahren 1715/16 durch Jacob von (van) der Auvera und den Schreinermeister Ferdinand Billefeldt. Es wurden zwei Seitenaltäre, der Hochaltar und eine Kanzel bestellt. Der Hochaltar folgt dem Vorbild des ehemaligen Hochaltares im Würzburger Dom. Vier toskanische Säulen tragen einen Baldachin, der von der fränkischen Herzogskrone bekrönt wird. Im Mittelpunkt steht die Madonna mit dem Kind, rechts der Evangelist Johannes, links der Hl. Philippus als Namenspatron des Bauherrn. Die Seitenaltäre bergen gemalte Altarblätter (rechts 19. Jahrhundert) zwischen Doppelsäulen, oben hohe Auszüge mit dem Greiffenclauwappen. Reich gestaltete Kanzel mit den Skulpturen der vier Evangelisten und fünf Karyatidenfiguren (die fünf Tugenden), der Schalldeckel trägt den segnenden Jesusknaben mit dem Kreuz.

Literatur

  • Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern. Band 3: Regierungsbezirk Unterfranken & Aschaffenburg. = Die Kunstdenkmäler von Unterfranken & Aschaffenburg. Heft 15: Hans Karlinger: Bezirksamt Ebern. Mit einer historischen Einleitung von Hans Ring. Oldenbourg, München 1916 (Unveränderter Nachdruck. ebenda 1983, ISBN 3-486-50469-X).
  • Joseph Prys: Die Familie von Hirsch auf Gereuth. Erste quellenmäßige Darstellung ihrer Geschichte. Selbstverlag, München 1931.
  • Ulrike Götz: Gereuth. Schloß- und Kirchenführer (= Spechts Hefte zu Geschichte und Kunst Frankens 26). Specht, Erlangen 1998. – ISBN 3-925325-21-2.
  • Volker Rößner: Schlossbau des 18. Jahrhunderts im Ritterkanton Baunach (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 8: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte 12). Degener, Neustadt/Aisch 2000, ISBN 3-7686-9272-8 (Zugleich: Bamberg, Univ., Diss.).
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