Schlacht an der Scheldemündung

Schlacht an der Scheldemündung
Schlacht an der Scheldemündung
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Karte der Schlacht
Karte der Schlacht
Datum 2. Oktober8. November 1944
Ort Walcheren, Zeeland, Niederlande
Antwerpen, Flandern, Belgien
Ausgang Alliierter Sieg
Konfliktparteien
Kanada 1921Kanada Kanada
Alliierte, meist Kanadier
Deutsches Reich NSDeutsches Reich (NS-Zeit) Deutsches Reich
Befehlshaber
Henry Duncan Graham Crerar,
Guy Simonds
Gustav-Adolf von Zangen
Truppenstärke
1. Kanadische Armee 15. Deutsche Armee
Verluste
12.873 Tote, Verwundete und Vermisste, davon 6.367 Kanadier  ? Tote und Verwundete
41.043 Gefangene
General Crerar beim Kartenstudium

Die Schlacht an der Scheldemündung war eine militärische Operation der kanadischen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs. Sie fand im Nordwesten Belgiens und im Südwesten der Niederlande zwischen dem 2. Oktober und dem 8. November 1944 statt.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Nach dem schnellen Vorrücken der Alliierten durch Nordfrankreich und dem fluchtartigen Rückzug der deutschen Truppen nach Belgien, den Niederlanden und Westdeutschland konnten die Briten mit der 2. Armee unter General Miles Dempsey in den ersten Septembertagen Brüssel einnehmen. Auf dem weiteren Vormarsch entlang der Nordseeküste stießen die Kanadier auf verlassene V1-Abschussrampen, die für den Einsatz der Raketen gegen London und Südengland genutzt worden waren.

Etliche belgische Dörfer waren von den Deutschen geräumt worden, aber in einigen kam es auch zu kurzen und heftigen Gefechten. Der Großteil Westbelgiens konnte schnell eingenommen werden. Die Deutschen zogen sich in vorher festgelegte Schlüsselstellungen zurück. Als die Kanadier den Gent-Kanal überquerten, kam es zu einem erbittert geführten Kampf um den Brückenkopf. Er konnte nur unter größten Anstrengungen gehalten werden. Auch beim weiteren Vorrücken östlich um Antwerpen herum in dessen Nordgebiete trafen die alliierten Truppen auf heftigen Widerstand. Die Nachschubprobleme begannen langsam eine kritische Marke zu erreichen, da die Alliierten bedingt durch ihr sehr schnelles östliches Vorrücken die Versorgungswege weit überdehnt hatten und nur Häfen in der Normandie zur Verfügung standen. Auch der Red Ball Express, der vor allem Treibstoff und Munition zur Front brachte, konnte daran nicht allzu viel ändern. Es war daher unabdingbar, einen großen Hafen an der Kanalküste einzunehmen. Die kleineren Hafenstädte, die unterdessen in die Hände der Alliierten gefallen waren, erwiesen sich als zu klein oder waren nach den Kämpfen viel zu stark beschädigt, um als Anlieferungsort für die Nachschubeinheiten der Marine dienen zu können.

Antwerpen war ein noch relativ unbeschädigter großer Seehafen und konnte Anfang September von der 2. Britischen Armee besetzt werden. Die 4. Brigade der 2. Kanadischen Infanteriedivision war dabei für die Säuberung und Sicherung des Hafens verantwortlich. Da Antwerpen aber im Hinterland der Scheldemündung, etwa 80 Kilometer von der Küste entfernt liegt, war eine Nutzung erst möglich, wenn es gelang, die starken deutschen Artilleriestellungen auf der vorgelagerten Insel Walcheren auszuschalten.

Am 12. September wurde der 1. Kanadischen Armee der Auftrag zur Säuberung des Scheldemündungsgebiets gegeben. Die ersten Attacken gegen die dortigen deutschen Stellungen am nächsten Tag hatten allerdings nur wenig Erfolg.

Unterdessen war die 2. Britische Armee weiter östlich bis in die südlichen Niederlande vorgedrungen. Am 17. September wurde die Operation Market Garden gestartet, die jedoch mit einem Fehlschlag endete, da die Rheinbrücke in Arnheim nicht gehalten werden konnte. Die Hoffnung auf ein schnelles Kriegsende schien in weite Ferne gerückt zu sein.

Die Schlacht

Die eigentliche Schlacht in der Scheldemündung begann am 2. Oktober. Unter dem Kommando von General Henry Duncan Graham Crerar rückte die 1. Kanadische Armee, bestehend aus der 2. und der 3. Kanadischen Infanteriedivision, der 4. Kanadischen Panzerdivision, dem 1. Britischen Korps und der 1. Polnischen Panzerdivision, gegen die Deutschen vor. In kleineren Einheiten kämpften auch Amerikaner, Niederländer und Belgier mit. Insgesamt belief sich die Stärke der Armee auf etwa 450.000 Soldaten.

Die Schlacht fand auf überschwemmtem, schlammigem Gelände statt, und die gut positionierte und starke Verteidigung der Deutschen machte sie zu einem zermürbenden und blutigen Unterfangen. Viele Historiker sehen in ihr die Schlacht des Zweiten Weltkriegs, die auf dem schwierigsten Gelände überhaupt stattfand. General Crerar war mittlerweile wegen einer schwerwiegenden Erkrankung nach Großbritannien ausgeflogen worden, und Lieutenant-General Guy Simonds hatte das Kommando übernommen.

Die Besonderheiten des Schlachtfeldes machten die Aufgabe der 1. Kanadischen Armee sehr schwierig. Nördlich der Scheldemündung liegt Nord-Beveland, darunter Süd-Beveland mit der dahinter liegenden Insel Walcheren, die von den Deutschen zu einem stark befestigten Stützpunkt ausgebaut worden war. Am Südufer des Mündungsgebiets liegt flaches Flutgelände, das so genannte Polderland, unter dem Meeresspiegel und gut zur Verteidigung geeignet.

Der Plan zur Sicherung der Mündung war in vier Phasen unterteilt:

  1. Einnahme des Gebiets nördlich von Antwerpen und Sicherung des Zugangs nach Nord-Beveland,
  2. Auflösung des Kessels bei Breskens hinter dem Leopoldkanal (Operation Switchback),
  3. Einnahme von Süd-Beveland (Operation Vitality) und
  4. Einnahme von Walcheren (Operation Infatuate).

Anfang Oktober rückte die 2. Kanadische Infanteriedivision nördlich von Antwerpen vor. Gleichzeitig begann die 3. Kanadische Infanteriedivision mit Unterstützung der 4. Kanadischen Panzerdivision den Vorstoß über den Leopoldkanal. An beiden Frontabschnitten entwickelten sich heftige Kämpfe, da die gut befestigten deutschen Stellungen es den Alliierten erschwerten, schnelle Erfolge zu verzeichnen.

Fahrzeuge der Royal Hamilton Light Infantry rollen durch Krabbendijke auf der Zufahrtsstraße nach Süd-Beveland
Kanadische Einheiten in Bergen op Zoom

Im Norden von Antwerpen stießen die Kanadier auf deutsche Fallschirmjägereinheiten, die das östliche Ende von Süd-Beveland verteidigten. Nur unter schweren Verlusten gelang es, durch die gefluteten Gebiete bis zum 16. Oktober nach Woensdrecht vorzudringen. Am selben Tag erklärte Feldmarschall Bernard Montgomery als Kommandeur der 1. Kanadischen und 2. Britischen Armee die Säuberung der Scheldemündung zur Aufgabe mit erster Priorität.

Operation Switchback

Auch auf der Südseite der Schelde fanden verbissene Kämpfe statt. Die Deutschen besaßen starke Artilleriestellungen hinter dem Leopoldkanal und der Dérivation de la Lys. Als Überquerungspunkt wählten die Kanadier das Verzweigungsdreieck beider Kanäle. Dort gab es einen schmalen Bereich trockenen Landes, etwa einige hundert Meter breit. Während am 6. Oktober die 3. Kanadische Infanteriedivision versuchte, den Leopoldkanal zu überqueren, geriet sie in starkes deutsches Abwehrfeuer. Sie antwortete mit starkem Artilleriebeschuss und Panzern, die mit Flammenwerfern ausgestattet waren, den so genannten Wasps. Zwei kleine Brückenköpfe konnten errichtet werden, doch als die Deutschen sich von der ersten Überraschung erholt hatten, begannen sie mit einer heftigen Abwehrattacke. Bis zum 9. Oktober war es ungewiss, ob die Brückenköpfe überhaupt gehalten werden konnten. Doch nach einer weiteren amphibischen Kanalüberquerung mit stärkeren Truppen gelang es den Kanadiern, beide zu vereinen und den Brückenkopf deutlich zu erweitern, um in Richtung Breskens vorzurücken. Als dann auch Panzer den Kanal überquerten, zogen sich die Verteidiger in ihre Betonbunker entlang der Küste zurück. Die Kanadier etablierten einen Versorgungsweg in den Kessel und begannen, die Städte Breskens, Fort Frederik Hendrik, Oostburg, Zuidzande und Cadzand zu belagern. Erst am 3. November wurden Knokke und Zeebrugge genommen, so dass die Südseite der Schelde von den Kanadiern als gesichert betrachtet wurde.

Operation Vitality

Unterdessen konzentrierte Simonds seine Truppen im Raum nördlich von Süd-Beveland. Die 4. Kanadische Panzerdivision bewegte sich mittlerweile nördlich der Schelde und attackierte Bergen op Zoom. Bis zum 24. Oktober gelang es, den Eingang nach Süd-Beveland zu sichern. Die 2. Kanadische Infanteriedivision rückte kurz darauf auf Süd-Beveland vor. Die Hoffnung, die Insel schnell einnehmen zu können, wurde durch die stark verminte Straße geschmälert. Gleichzeitig fand durch die Operation Infatuate eine amphibische Landung der 52. Britischen Division u.a. über die Westerschelde statt, um hinter die deutschen Verteidigungspositionen zu kommen.

Operation Infatuate

Damit blieb Walcheren das letzte Hindernis, das den Hafen von Antwerpen von einer Nutzung durch die Alliierten trennte. Um die dortigen starken deutschen Befestigungsanlagen anzugreifen, mussten die Kanadier über die lange schmale Zugangsstraße über Süd-Beveland vorrücken. Dabei kam verschärfend hinzu, dass das flache Land beidseitig der Straße überflutet war, so dass dort keine Fußtruppen vorrücken konnten. Für den Einsatz von Sturmbooten war das Wasser allerdings zu flach.

Bombardierung von Walcheren

Walcheren wurde aus drei Richtungen angegriffen. Zum einen über die Zufahrtsstraße aus dem Osten, dann über die Schelde von Süden und als drittes von Westen über den Seeweg. Um die Verteidiger zu behindern, bombardierte die Royal Air Force die Dämme der Insel, damit das Hinterland überflutet wurde und Amphibienfahrzeuge eingesetzt werden konnten.

Der Vormarsch über die Zufahrtsstraße begann am 31. Oktober. Nach schweren Kämpfen gelang es den Kanadiern, eine erste Stellung auf Walcheren zu sichern. Zusammen mit den von der Schelde und der Seeseite kommenden Truppen unter Major General E. Hakewell-Smith konnten anschließend weitere Fortschritte erreicht werden. Ein Gegenangriff in der Nacht zum 1. November in der Westerschelde durch deutsche Schnellboote führte zur Versenkung eines kanadischen Munitionstransporters, eines Leichters mit Flugabwehrkanone und eines Scheinwerferprahms. Weitere deutsche Unternehmen durch Schnellboot-Flottillen bei Ostende einen Tag später hatten den Verlust eines Tankers und eines Trawlers zur Folge.

Am 6. November nahmen die kanadischen Einheiten Middelburg ein. Die Innenstadt wurde dabei fast komplett zerstört. Zwei Tage später endete der deutsche Widerstand endgültig. Deutsche Angriffsversuche von der Seeseite konnten Mitte November durch britische Geleitzerstörer abgewehrt werden.

Währenddessen war die 4. Kanadische Panzerdivision östlich hinter Bergen op Zoom nach Sint-Philipsland weitergerückt. Im Hafen von Zijpe gelang ihnen die Versenkung einiger deutscher Schnellboote.


Der Frachter Fort Cataraqui wird im Antwerpener Hafen gelöscht

Ergebnis

Nach der Säuberung der Scheldemündung und des Gebiets von Antwerpen bis zur Maas war die eigentliche Schlacht beendet. Bis allerdings ein Schiff die Schelde bis nach Antwerpen befahren konnte, musste der Fluss noch mühsam von den dort gelegten Seeminen geräumt werden. Weiterhin beeinträchtigten die von Hitler am 12. Oktober angeordneten V2-Beschüsse aus dem Eifelgebiet, dem Raum Köln/Bonn und den Niederlanden auf Antwerpen das öffentliche Leben in der Stadt und den Aufbau der Logistik im Hafengebiet. Erst am 28. November fuhr der erste Konvoi unter Führung des kanadischen Frachters Fort Cataraqui in den Hafen ein.

Mit den Nachschublieferungen, die jetzt über den Antwerpener Hafen an die Front gebracht werden konnten, hatten die Alliierten das größte Problem gelöst. Da sie aber einige Wochen zuvor durch die Operation Market Garden den Frontverlauf selbst nach Norden ausgedehnt hatten und während der Allerseelenschlacht im Hürtgenwald starke amerikanische Kräfte dort gebunden wurden, ergaben sich für die Deutschen im Gebiet der Ardennen Angriffsmöglichkeiten, die ab dem 16. Dezember 1944 zu einer groß angelegten Gegenattacke führten, der Ardennenoffensive. Zielpunkt war der Hafen von Antwerpen, um den alliierten Nachschub wieder zu stoppen.

Gedenkstätten

Belgische Gedenktafel zur Befreiung Walcherens in Ostende

Die kanadischen und alliierten Opfer der Schlacht liegen auf zwei Commonwealth-Friedhöfen begraben. Im Nordwesten Belgiens unweit der niederländischen Grenze befindet sich bei Adegem, zwischen Brugge und Gent, eine kanadische Begräbnisstätte. Hier liegen insgesamt 1119 Soldaten, davon 848 Kanadier, 33 Polen und 2 Franzosen. Die meisten von ihnen verloren ihr Leben im Kessel von Breskens.

Ein weiterer Friedhof befindet sich im Südwesten der Niederlande, 40 Kilometer nordwestlich von Antwerpen bei Bergen op Zoom mit 1116 Gräbern, davon 968 Kanadier. Nur einige hundert Meter neben dieser Begräbnisstätte findet sich eine weitere, die 1200 britische, 45 kanadische, 12 australische und 23 neuseeländische Soldaten beherbergt.

Weitere Gräber bei den Kämpfen beteiligter Soldaten befinden sich auf dem Schoonselhof-Friedhof von Antwerpen (348), dem Heverlee-Kriegsfriedhof bei Löwen (157), dem Hotton-Kriegsfriedhof (88) und auf dem Brüsseler Hauptfriedhof (74).

Literatur

  • Andrew Rawson: Walcheren: Crossing the Scheldt, Pen and Sword Books Ltd., 2003, ISBN 0850529611
  • W.Denis Whitaker, Shelagh Whitaker: Battle of the Scheldt, Souvenir Press Ltd., 1985, ISBN 0285626965
  • W.Denis Whitaker, Shelagh Whitaker: Tug of War: Eisenhower's Lost Opportunity: Allied Command & the Story Behind the Battle of the Scheldt, Beaufort Books, 1985, ISBN 0825302579

Weblinks

 Commons: Battle of the Scheldt estuary – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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