Schindeldach

Schindeldach
verschiedene Schindelformen
Rautenschindel

Schindeln sind ein Bauprodukt zur Dacheindeckung oder regional zur Fassadenverkleidung verwendet.

Schindeln sind aus Holz, daher genauer auch Holzschindel, umgangssprachlich werden ähnliche geformte und identisch verwendete Erzeugnisse aus Schiefer, Ton, Faserzement, Bitumen, Aluminium oder Kupfer ebenfalls als ‚Schindeln‘ bezeichnet. Fachlich heißen sie Dachziegel oder Dachstein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Altertum

Schindeln sind eine alte Form der Dachdeckung. Im Altertum wurden flache Steine schuppenförmig über dem Dachstuhl ausgelegt, so dass Wasser nicht in den Innenraum eindringen konnte. Es wurde auch Birkenrinde verwendet, der Holzschindeln folgten. Durch Ausgrabungen zeigt sich, dass der Mensch schon vor vielen tausend Jahren — zum Errichten der Zelte und Hütten — Holz als Baustoff gebrauchte. Mit Fellen, Lehm, Reisig, Stroh, Schilf und Baumrinde wusste er die Dächer und Wände der Behausungen gegen Wind und Kälte abzuschirmen.

Keltenzeit

Heuneburg b. Hundersingen

Ein Beispiel aus der Eisenzeit zeigt das so genannte „Herrenhaus“ der Heuneburg bei Hundersingen (Baden-Württemberg). Diese Schindeln wurden damals teils mit Holznägeln befestigt, teils mit Lederriemen festgebunden. Die bislang älteste Schindel wurde bei den Ausgrabungen der Wasserburg Buchau bei Bad Buchau (Baden-Württemberg) gefunden. Dabei handelt es sich um eine ca. 3000 Jahre alte (ca. 950 v. Chr.) gespaltene Eichenschindel, die durch das Moor konserviert wurde. Zu etwa gleicher Zeit wurden in Zug-Sumpf (Schweiz) gespaltene Weisstannenschindeln verwendet. In einem von der EU geförderten Projekt wurde in den vergangenen Jahren ein Teil dieser einmaligen Anlage rekonstruiert.

Römisches Zeitalter

Schmiede der Villa Rustica (Rekonstruktion, Hechingen)

Schon Plinius und Tacitus berichteten von den schindelgedeckten Holzhäusern germanischer Völker. Von den Römern stammt auch das Lehnwort scindula = Schindel zu scindere = spalten

Cornelius Nepos versicherte, dass Rom 470 Jahre lang bis zur Zeit König Pyrrhos (um 275 v.Chr.) mit Schindeln eingedeckt war. Zumindest unterschied man Stadtteile nach Wäldernamen (plinius Übers. Strack).

Im Römerkastell Saalburg in Hessen sind bei Ausgrabungsarbeiten eine Original-Klotz-­ oder Schindelhacke und runde Eichenzierschindeln gefunden worden. In der römischen Villa rustica bei Hechingen wurde nun eine Schmiede detailgetreu mit Holzschindeln eingedeckt.

Völkerwanderung

Aus einer Bibelübersetzung des Wulfila zur Westgotenzeit (Mitte 4. Jahrhundert) entstammt ein Beleg der Bezeichnung Skalja = Schindel (altnordisch skilja = spalten, trennen) für ein mit skildus (gotische Bezeichnung für Brett) gedecktes Dach.

Mittelalter

Das Hexenhäusel in Bautzen,vor 1604

Bis ins frühe Mittelalter war die Holzschindel in fast ganz Europa das am weitesten verbreitete Dachdeckungsmaterial. Bis zur Zeit der Karolinger waren Schindelbedachungen selbst bei vornehmen Gebäuden allgemein üblich. Jedoch wurde oft bei einfachen Häusern auf billigere Materialien wie Reet (Schilf) zurückgegriffen.

Neuzeit

Schindelverziertes und schieferverkleidetes Haus in Esslingen am Neckar
Holzschindeldach mit hölzerner Regenrinne bei einem Bauernhaus im Schwarzwald

Selbst im 18. Jahrhundert waren Weichdächer in Deutschland die überwiegende Bedachungsform. Infolge Holzknappheit wurde das Schindeldach aber mehr und mehr von Ziegel und Schiefer verdrängt. Die großen europäischen Flotten verschlangen viel Holz. Im Küstenbereich der nördlichen Länder und der Mittelmeerländer wurden für den Schiffbau die Wälder (bis tief ins Binnenland) rücksichtslos und ohne entsprechende Nachpflanzung abgeholzt. Eine weitere Ursache für den Rückgang des Schindeldaches war das Brandrisiko. In den immer größer werdenden Städten entstanden große Brände wegen unzureichenden Löschmöglichkeiten und enger Bebauung immer häufiger und führten teilweise auch zum Verbot des Schindeldaches.

In der Regel wurden zur Schindelherstellung die Baumsorten verwendet, die vor Ort verfügbar waren.

Bedeutung heute

In waldreichen und höhergelegenen Gebieten hat das Schindeldach bei Wohn-und Bauernhäusern bis heute nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Auch das Legschindeldach in den Alpen ist wegen seiner besonderen Ausstrahlung durch keinen anderen Baustoff zu ersetzen. Um 1987 wurden in Südtirol noch etwa 10.000 Schindeldächer vermutet. Im Norden Deutschlands werden hauptsächlich Eichenschindeln, im Erzgebirge und Böhmerwald Fichten-Nutschindeln, im Schwarzwald Fichtenschindeln, im Raum Hessen Buchenschindeln und im Alpenraum vornehmlich Lärchenschindeln verwendet.

In den sturmreichen Küstengebieten hat sich die Holzschindel an Kirchen und Windmühlen hervorragend bewährt. Im hohen Norden schützt die kunstvoll verlegte Holzschindel seit Jahrhunderten die mit hoher Zimmermannskunst erbauten Stabkirchen.

Materialien

Die Urform, die Legschindeln, waren mit Steinen beschwert. Es gab auch aus Ton gebrannt Schindeln, die die alten Römer scandula nannten, heute bezeichnet man diese als Biberschwanzziegel. Auch aus Schiefer werden wegen seiner guten Spaltbarkeit und Haltbarkeit Schindeln hergestellt. Bitumenschindeln, Schindeln aus Zementfaser und solche aus Aluminium runden das Spektrum ab. Meist werden Schindeln an extremen steilen Dächern, zum Beispiel Kirchtürmen verwendet. Sie werden grundsätzlich angenagelt.

Holzschindel

Holzschindeln

Holzschindeln werden in den Alpen-Ländern hauptsächlich aus Lärchenholz gefertigt. Geeignet sind nur Bäume, die eine sogenannte "Linksdrehung" aufweisen und von Hand aufgespalten wurden, damit sich das Holz nach dem Bearbeiten nicht verdreht, und seine Form behält. Es gibt zwei Arten, die sich durch ihre Herstellung unterscheiden:

Sägeschindel und Brettschindel

Man unterscheidet zwischen Sägeschindeln und Brettschindeln.

Brettschindeln sind aus Lärchenholz heute noch in Kärnten und der Steiermark, und von dort Ostwärts bis nach Asien, in Skandinavien und auch sonst weltweit anzutreffen. Diese Dachdeckung ist die am wenigsten haltbar Schindeldeckung und bedarf der meisten Wartung.

Im Gegensatz zu den Brettschindeln sind Sägeschindeln im Wandbereich in allen Holzarten üblich und in allen Größen erhältlich. Die Rentabilität ist gut und vor allem die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten sind für Architekten eine breite Basis für neue Planungsideen. Sägeschindeln als Dachdeckung sind nur mit besonders haltbaren Holzarten überhaupt sinnvoll, beispielsweise der kanadischen Alaska-Zeder. Hier gibt es in Deutschland sogar ein Prüfzeugnis als Harte Bedachung nach DIN 4102 Teil 7. Das bedeutet, Sägeschindeln aus Alaska-Zeder sind brandschutztechnisch ähnlich wie ein Ziegeldach einzustufen.

Spaltschindel

Schindelbank

Spaltschindeln werden vom Schindler hergestellt, indem man eine Rohschindel vom Block spaltet, entweder hydraulisch oder herkömmlich mit Spaltmesser (Kletzhacke) und Schlägel. Das Holz ist ausgesucht gerad- und feinwüchsig, sowie astfrei, worauf man es ablängt, spaltet[1] und mit einem breiten Messer, welches auf beiden Seiten einen Griff aufweist, nachbearbeitet. Dieses Messer wird auch als Ziehmesser bezeichnet. Um die Rohschindel für diesen Vorgang festhalten zu können, wurde in ganz Mitteleuropa immer das gleiche Instrument benutzt, die Schindelbank (Schneidesel, Bschniedesel, Heinzelbank, Schnitzelbank, Schindelgoaß usw.).

Durch das Spalten wird der natürliche Faserverlauf des Holzes nicht zerstört. Bei Nässe streckt sich das Holz durch seine Linksdrehung und es liegt flach auf dem Dach, beim Trocknen hingegen dreht es sich leicht und es entstehen Spalten, welche das Trocknen begünstigen. Durch diesen „Tannenzapfen-Effekt“ und die Tatsache, dass Spaltschindeln sowieso nie satt aufeinanderliegen, ist eine optimale Lebensdauer der Spaltschindeln erreicht worden. Früher konnte man bei Spaltschindeln aus Fichtenholz oder Lärchenholz Haltbarkeiten von 30–40 Jahren, bzw. 50–70 Jahren erreichen. Dies ist aber heute aus verschiedenen Gründen (schlechteres Holz, Umwelt, andere Dachkonstruktionen, etc.) nicht mehr realistisch. Heute liegen die Haltbarkeiten bei Fichte und Lärche im Dachbereich zwischen 12 und 25 Jahren, möchte man höhere Haltbarkeiten erreichen, so ist das bei den heimischen Hölzern nur mit Imprägnierung zu schaffen, oder man weicht gleich auf haltbarere Hölzer aus, wie Riesen-Lebensbaum (Thuja plicata) und Alaska-Zeder (Chamaecyparis nootkatensis). Spaltschindeln werden im Denkmalschutzbereich in geringen Mengen außerdem noch aus Eiche hergestellt, sowie aus Kastanie (Westschweiz, franz. Alpen). Im nördlichen Osteuropa wird vielfach Espe (Pappel) für Schindeln verwendet.

Deckungsarten

Dreifachdeckung genagelter Holzschindeln

Hinsichtlich der Verdeckungsweise unterscheidet man Scharschindeldächer und Legschindeldächer.

Scharschindeldach

Das Scharschindeldach eignet sich hauptsächlich für steil geneigte Dächer. Die Schindel werden dabei, im Allgemeinen mit dreifacher Überdeckung, auf eine Lattung aufgenagelt. Für niederwertige Bauten ist Zweifachdeckung möglich.

Legschindeldach

Das Legschindeldach ist für flache Dachneigungen gebräuchlich. Die Schindeln werden - ebenfalls mit drei-, teil auch vierfacher Überdeckung lediglich aufgelegt. Die Befestigung erfolgt durch Schwersteine, die auf Schwerstangen aufliegen und damit die Schindel am Dach sichern. Das Legschindeldach muss alle 4 Jahre umgedeckt werden, wobei eine noch nicht der Witterung ausgesetzte Seite der Schindel nach oben kommt. So können die Schindel viermal verwendet werden.

Einzelnachweise

  1. Österreichisch nennt man diese Tätigkeit Spalten klieben , die Berufsbezeichnung Bretterklieber ist dort noch immer als Familienname verbreitet.

Weblinks


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