Schießscharte

Schießscharte
Schießnische mit Kreuzscharte (Corfe Castle)

Eine Scharte (Schießscharte) ist im Fortifikationswesen eine Öffnung innerhalb einer Befestigung, die einem Schützen den Einsatz einer Fernwaffe bei gleichzeitiger hoher Deckung erlaubt. Schießscharten treten in vielfältigen Formen vor allem an spätmittelalterlichen Burgen und neuzeitlichen Festungen auf. Die Form ergibt in erster Linie sich aus der Funktionsweise der jeweiligen Waffe, für welche die Scharte angelegt wurde.

In anderen Sprachen wird zwischen der sich nach außen verjüngenden Aussparung in der Wand der Befestigung (englisch Embrasure, französisch Embrasure, russisch Амбразура) und der eigentlichen Öffnung (englisch Balistraria oder arrow loop, „Pfeilschlitz“, französisch Meurtrière „Mörderin“, russisch Бойница) unterschieden.

Inhaltsverzeichnis

Mittelalterliche Schartenformen

Mauerturm mit Bogenscharten

Im Burgenbau können Scharten in hölzerne Bauteile (beispielsweise in Hurden) oder im Mauerwerk eingelassen sein. Ab einer gewissen Mauerstärke muss eine Nische (die Schießnische) hinter der Scharte angelegt werden, damit der Schütze genügend Raum zur Führung seiner Waffe hat. Schießscharten können Bestandteil einer Brustwehr, eines Wehrturms oder auch von kleineren Schützenstellungen wie beispielsweise Wehrerker oder Scharwachttürmchen sein.

Bogenscharten

Scharten für Bögen haben die Form eines langen senkrechten Schlitzes. Die Länge ergibt sich aus dem Umstand, dass der Pfeil auf längere Distanz schräg nach oben abgeschossen wird, so dass für die verschiedenen Schussweiten genügend vertikaler Raum vorhanden sein muss. Der senkrecht gehaltene Bogen erforderte außerdem eine hohe Schießnische. Erhaltene Bogenscharten sind vergleichsweise selten, unter anderem deshalb, weil nach der Etablierung neuer Fernwaffen wie der Armbrust ältere Scharten oft umgebaut und an die neue Funktionsweise angepasst wurden.

Auf den ersten, oberflächlichen Blick leicht mit Bogenscharten zu verwechseln sind die ebenfalls vertikalen Lichtschlitze, die beispielsweise bei den mitteleuropäischen Bergfrieden häufig anzutreffen sind. Diese eignen sich jedoch nicht für den Einsatz von Fernwaffen, weil die dahinterliegende Schießnische fehlt und somit nicht genug Raum ist. Sie dienen ausschließlich der Belichtung und Belüftung des Turminneren.

Armbrustscharten

Scharten für Armbrüste haben eine senkrechte Schlitzform, sind jedoch niedriger und breiter als Bogenscharten. Auch die zugehörige Nische ist breiter, um der horizontal gehaltenen Waffe genügend Raum zu geben. Manche Armbrustscharten besitzen zusätzlich kurze horizontale Schlitze (z. B. die Kreuzscharte). Da die Armbrustbolzen eine geradere Flugbahn haben, kann die vertikale Schlitzöffnung niedriger und die gesamte Konstruktion massiver und damit stabiler ausgeführt werden als bei einer Bogenscharte.

Scharten für Feuerwaffen

Schlüsselscharte in einem Turm der Stadtmauer von Murten (Schweiz)

Mit der Verbreitung des Schwarzpulvers im 14. Jahrhundert wurden schon bald erste Feuerwaffen entwickelt, insbesondere auch Handbüchsen zur Verteidigung von Burgen und anderen Befestigungen. Damit wurden wieder eigene spezialisierte Schartenformen notwendig, die nun als Hauptmerkmal eine kreisrunde Öffnung für die Büchse aufweisen. Die Formen sind vielfältig, die runde Öffnung kann mit verschiedenen Arten von Sichtschlitzen oder Spählöchern kombiniert sein. Eine häufige Form ist die Schlüsselscharte, bei der die Öffnung durch einen senkrechten Sichtschlitz ergänzt wird und somit einem umgedrehten Schlüsselloch ähnelt. Es wurden auch Mischformen entwickelt, die den Einsatz sowohl von Armbrüsten als auch von Büchsen ermöglichten.

Mit der Entwicklung der Feuerwaffen am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit veränderte sich auch das Fortifikationswesen grundlegend. Befestigungen wurden nun zunehmend massiver, breiter und niedriger ausgeführt (z.B. Rondell und Bastei) und man entwickelte im unmittelbaren Vorfeld der Festung eine spezielle Grabenverteidigung. Eine darauf spezialisierte Schartenform ist die horizontal ausgerichtete Maulscharte, von der es wiederum zahlreiche Variationen gibt.

Sonderformen

  • Senkscharten führen in der unteren Hälfte schräg durch die Mauer, wodurch der tote Winkel vor der Mauer, welcher nicht durch die Schießscharte geschützt werden kann, verringert wird. Beginnt eine Scharte unter Brusthöhe und reicht bis in den Fußbodenbereich hinab (diagonaler Schusswinkel), wird sie als Fußscharte bezeichnet. Eine senkrechte Schartenöffnung in einem vorkragenden Bauteil wird hingegen als Maschikuli bezeichnet und dient in erster Linie als Öffnung für Wurfsteine.
  • Nasenscharten verfügen über ein schräg aus der Mauer hervortretende Mauerblende mit einer Schuss- oder Wurföffnung am unteren Ende. Sie stellen eine Übergangsform zum Wehrerker dar und werden auch als „Pechnasen“ bezeichnet.
  • Kugelscharten sind mit einer ins Mauerwerk eingebauten, beweglichen und für den Lauf der Waffe durchbohrten Holzkugel (sog. „Holzauge“) ausgestattet und bieten dem Schützen ein hohes Maß an Deckung. Anstatt einer Kugel kann auch eine senkrechte hölzerne Spindel die Funktion übernehmen.
  • Schießluken sind etwa 50 cm breite, durch Holzklappen verschließbare Öffnungen, die für den Einsatz von Geschützen vorgesehen waren.
  • Hosenscharten bestehen aus zwei schräg zueinander stehenden Scharten, die in einer gemeinsamen Öffnung in der Außenseite der Wand münden.

Neuzeitliche Schießscharten

An den Festungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurden die Scharten stets mit einer Panzerung versehen, da sie in der gesamten Struktur eine Schwachstelle darstellten. Zur Verbesserung des Schutzes wurden solche Öffnungen als Minimalscharte ausgeführt. Bei dieser Bauform wurde der Drehpunkt der Waffe in die Scharte selbst verlegt, so dass die zugehörige Öffnung eine minimale Größe erhielt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden bewegliche Panzerkuppeln entwickelt, die mit Scharten ausgestattet waren. Im Falle eines schweren Artillerie- oder Bombenangriffs konnten diese Stahlkuppeln versenkt werden, um möglichst wenig Angriffspunkte zu bieten.

Literatur

  • Otto Piper: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen. München 1912, S. 335 - 355.

Weblinks


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