Schiefe Türme

Schiefe Türme
Bologna im Mittelalter (Angelo Finelli, 1917)

Die mittelalterlichen Geschlechtertürme sind ein Wahrzeichen der Stadt Bologna. Eine Besonderheit sind dabei die nebeneinander stehenden schiefen Türme Garisenda und Asinelli.

Inhaltsverzeichnis

Geschlechtertürme

Zwischen dem 12. und dem 13. Jahrhundert wurden zahlreiche Türme in der Stadt errichtet (einige Quellen berichten sogar von 180 Türmen). In der Moderne wurde die Stadt durch die Türme im Messegebiet (Fiera District) bereichert, die der japanische Architekt Kenzo Tange geplant hat, und die auf die mittelalterliche Bautradition der Stadt zurückgreifen. Es ist noch nicht klar, warum so viele Türme errichtet wurden, aber es wird vermutet, dass die reichsten Familien sie in der Epoche des Investiturstreits als Angriffs- und Verteidigungsmittel nutzten.

Wie Carisenda, unterm Hang erblickt,
Sich vorzubeugen scheint und selbst zu regen,
Wenn Wolken ihr den Wind entgegenschickt,
So schien Antäus jetzt sich zu bewegen,
Als er sich niederbog,...
(Dante Alighieri, Göttliche Komödie, Hölle, XXXI, 136-140)

Neben den Türmen sind noch einige torresotti erhalten geblieben, kleine Wehranlagen an den antiken Mauern vom 12. Jahrhundert (mura dei Torresotti o dei Mille), die fast völlig zerstört wurde.

Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden viele Türme entweder geschleift oder abgebaut, andere stürzten ein. Später dienten sie als verschiedene Einrichtungen: Kerker, Bürgertürme, Geschäfte, Wohnungen. Die letzten Türme wurden im 20. Jahrhundert in Folge einer ehrgeizigen und - aus der heutigen Perspektive - unnachhaltigen Stadterneuerung abgebaut, wie die Türme Artemisi und Riccadonnadie im Jahre 1917 gesprengt wurden. Sie lagen im Stadtteil Mercato di Mezzo nebst den heutigen schiefen Türmen.

Von den zahlreichen Türmen, die in alten Zeiten die Stadt Bologna schmückten, sind heute knapp zwanzig erhalten geblieben. Darunter sind der Turm Azzoguidi, genannt Altabella (61 Meter Höhe), der Turm Prendiparte, genannt Coronata (60 m), die Türme Scappi (39 m), Uguzzoni (32 m), Guidozagni, Galluzzi und die berühmten schiefen Türme Asinelli (97 m) und Garisenda (48 m).

Die Bautechniken

Turm Prendiparte
Turm Azzoguidi

Trotz Verpflichtung der Erbuntertanen war der Bau der Türme sehr kostspielig. Die Türme wiesen einen quadratischen Grundriss mit von fünf bis zehn Metern tiefen Fundamenten auf, die aus in den durch Kiesel- und Kalkstein bedeckten Boden eingeschlagenen Pfählen bestand.

Die Eckpfeiler des Turms wurden dann mit riesigen Steinblöcken aus Selenit gebaut und das restliche Bauwerk wurde mit hinauflegenden dünneren und leichteren Mauern errichtet, die in Schalenbauweise, d.h. mit einer sehr dicken Innenwand und einer viel dünneren Außenwand, bestand. Der innere Hohlraum wurde dann mit Mörtel und Steinen gefüllt.

Im Allgemeinen wurden in den Außenwänden Mauerlöcher durchbohrt, um Einrüstungen oder weitere Bauarbeiten zu ermöglichen.

Die zwei schiefen Türme Asinelli und Garisenda

Die zwei Türme

Die zwei schiefen Türme, das Wahrzeichen der Stadt, liegen an der Kreuzung der Wege, die zu den fünf Toren der alten Stadtmauern der Torresotti führen. Der schiefste Turm, der Garisenda, wurde mehrmals schon von Dante Alighieri in der Göttlichen Komödie und in den Rime erwähnt, was den Aufenthalt des Dichters in der Stadt bezeugt.

Die Namen Asinelli (der höhere) und Garisenda (der kleinere), stammen von den Familien, die sie zwischen 1109 und 1119 erbauen ließen.

Die Türme und die Statue vom Heiligen Petronius im Schnee
Das Treppenhaus im Inneren des Turms Asinelli

Es wird vermutet, dass der Turm Asinelli ursprünglich ungefähr 60 Meter hoch war und erst später auf die heutigen 97,2 m erhöht wurde (mit einer Neigung von 2,2 m).

Die Gemeinde erwarb den Turm im 14. Jahrhundert und baute ihn in einen Kerker und eine Burg um. Rund um den Turm wurde ein Holzgerüst aufgebaut, welches auf 30 m über dem Boden angelegt und durch einen Luftsteg (im Jahre 1398 in einem Großbrand zerstört) an den Garisenda angekoppelt wurde. Schweren Schaden erging der Turm wegen der vielen Blitze, die häufig Brände oder kleine Zerrüttungen herbeiführten. Erst 1824 wurde eine Blitzschutzanlage eingebaut.

In jüngster Zeit wurde auf der Spitze sogar eine Fernsehantenne von der Italienischen Staatsrundfunkanstalt errichtet. Die Wissenschaftler Giovanni Riccioli (1640) und Giovanni Battista Guglielmini (im folgenden Jahrhundert) benutzten den Turm als Labor für Forschungen über die Schwerkraft und die Erdrotation.

Der Garisenda hat heute eine Höhe von 48 m und eine Neigung von 3,2 m, aber nach dem Bauende war er ungefähr 60 m hoch und wurde im 14. Jahrhundert wegen eines Bodensturzes, der ihn gefährlich schräg machte, zurückgebaut. Ab dem 15. Jahrhundert wurde der Turm durch die Zunft der Weber erworben, die ihn bis Ende des 19. Jahrhunderts inne hatte, als er in Gemeindebesitz überging.

Türme und Torresotti an den Stadtmauern

Torresotto von Castiglione
Der Torresotto von San Vitale (Überbleibsel "der Torresotti" vom 12. Jahrhundert)
  • Torre Accursi (sogenannt dell'orologio) - Piazza Maggiore
  • Torre Agresti - P.zza Galileo
  • Torre Alberici - Via S. Stefano - P.zza della Mercanzia
  • Torre Asinelli - P.zza Ravegnana, 82
  • Torre Azzoguidi (sogenannt Altabella) - Via Altabella, 7
  • Torre Bertolotti-Clarissimi - Via Farini, 11
  • Torre Carrari - Via Marchesana
  • Torre Catalani - Vicolo Spirito Santo
  • Torre Conoscenti - Via Manzoni, 6 (am Innenhof vom Museo Civico Medioevale)
  • Torre dell'Arengo - Piazza Maggiore
  • Torre Galluzzi - Corte Galluzzi
  • Torre Garisenda - P.zza Ravegnana
  • Torre Ghisilieri - Via Nazario Sauro
  • Torre Guidozagni - Via Albiroli 1-3
  • Torre Lambertini - Piazza Re Enzo
  • Torre Lapi - Via IV Novembre
  • Torre Oseletti - Strada Maggiore, 34-36
  • Torre Prendiparte (sogenannt Coronata) - Via S. Alò, 7
  • Torre Scappi - Via Indipendenza, 1
  • Torre Toschi - P.zza Minghetti hinter Casa Policardi
  • Torre Uguzzoni - Vicolo Mandria, 1

  • Torresotto di Castiglione - Via Castiglione, 47
  • Torresotto di porta Nuova oder del Pratello - via Porta Nuova, via M. Finzi
  • Torresotto dei Piella oder porta Govese oder del Mercato - via Piella, via Bertiera
  • Torresotto di S. Vitale - Via S. Vitale, 56

Literatur

  • G. Roversi, Le torri di Bologna: quando e perché sorsero, come vennero costruite, chi le innalzò, come scomparvero, quali esistono ancora, (1989, Edizioni Grafis, Bologna)

Siehe auch

Weblinks


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