Schichau-Werke

Schichau-Werke
F. Schichau, Maschinen- und Lokomotivfabrik, Schiffswerft und Eisengießerei GmbH
Rechtsform GmbH
Gründung 1837
Auflösung Januar 1945
Sitz Elbing
Mitarbeiter Zuletzt ca. 7800
Branche Maschinenbau
Schiffsbau
Lokomotivbau

Die Schichau-Werke waren ein Maschinenbauunternehmen in Elbing, Westpreußen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Schichau-Werke waren ein ostdeutsches Industrieunternehmen mit Sitz in Elbing, Westpreußen. Sie existierten von 1837 bis 1945. Ab 1929 wurden sie als F. Schichau, Maschinen- und Lokomotivfabrik, Schiffswerft und Eisengießerei GmbH geführt. [1]

Gründung und Anfangsjahre

Nach seinem Ingenieursstudium in Berlin, im Rheinland und Großbritannien gegründete Ferdinand Schichau am 4. Oktober 1837 in Elbing eine Maschinenbau-Anstalt, später benannt als F. Schichau, Maschinen- und Lokomotivfabrik, Schiffswerft und Eisengießerei GmbH,[1] Anfänglich produzierte das Unternehmen hydraulische Maschinen und Bagger. Mit dem Schiffbau kam Schichau erstmals im Jahre 1841 in Berührung, als sich sein Betrieb am Bau des ersten in Deutschland produzierten Schwimmbaggers beteiligte. Schließlich wurde 1852 in Elbing ein eigener Schiffbauplatz eingerichtet. 1854 lief dort die Borussia vom Stapel, das erste in Preußen gebaute Eisenschiff mit Schraubenantrieb. 1860 Jahren wurde zudem der Lokomotivbau aufgenommen; drei Jahre später das Werk auch an das Eisenbahnnetz angeschlossen.

Überarbeitete Fassung: Das Industrieunternehmen wurde von Ferdinand Schichau am 4. Oktober 1837 in Elbing als Maschinenbauanstalt gegründet. Nach seinem Ingenieursstudium in Berlin, und Studienaufenthalten im Rheinland und Großbritannien produzierte er anfänglich Dampfmaschinen, hydraulische Maschinen und Bagger. 1841 wurde in seinem Betrieb der erste in Deutschland produzierte Schwimmbagger gebaut. 1854 lief dort die Borussia vom Stapel, der erste in Preußen gefertigte eiserne Seedampfer mit Schraubenpropellerantrieb. 1859 begann Schichau in seiner Maschinenfabrik mit dem Lokomotivbau. 1869 wurde in Elbing seine Lokomotivfabrik mit Kesselschmiede und Großhammerschmiede fertiggestellt. Drei Jahre später war das Werk auch an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Ab 1880 bei Schichau die ersten Verbundlokomotiven Deutschlands gebaut, kleine Zweizylinder-Tenderlokomotiven für die Königliche Eisenbahn Direktion Hannover, die eine Brennstoff-Ersparnis von bis zu 16% erbrachten. In den Folgejahren wurde der Lokomotivbau zu einem stabilen Produktionsbereich, mit dem das Unternehmen regelmäßig einen jährlichen Absatz von 100 Lokomotiven erzielte. 1891 verließ die 500. Lokomotive die Fabrik. Schon acht Jahre später wurde die 1000. Lokomotive fertiggestellt.[3]

Als patriarchalisch eingestellter Arbeitgeber ließ Ferdinand Schichau Arbeitersiedlungen bauen und gründete eine Kranken- und Pensionskasse für seine Arbeiter.

Im Kaiserreich

Aufgrund der beengten Fahrwasserverhältnisse konnte Schichau in Elbing nur relativ kleine Wasserfahrzeuge fertigen. Daher entschloss sich Ferdinand Schichau zur Expansion. Zunächst wurde 1889 eine Schiffsreparaturwerkstatt in Pillau bei Königsberg errichtet. Ein Jahr später entstand eine Großwerft in Danzig, wo in den folgenden Jahren zahlreiche größere Kriegsschiffe sowie Frachtschiffe und luxuriöse Passagierschiffe entstanden. Ferdinand Schichau starb 1896. Sein Schwiegersohn Carl Heinrich Ziese[2] führte das Unternehmen weiter. Unter seiner Leitung wurden die Schichau-Werke in der Kaiserzeit zum größten Industrieunternehmen Ostdeutschlands.

Im Ersten Weltkrieg waren die Schichau-Werke Rüstungsbetrieb. Bei Kriegsbeginn arbeiteten an den Standorten Elbing, Danzig und Pillau insgesamt 8.500 Mitarbeiter. Bei Kriegsende waren es 11.600 Beschäftigte.

Kriegsschiffbau

Der Einstieg in den Kriegsschiffbau erfolgte 1877, als Carl H. Ziese im Auftrag der russischen Marine erstmals Torpedoboote Konstruierte. 1884 bestellte die Kaiserliche Marine bei der Elbinger Werft die erste Serie Kleiner Torpedoboote. Schichau wurde bald führend im Torpedobootsbau und exportierte weltweit. 1899 fertigte das Unternehmen mit der S 90 das erste deutsche Hochseetorpedoboot. Bis 1918 entstanden bei Schichau 483 Torpedoboote, davon 333 für die kaiserliche Marine.

Neben dem Torpedobootsbau lieferte Schichau der Kaiserlichen Marine auch größerer Kriegsschife, so den Kreuzer SMS Gefion (Stapellauf 1893), die Kanonenboote SMS Iltis und SMS Jaguar (1898), den Kleinen Kreuzer SMS Kolberg (1908), die Linienschiffe SMS Kaiser Barbarossa (1900), SMS Wettin (1901), SMS Elsass (1903), SMS Lothringen (1904) und SMS Schlesien (1906), die Großlinienschiffe SMS Oldenburg (1910), SMS König Albert (1912) und SMS Baden (1915) und den Schlachtkreuzer SMS Lützow (1913). Die Kleinen Kreuzer SMS Pillau und SMS Elbing (1914) waren bei Kriegsausbruch für die russische Marine in Bau und wurden von der Kaiserlichen Marine übernommen.

Fahrgastschiffe

Neben dem Bau von Kriegsschiffen konzentrierte sich das Unternehmen auch auf den Bau von Handelsschiffen. Im Jahre 1894 lief bei Schichau die für den Norddeutschen Lloyd gebauten Reichspostdampfer Prinzregent Luitpold und Prinz Heinrich vom Stapel. Bis zum Ersten Weltkrieg fertigte das Unternehmen dann allein für den „Lloyd“ zwölf weitere große Passagierschiffe. Von 1883 bis 1926 entstanden bei Schichau 16 Fährschiffe für deutsche und ausländische Eisenbahndirektionen, darunter Friedrich Franz IV., Mecklenburg, Prins Christian und Prinsesses Alexandrine gebaut, die auf dem 1903 eröffneten Trajekt Warnemünde–Gedser zum Einsatz kamen.

1918–1945

Nach Carl H. Zieses Tod 1917 übernahm der Schwede Carl Carlson, Ehemann von Zieses einziger Tochter Hildegard, die Leitung der Schichau-Werke. Nach dessen Tod 1924 führte seine Witwe die Firma allein. Sie starb bereits 1927. Bereits ab 1925 hatte sich die Konjunkturlage so verschlechtert, dass das Unternehmen vor dem Konkurs stand, der nur durch Staatskredite des Deutschen Reiches und des Landes Preußen verhindert wurde. Da die Regierung der Weimarer Republik das größte Schiffbauunternehmen im Osten nicht aufgeben wollte, wurden die Schichau-Werke durch Reichstagsbeschluss staatlich saniert. Carlsons Erben erhielten eine Abfindung. Ab 1929 konnte die neue F. Schichau GmbH unter der Leitung von Hermann Noë, Bruder des Direktors der „Danziger Werft und Eisenbahnwerkstätten AG“ Ludwig Noé, den Betrieb fortführen. 1930 wurde den Schichau-Werken die ebenfalls in Konkurs gegangene Union-Gießerei in Königsberg angegliedert. Das Unternehmen wurde durch die Ostlandhilfe im Lokomotivbau gefördert. Im Zuge der von der Nationalsozialistischen Regierung betriebenen Aufrüstung des Deutschen Reiches stiegen diese Zahlen jedoch rasant an. 1937 hatte die Werft in Danzig bereits 2700 Beschäftigte, 1939 waren es 3700. 1941 wurde das Schichau-Unternehmen zu einer Aktiengesellschaft, der F. Schichau AG, umgegründet. Hermann Noé blieb weiterhin Generaldirektor der Werke mit Firmensitz in Elbing, wo die gesamte Schiffbaufertigung zentral geleitet wurde. Aus dem Königsberger Betrieb entstand die von Woldemar Rodin selbstständig verwaltete F. Schichau GmbH Königsberg. Im September 1944 waren 7763 Personen auf der Danziger Schichau-Werft tätig, davon 2870 Ausländer („Fremdarbeiter“) bzw. Zwangsarbeiter („Ostarbeiter“), die aus dem Konzentrationslager Stutthof in der Nähe von Danzig rekrutiert wurden. Für die Werften existierten die „Außenarbeitslager Schichau Werft Elbing“ und „Außenarbeitslager Schichau Werft Danzig“. Insgesamt waren Ende 1944 bei Schichau 44.000 Personen - in Elbing 18.000, in Danzig 12.000 und in Königsberg 14.000 – beschäftigt. [2]


Das Stammwerk in Elbing baute im Zweiten Weltkrieg unter anderem die Flottentorpedoboote 1939, Minensuchboote, Motoren und Klein-U-Boote vom Typ Seehund für die Kriegsmarine. Neben der Herstellung von Booten des Typs VII C wurden dort auch Boote der neuen U-Boot-Klasse XXI gefertigt. Die Schichau Werft GmbH baute in Danzig bis zum Jahr 1944 insgesamt 62 U-Boote des Typs VII C und zwei des Typs VII C/41, bis die Produktion auf den Typ XXI umgestellt wurde. Bis Kriegsende wurden 30 Boote dieses neuen Typs in Danzig fertiggestellt. Schichau Danzig lieferte insgesamt 94 U-Boote an die Kriegsmarine.

Borsig vergab im Zweiten Weltkrieg eigene Aufträge an die Schichau-Werke in Elbing, die bis Januar 1945 produzierten. Bis Kriegsende 1945 lieferte Schichau neben Waffen und Schiffen aller Art ca. 4300 Lokomotiven mehrerer Bauarten unter anderem an die Deutsche Reichsbahn und die PKP.

Beim Näherrücken der Front wurde zu Beginn des Jahres 1945 ein Teil der bei der Werft eingesetzten schwimmenden Geräte abtransportiert. Ein Schwimmdock wurde bis in die 1980er Jahre von den Lübecker Flender-Werken benutzt. Der bis dahin auf der Danziger Schichau-Werft eingesetzte Schwimmkran „Langer Heinrich“ (Baujahr 1905) gelangte nach Rostock und war mehrere Jahrzehnte bei der dortigen Neptunwerft im Einsatz. Heute ist er im Besitz des Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums der Hansestadt Rostock.

Der Schwimmkran „Langer Heinrich“ war mehrere Jahrzehnte bei der Neptunwerft im Einsatz, und gehört heute zum Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum der Hansestadt Rostock

1945 bis heute

Polen

Die Werksanlagen der Lokomotivfabrik wurden nach Kriegsende durch die sowjetische Besatzung demontiert. Die Elbinger Maschinenfabrik gehörte seit Kriegsende zu Polen und stellte als volkseigener Betrieb ZAMECH, Mechanische Werke in Elbląg, Turbinen, Getrieben und Ausrüstung für den Schiffbau her. Er wurdee im Jahr 2000 von dem französischen Konzern Alstom Power, einem Hersteller von Kraftwerken, Turbinen, Generatoren und Kesseln für die Stromerzeugung, übernommen. Der Schiffbau in Elbing wurde eingestellt. Die Schichau-Werft in Danzig wurde 1950 mit der Danziger Werft zur Lenin-Werft zusammengefasst, die sich auf den Bau von Fracht- und Containerschiffen spezialisierte. Die Leninwerft wurde 1980 durch die Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarność weltberühmt.

Deutschland

Von ehemaligen Betriebsangehörigen der Schichau-Werft wurde 1950 in Bremerhaven das Unternehmen neu gegründet. Daraus folgte nach einigen Fusionen die Schichau Seebeckwerft AG, welche 1996 als Folge des Konkurses des Bremer Vulkan ebenfalls in Konkurs ging. Das Nachfolgeunternehmen, die SSW Schichau Seebeck Shipyard GmbH ging 2008 in Konkurs.

Siehe auch

SMS Taku

Erhaltene Schiffe

  • Stralsund (Baujahr 1890), Eisenbahnfähre, Wolgast
  • Jacob Langeberg, ex. von Bötticher (Baujahr 1902), Schlepper und Eisbrecher, ursprünglich auf dem heutigen Nord-Ostsee-Kanal im Einsatz, Wormerveer, Niederlande

Quellen

Literatur

  • 125 Jahre Schichau, in: Hansa - Zeitschrift für Schiffahrt, Schiffbau und Hafen 99 (1962), S. 1866–1868.
  • Hermann Schöler: Helden der Arbeit: Lebensbilder großer Männer des deutschen Wirtschaftslebens. Leipzig 1925.
  • Eike Lehmann :100 Jahre Schiffbautechnische Gesellschaft. 1999.
  • Schichau-Werke (Hrsg.): Die Schichau-Werke in Elbing, Danzig und Pillau,
  • Adolf Bihl: 100 Jahre Schichau 1837-1937. herausgegeben anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Schichau-Werke, Elbing 1937.
  • Eberhard Westphal: Ferdinand Schichau. Elbinger Hefte 19/20. Essen 1957.
  • Hans-Jürgen Schuch: Elbing: Aus 750 Jahren Geschichte der Ordens-, Hanse- und Industriestadt. Münster.
  • Hans-Jürgen Schuch: Ein ostdeutscher Industriepionier : Ferdinand Schichau u. sein Werk. Münster 1960.
  • Victor von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens.

Einzelnachweise

  • [1] 125 Jahre Schichau, in: Hansa - Zeitschrift für Schiffahrt, Schiffbau und Hafen 99 (1962), S. 1866–1868.
  • [2] Hans-Jürgen Schuch: Elbing: Aus 750 Jahren Geschichte der Ordens-, Hanse- und Industriestadt. Münster, S.112ff.
  • [3] Schichau-Werke (Hrsg.): Die Schichau-Werke in Elbing, Danzig und Pillau, S. 43ff.


  1. Werksansicht vom 1. Januar 1911, aus: Eisenbahnwesen der Gegenwart
  2. Er heißt definitiv Carl Heinrich oder Carl H., aber nicht Carl Heinz

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