Schasu

Schasu

Schasu ist eine in altägyptischen Texten des zweiten Jahrtausends v. Chr. vorkommende Bezeichnung für Nomaden.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie des Namens

schas in Hieroglyphen
M8 G1 S29 D54

schas
šʒs
durchwandern, durchziehen, durchfahren
(Ort, Gebiet, Himmel) [1]

Das Wort „Schasu“ ( šʒśw ) leitet sich aus der ägyptischen Verbalwurzel šʒś ab, die die Bedeutung von „durchqueren, ziehen, wandern“ hat.[2][3] Als Lehnwort des ägyptischen šʒś wird das hebräische Verbשׁסה‎ ( šsh, „(aus)plündern“; Substantiv: ‏מְשִׁסָּה‎ – mešissāh, „Plünderung“) mit seinen Varianten ‏שׁשׂה‎ (šśh) und ‏שׁסס‎ (šss) betrachtet, das wiederum mit dem ein Mal in ugaritischen Texten vorkommenden Verb ṯšj – mit derselben Bedeutung – in Verbindung gebracht wird.[4][5] Nicht gesichert ist eine Verbindung zwischen dem ägyptischen šʒśw / šʒś und dem in keilschriftlichen Texten bezeugten „Sutu“, das auch eine Bezeichnung für nomadische Gruppierungen war.[2]

Die Schasu in den ägyptischen Dokumenten

Schasu in Hieroglyphen
M8 G1 M23 Z7 T14 A1
Z2

Schasu
Šʒsw
Schasu-Nomaden
(Nordöstliches Gebiet Altägyptens) [1]

Erstmalig erwähnt werden die Schasu auf der Stele aus Memphis unter Amenophis II., auf welcher die Gefangennahme von 15.020 lebenden Schasu-Beduinen aus seinem zweiten Retjenu-Feldzug berichtet wird, der Amenophis II. bis in das Gebiet der Hurriter führte. In diesem Zusammenhang wurde in der gleichen Region auf seinem ersten Retenu-Feldzug das Land Edom (mit Zusatz: Schamasch) in der Nähe von Qatna am Orontes genannt.[6]

In dem Kampfrelief von Sethos I. im Karnak-Tempel werden die Gründe des militärischen Vorgehens gegen die Schasu im nördlichen Sinai angegeben:

Die feindlichen Schasu planen eine Rebellion. Ihre Stammesführer haben sich an einem Ort versammelt, an den Vorbergen in Chor, und machen Aufruhr und Getümmel. Jeder von ihnen tötet seinen Mitbruder. Sie beachten nicht das Gesetz des Palastes.[3]

Das Relief stellt eine Massendeportation von Schasu aus der Sinai-Halbinsel und aus dem südlichen Palästina nach Ägypten dar, wo sie vermutlich in den Kupferminen arbeiten sollten.[2]

Unter Ramses II. wurden Schasu-Beduinen kurz vor Beginn der Schlacht bei Kadesch festgenommen. Ein Brief eines Grenzbeamten unter Sethos II. berichtet im Papyrus Anastasi VI[3][7] erneut von ihnen, diesmal jedoch in friedlicher Schilderung:

Die Schasu-Stämme aus Edom (šʒśw n jdwm) passierten die Festung Merenptah in Tjeku, um bei den Teichen des Atumtempels ihr Vieh weiden zu lassen. Ich habe sie am Tag des Geburtstags von Seth (3. Heriu-renpet) zu dem Ort gebracht, wo sich auch bereits die anderen Schasu-Stämme aufhalten, die vor Tagen die Festung des Merenptah passierten.

Ob es sich um das Edom im Bereich der Sinai-Halbinsel oder um das Edom in der Nähe von Qatna handelt, bleibt unklar. Schon kurze Zeit später erfolgte unter Ramses III. die Erwähnung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Schasu, da er sich den Titel „Bezwinger der Schasu“ gab. Ebenfalls negativ ist die Beurteilung im Papyrus Anastasi I, in welchem Reisende vor der Gefahr durch die Schasu gewarnt werden:

… Der schmale Pfad ist gefährlich, weil dort Schasu sich unter den Büschen verstecken. (Sie) haben grimmige Gesichter. Sie sind feindlich.[3]

Von Seiten einiger Bibelhistoriker ist die Auffassung vertreten worden, dass Schasu eine ägyptische Unterscheidung wiedergebe, wonach dieser Name die südlich der Linie von Rafah zum Toten Meer umherziehenden Nomaden bezeichne, während die Gruppierungen nördlich davon ʿApiru genannt worden seien.[8] Nicolas Grimal lokalisiert das Land der Schasu südöstlich vom See Genezareth. Die genaue Lokalisierung der Schasu-Stämme bleibt trotz dieser Versuche jedoch weitgehend offen, da Schasu-Stämme an verschiedenen Orten zwischen Qatna[2] und der Sinai-Halbinsel angetroffen wurden. Ebenso ist die Hypothese einer Verlagerung des Siedlungsgebietes derzeit nicht zu beweisen.[9]

Ta Schasu Jahu in Hieroglyphen
N16 M8 M23 G43 M17 M17 h V4 G1

Ta Schasu Jahu
T3 Š3sw Yhw(3)
Jahu, Land der Schasu [10]
M17 A2 h G43 M17 G43 N25

Mittelägyptisch: Jhwjw (Ta Schasu Jahu)
Jhwjw (T3 Š3sw Yhw(3))
(Ein Gebiet, wo leuchtendes Metall gewonnen wird) [10]

Schasu-Land Jahu

Eine zuerst im Tempel von Soleb unter Amenophis III. bezeugte Ortsliste[11], die um 1380 v. Chr. datiert wird, führt die Bezeichnung „Schasu-Land Yhw“ in Zusammenhang mit weiteren Ortsnamen des Edomitischen Berglandes.[2] Der Begriff ist nochmals in einer Ortsnamenliste unter Ramses II. belegt.[12] Diese Bezeichnung, die vorwiegend als Ortsname aufgefasst wird, ist in Verbindung mit dem hebräischen Gottesnamen JHWH gebracht worden.

Einige Interpreten haben darin eine Anspielung auf eine „halbnomadisch lebende 'JHW-Gruppe'“ gesehen, die eine Rolle im Auszug aus Ägypten und in den Ursprüngen Israels gespielt haben soll, und Yhw als „Name des Stammesgottes dieser (midianitischen) Schasu-Gruppe“ betrachtet.[13]

Siehe auch

Literatur

  • Kurt Galling: Textbuch zur Geschichte Israels (TGI). Mohr, Tübingen 1979. ISBN 978-3-16-142361-1
  • Herbert Donner: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen. Grundrisse zum Alten Testament. Bd 4/1, 4/2. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. ISBN 3-525-51664-9
  • Manfred Görg: Schasu. in: M. Görg, B. Lang (Hrsg.): Neues Bibel-Lexikon. Bd 3. Benziger, Zürich 2001, Kol 464. ISBN 3-545-23076-7
  • L. Koehler, W. Baumgartner: Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament (HAL). 3. Auflage. Brill, Leiden 2004. ISBN 90-04-14037-9
  • James K. Hoffmeier: Ancient Israel in Sinai. The Evidence for the Autenticity of the Wilderness Tradition. Oxford University Press, New York 2005. ISBN 0-19-515546-7
  • Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-020695-3

Einzelnachweise

  1. a b Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch : (2800 - 950 v. Chr.). von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-1771-9, S. 870.
  2. a b c d e M. Görg, Schasu.
  3. a b c d J. K. Hoffmeier: Ancient Israel in Sinai, S. 240–243.
  4. HAL, S. 1485.
  5. Das Verb kommt in der Hebräischen Bibel 18 Mal vor: Ri 2,14.16 EU; 1_Sam 14,48 EU, 13,1 EU, 17,53 EU, 23,1 EU; 2_Kön 17,20 EU; Jes 10,13 EU, 17,14 EU, 42,22 EU; Jer 30,16 EU, 50,11 EU; Hos 13,15 EU; Sach 14,2 EU; Ps 44,11 EU, 89,41 EU. 6 Mal kommt das Substantiv vor: 2_Kön 21,14 EU; Jes 42,22.24 EU; Jer 30,16 EU; Hab 2,7 EU und Zef 1,13 EU. Mit Ausnahme von 1. Sam 17,53 und Jes 10,13 ist immer Israel das Opfer der „Plünderung“.
  6. Kurt Galling: TGI, S. 28–35.
  7. Papyrus Anastasi VI, 51–61, British Museum, TGI, S. 40.
  8. Vgl.: W. Helck, in: Vetus Testamentum, 18, 1968, S. 265–280, 427–433 (zit. in H. Donner, Geschichte des Volkes Israel, 1, S. 99).
  9. Vgl. hierzu die Ausführungen von M. Görg in: Biblische Notizen 1, 1976, S. 7–14 und in: Punon – ein weiterer Distrikt der Schasu-Beduinen? in: Biblische Notizen 19, 1982, S. 15–21.
  10. a b Rainer Hannig, S. 1118.
  11. Soleb-Fragment.
  12. Amara-West, KRI II, S. 217, Nr. 96.
  13. Erich Zenger, Mose...: I. Altes Testament, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 23, S. 333.

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