Scharfrichterhaus (Stralsund)

Scharfrichterhaus (Stralsund)
Das Scharfrichterhaus in Stralsund, im Jahr 2008
Das Scharfrichterhaus in Stralsund, im Jahr 2006

Das Scharfrichterhaus in der Hansestadt Stralsund ist das einzige noch erhaltene Scharfrichterhaus im Ostseeraum. Es diente dem Scharfrichter der Stadt Stralsund als Wohnhaus und wird seit 1990 abschnittsweise saniert. Eine komplette bauhistorische Untersuchung hat bisher noch nicht stattgefunden, weshalb die nachfolgende Beschreibung teilweise lückenhaft ist.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Scharfrichterhaus in der Stralsunder Filterstraße Nr. 2b (Eckhaus) und 2a (Turmhaus) gehört zum Kerngebiet des im Jahr 2002 zum UNESCO-Welterbe erklärten Kulturgutes Historische Altstädte Stralsund und Wismar.

Geschichte

Drei Bauphasen werden heute angenommen: Um 1310 entstand eine Brandmauer, die sich heute zwischen beiden Gebäudeteilen befindet. Nach lübischem Baurecht musste eine solche Brandmauer bei Neubauten zwischen den Häusern von beiden Nachbarn gemeinsam errichtet werden. Die Jahresangabe basiert auf dem Vorkommen ähnlichen Steinmaterials in der Stadtwaage am Stralsunder Rathaus, die 1321 fertiggestellt wurde.

Wie die ersten dort errichteten Häuser aussahen ist unbekannt. Seit 1288 wird das bodelye genannte Wohnhaus des Scharfrichters (auch Fronerei genannt) in den Stralsunder Stadtbüchern erwähnt. 1307 wird dann auch der Standort genannt: Die arta platea apud domum preconis; dies war lange Zeit der Name der heutigen Papenstraße zwischen Filterstraße und Ossenreyerstraße.

In den Jahren 1465, 1560 und 1680 wurde die Fronerei nach Zerstörungen aufgrund von Bränden jeweils neu errichtet. Beim Neubau des Eckhauses 1680 wurde die Mauer zum großen Teil abgebrochen, allerdings hat sich am Turmhaus ein Abdruck der gesamten Mauer eingeprägt.

Das angrenzende Haus wird erstmals 1412 beschrieben, als die Stadt hier ein Gefängnis errichten ließ. In den drei Geschossen hatte das Steinhaus jeweils eine Außenwandstärke von einem Meter und besaß nur wenige Fenster; diese dienten mehr der Belüftung als der Aussicht. Die Räume waren unterschiedlich ausgestattet und dienten offenbar der jeweils standesgemäßen Verwahrung der Inhaftierten.

1841 starb der letzte Stralsunder Scharfrichter. 1848 wurde die hier noch betriebene Abdeckerei auf Wunsch der Anwohner verlegt. Das Haus wurde von Schlachtermeister Lau erworben und zu Wohnzwecken umgebaut. Weitere Besitzer nahmen diverse bauliche Veränderungen, wie den Einbau von Türen, vor.

1984 wurde das vom Verfall und Abriss bedrohte Haus Nr. 2a für 2.500 DDR-Mark von Günther Stange erworben, der mit der Sanierung begann.

Orte der Gerichtsbarkeit

Das Scharfrichterhaus selbst diente hauptsächlich der Verwahrung und Alimentierung der Inhaftierten sowie deren Folterung.

Bei den verhängten Strafen handelte es sich um Ehrenstrafen (z. B. Pranger), Leibesstrafen (z. B. Geißeln bzw. Auspeitschen, lat. fustigatio) und Lebensstrafen [gemeint ist die Todesstrafe], etwa durch Enthauptung, Rädern oder Hängen. Orte dieser Gerichtsbarkeit waren der Alte Markt, der Neue Markt (z. B. beim Papenbrand thom Sunde), der Galgenberg, Koeppenberg oder auch Garbodenhagen.

Die Stralsunder Scharfrichter bzw. Fronen

In den Stadtbüchern wird erstmals 1278 der noster prateo genannte Scharfrichter beziehungsweise Fron erwähnt. In chronologischer Reihenfolge waren dies namentlich:

  • 1278 Requins
  • 1296 Kruse
  • 1349 Bunke
  • 1410 Johannes Boye
  • 1445 Wolter Stoyfe
  • 1476 Albrecht
  • 1516 Matthias
  • 1527 Martin Tune
  • 1558 Peter
  • 1579 Jürgen Wegener
  • 1597 Bastian Bußbohm
  • 1607 Hans Gördelke
  • 1613 Carsten Rentzhusen
  • 1630 Hans Fürchteler
  • 16?? Kosten
  • 16?? Hans Küfler
  • 1635 Andreas Hermann (auch Harmes genannt)
  • 1644 Jürgen friedrich
  • 1661 Christian Schulze
  • 1668 Hans Friedrich
  • 1682 Christoph Fieritz
  • 1707 Albert Friedrich
  • 1719 Elias Witte
  • 1739 Christian Reuter
  • 1779 Johann Christoph Wittig
  • 1797 Christian Hermann Wentzel
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