Satz von Gauß-Bonnet

Satz von Gauß-Bonnet

Der Satz von Gauß-Bonnet (nach Carl Friedrich Gauß und Pierre Ossian Bonnet) ist eine wichtige Aussage über Flächen, die ihre Geometrie mit ihrer Topologie verbindet, indem eine Beziehung zwischen Krümmung und Euler-Charakteristik hergestellt wird. Dieser Satz wurde unabhängig von beiden Mathematikern gefunden. Man beachte, dass auch französische Geometer ihn mit dem Namen von Gauß und Bonnet bezeichnen.

Inhaltsverzeichnis

Aussage

Sei M eine kompakte und orientierbare zweidimensionale riemannsche Mannigfaltigkeit mit Rand \partial M. Bezeichne mit K die Gaußkrümmung in den Punkten von M und mit kg die geodätische Krümmung der Randkurve \partial M. Dann gilt

\int_M K\;dA+\int_{\partial M}k_g\;ds=2\pi\chi(M) ,

wobei χ(M) die Euler-Charakteristik von M ist. Der Satz kann im Besonderen auf Mannigfaltigkeiten ohne Rand angewendet werden. Dann fällt der Term \textstyle \int_{\partial M}k_g\;ds weg.

Falls M eine Fläche ist, kann der Satz auch für stückweise differenzierbare Randkurven formuliert werden. In diesem Fall ergibt sich auf der linken Seite ein Zusatzterm:

\int_M K\;dA+\int_{\partial M}k_g\;ds+\Sigma \text{AW}(\partial M)=2\pi\chi(M).

Die Außenwinkel AW sind definiert als die Winkel zwischen dem rechts- und linksseitigen Limes der Tangentialvektoren an den Knickstellen von  \partial M . Die Randkurve muss so orientiert sein, dass  N \times c' zur Fläche zeigt. Dabei ist N der Normalenvektor der Fläche und c' der Tangentialvektor an die Randkurve.

Man kann den Satz von Gauß-Bonnet auch auf simpliziale Flächen verallgemeinern, wobei man den Winkeldefekt einer Ecke als diskrete Gaußkrümmung definiert.

Erklärung des Satzes

Verzerrt man die Mannigfaltigkeit, so bleibt ihre Euler-Charakteristik unverändert, im Gegensatz zur Gaußkrümmung an den einzelnen Punkten. Der Satz sagt aus, dass das Integral über die Krümmung, also die Gesamtkrümmung, unverändert bleibt.

Beispiele

Die runde Sphäre M = S2 mit Radius 1 hat in jedem Punkt die Gauß-Krümmung 1. Das Integral über die Gauß-Krümmung entspricht also ihrer Fläche, . Andererseits ist die Euler-Charakteristik 2, da man die Sphäre als Verklebung von zwei (runden) Flächen entlang einer Kante mit einer Ecke bekommt (also 2-1+1=2).

Theorema elegantissimum

Diese von Gauß stammende Folgerung besagt, dass die Gesamtkrümmung \textstyle \int_{\Delta}K\;dA eines einfach zusammenhängenden geodätischen Dreiecks gleich dessen Winkelexzess ist. Für den Spezialfall der 2-Sphäre sieht man über die Außenwinkelsumme eines infinitesimalen (also flachen) Dreiecks von die Äquivalenz zum Satz von Gauß-Bonnet. Die Äquivalenz gilt allerdings – im zweidimensionalen Fall – auch allgemein, was mithilfe einer Triangulierung eingesehen werden kann, denn für diese gilt:

2\pi\chi=2\pi(E-K+F)=2\pi(E-\frac 32F+F)=2\pi E-\pi F=\sum\varepsilon.

Satz von Gauß-Bonnet-Chern

Der Satz lässt sich auf n Dimensionen verallgemeinern, was durch André Weil und Carl B. Allendoerfer 1943 und mit neuen Beweisen durch Chern 1944 geschah.

Sei M eine kompakte orientierte riemannsche Mannigfaltigkeit mit gerader Dimension und sei R der riemannsche Krümmungstensor. Da für diesen R(X,Y) = − R(Y,X) gilt, kann dieser als vektorwertige Differentialform aus dem Raum \mathcal{A}^2(M, \mathfrak{so}(TM)) verstanden werden.[1] Unter diesen Voraussetzungen gilt dann

\chi (M) = \frac{1}{\sqrt{(2 \pi)^n}} \int_M \operatorname{Pf}(-R),

wobei \operatorname{Pf} die pfaffsche Determinante ist. Mit dem Wissen, dass für den Fredholm-Index von d + d * die Gleichheit \chi(M) = \operatorname{ind}(\mathrm{d} + \mathrm{d}^*) gilt, wobei d die äußere Ableitung ist, folgt, dass dieser Satz als Spezialfall des Atiyah-Singer-Indexsatzes verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang bietet der Satz von Gauß-Bonnet-Chern also eine Möglichkeit zur Berechnung des topologischen Index des Operators d + d * .[2]

Literatur

  • Manfredo Perdigão do Carmo: Differential Geometry of Curves and Surfaces, Prentice-Hall, Inc., New Jersey, 1976, ISBN 0-13-212589-7
  • John M. Lee: Riemannian Manifolds. An Introduction to Curvature. Springer, New York 1997, ISBN 0387983228.

Einzelnachweise

  1. Nicole Berline, Ezra Getzler, Michèle Vergne: Heat kernels and Dirac operators. Springer 1992, (Grundlehren der mathematischen Wissenschaften), Seite 33
  2. Nicole Berline, Ezra Getzler, Michèle Vergne: Heat kernels and Dirac operators. Springer 1992, (Grundlehren der mathematischen Wissenschaften), Seiten 149-150

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