Sanctum Praeputium

Sanctum Praeputium
Guido Reni: Beschneidung Jesu

Die heilige Vorhaut Jesu (lateinisch: „sanctum praeputium“) war eine angebliche Reliquie der Römisch-Katholischen Kirche der Vorhaut von Jesus von Nazaret. Da ein zentraler Inhalt des christlichen Glaubens die Himmelfahrt Jesu Christi ist, blieben von seinem Körper nur die Bestandteile übrig, die er zu dem Zeitpunkt nicht mehr hatte (siehe Christusreliquien). Ausgehend von dem Gedanken, dass die Beschneidung Jesu im Tempel (Brit Mila) durchgeführt wurde, beanspruchten eine Anzahl von europäischen Kirchen im Mittelalter, im Besitz dieser Reliquie zu sein, der angeblich wunderbare Heilkräfte zugeschrieben wurden.

Inhaltsverzeichnis

Beschneidung

Friedrich Herlin: Beschneidung Jesu

Seit dem Frühmittelalter wurde zum Gedenken an die Beschneidung Jesu acht Tage nach seiner Geburt, von der im Lukasevangelium 2,21 berichtet wird („Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war."), am 1. Januar das Fest der Beschneidung des Herrn (Circumcisio Domini) gefeiert. Der Festtag wurde jedoch im Zuge der Liturgiereform durch das Hochfest der Gottesmutter Maria ersetzt.

Orte

Orte, die im Mittelalter beanspruchten, im Besitz der Vorhaut Jesu zu sein:

Geschichte

Kirche Santissimo Nome di Gesù (Heiligster Name Jesu) in Calcata

Die Reliquie der heiligen Vorhaut soll Papst Leo III. von Karl dem Großen anlässlich seiner Kaiserkrönung am 25. Dezember 800 in Rom geschenkt worden sein. Karl wiederum soll sie von einem Engel oder von der Kaiserin Irene von Byzanz bekommen haben. Die heilige Vorhaut wurde zusammen mit anderen Reliquien in der Kapelle Sancta Sanctorum im Lateran aufbewahrt.

Der Legende nach soll die Reliquie beim Sacco di Roma 1527 von einem beteiligten deutschen Söldner gestohlen worden sein, der wiederum auf dem Rückzug nördlich von Rom von Graf Anguillara festgenommen und in der Burg von Calcata festgesetzt wurde. Der Soldat soll das Reliquar in seiner Zelle versteckt haben, wo es erst 30 Jahre später wiedergefunden und seither in der Pfarrkirche des Ortes aufbewahrt wurde. 1584 gewährte Papst Sixtus V. einen Ablass für das Pilgern nach Calcata. Die heilige Vorhaut wurde regelmäßig bis 1983 bei Prozessionen öffentlich gezeigt. 1983 verschwand sie jedoch unter ungeklärten Umständen. Der Versuch des britischen Fernsehjournalisten Miles Kington im Jahr 1997, die heilige Vorhaut zu finden, endete erfolglos.

Auch die Abteikirche in Charroux führte den Besitz der Reliquie auf Karl den Großen zurück. Papst Innozenz III. weigerte sich jedoch, deren Authentizität anzuerkennen.

Eine Reliquie der heiligen Vorhaut tauchte im Jahr 1112 in Antwerpen auf. Nach einem feierlichen Einzug in die Frauenkirche sah der Bischof von Cambrai drei Blutstropfen von ihr fallen. Diese Reliquie blieb, bis sie beim Bildersturm von 1566 verschwand, in Antwerpen, wo man eigenes eine Kapelle errichtete.

Katharina von Valois bat im Jahr 1421 ihren Mann, König Heinrich V. von England, ihr diese Reliquie zu verschaffen, da deren süßer Duft eine gute Geburt garantieren würde. Die Reliquie wurde in der Abteikirche von Coulombs niedergelegt und verschwand dort in der Französischen Revolution.

Bedeutung

Nach Darstellung von G. W. Foote & J. M. Wheeler, Crimes of Christianity (1887), soll der griechische Gelehrte und Kurator der Vatikanischen Bibliothek, Leo Allatius († 1661), in einer Schrift „De Praeputio Domini Nostri Jesu Christi Diatriba“ („Vortrag über die Vorhaut unseres Herrn Jesus Christus“) spekuliert haben, dass die Heilige Vorhaut mit Jesus zum Himmel empor stieg und sich in die Saturnringe verwandelte.[1] Diese Ringe waren erst im Jahre 1610 mittels eines der ersten Teleskope entdeckt worden.

Der Tag der Beschneidung (circumcision), also der 1. Januar, gab den Anlass für einen der sieben möglichen Jahresanfänge nach der christlichen Zeitrechnung (Circumcisionsstil).

Quellen

  1. http://web.archive.org/web/20050422125558/homepages.ihug.co.nz/~freethought/foote/crimes/c5.htm#94:8

Literatur

  • Otto Clemen: Eine seltsame Christusreliquie. In: Archiv für Kulturgeschichte 7 (1909), S. 137–144, wieder in: Otto Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte (1897–1944), hrsg. von Ernst Koch, Böhlau, Köln, S. 193ff.
  • Alphons Victor Müller: Die hochheilige Vorhaut Christi im Kult und in der Theologie der Papstkirche. Schwetschke, Berlin 1907
  • Marc Shell: The Holy Foreskin; or, Money, Relics, and Judeo-Christianity. In: Jonathan Boyarin / Daniel Boyarin (Hrsg.): Jews and Other Differences: The New Jewish Cultural Studies, University of Minnesota Press, Minneapolis 1997, wieder in Marc Shell, Art & Money, University of Chicago Press, Chicago 1995, S. 30ff.

Weblinks


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