Samuel Pufendorf

Samuel Pufendorf
Samuel von Pufendorf, Kupferstich von Joachim von Sandrart

Samuel Freiherr von Pufendorf (* 8. Januar 1632 in Dorfchemnitz, Kursachsen; † 26. Oktober 1694 in Berlin) war ein deutscher Naturrechtsphilosoph, Historiker sowie Natur- und Völkerrechtslehrer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Pufendorf wurde als fünftes von acht Kindern des lutherischen Pfarrers Esaias Elias Pufendörfer und dessen Ehefrau Margarete, Tochter des Dippoldiswalder Tuchscherers Thomas Hickmann, in Dorfchemnitz (bei Stollberg/Erzg.) geboren. Seine Brüder waren Jeremias Pufendorf und Esaias von Pufendorf.

Seine Kinderjahre verbrachte Pufendorf in Flöha, hier hatte sein Vater seit 1634 die Pfarrersstelle inne. Mit der finanziellen Unterstützung eines Freundes der Familie besuchte er, wie zuvor seine beiden älteren Brüder, ab 1645 die Fürstenschule Grimma. Ausbildungsschwerpunkte waren Grammatik, Logik, Rhetorik und Religion. Pufendorf widmete sich darüber hinaus dem Studium der griechischen und römischen Antike. 1650 schloss er die Schule als Primus des Jahres ab.

Im selben Jahr nahm er auf Wunsch seines inzwischen verstorbenen Vaters an der Universität Leipzig ein Studium der Theologie auf. Nach kurzer Zeit wechselte er jedoch zur Rechtswissenschaft. Den Ausschlag dafür gab das starre Festhalten der Theologieprofessoren an den verbindlich fixierten Lehrmeinungen der Konkordienformel. Im Gegensatz dazu war Pufendorf eher den kritisch-konstruktiven Lehren von René Descartes und Galileo Galilei zugetan. Ergänzend nahm er das Studium der Naturphilosophie, Finanz-, Wirtschafts- und Verwaltungslehre (Kameralistik) sowie der Geschichte und Staatswissenschaft auf. 1656 ging Pufendorf an die Universität Jena, wo er hauptsächlich durch Erhard Weigel beeinflusst wurde. In Jena widmete er sich u.a. den Werken von René Descartes, Hugo Grotius und Thomas Hobbes, die sein späteres Wirken beeinflussen sollten. 1658 beendete Pufendorf das Studium mit dem Titel des Magisters.

Durch Vermittlung seines Bruders Esias bekam Pufendorf eine Stelle als Hauslehrer beim schwedischen Gesandten Peter Julius Coyet in Kopenhagen. Er verließ Sachsen, das er nie wieder betrat. Bald nach der Ankunft in Kopenhagen geriet er im schwedisch-dänischen Krieg in achtmonatige Gefangenschaft. 1660 folgte er dem schwedischen Gesandten nach Den Haag, wo er seine Schrift Grundlagen einer allgemeinen Rechtslehre veröffentlichte, einem Beitrag zur damals schwelenden naturrechtstheoretischen Diskussion. Pufendorf ging von einem rein weltlichen Rechtsgedanken aus und verstand das Naturrecht als Erfahrungswissenschaft. In den Niederlanden machte er die Bekanntschaft mit Baruch Spinoza.

Unterschrift Pufendorfs

1661 berief ihn der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig nach Heidelberg, wo er in seiner ersten Professur am für ihn neue eingerichteten Lehrstuhl Natur- und Völkerrecht lehrte. Dort erregte er mit seiner scharfen Kritik an der Reichsverfassung den Unwillen seiner Kollegen und ging deshalb 1668 nach Lund in Schweden. 1672 erschien sein lateinisch verfasstes Hauptwerk De jure naturae et gentium libri octo, das 1711 in deutscher Übersetzung unter dem Titel Acht Bücher von Natur und Völkerrecht veröffentlicht wurde. 1677 wechselte Pufendorf nach Stockholm. Der schwedische König ernannte ihn zum Hofhistoriographen, zum Geheimen Rat und Staatssekretär. Der Lutheraner Pufendorf sprach sich für religiöse Toleranz sowie für die wissenschaftliche Trennung von Theologie und Philosophie aus, was ihm zunehmende Anfeindungen einbrachte. Deshalb wechselte er 1688 nach Berlin an den brandenburgischen Hof, ebenfalls als Hofhistoriograph und Geheimer Rat. 1694 wurde er von Karl XI. von Schweden in den Freiherrenstand erhoben.

Im Alter von 62 Jahren starb Samuel von Pufendorf am 26. Oktober 1694 in Berlin. Er wurde nahe dem Altar der Nikolaikirche beigesetzt.

Ein Großneffe von Samuel von Pufendorf ist Friedrich Esaias Pufendorf.

Wirken

Aus einem Brief von Samuel Pufendorf aus Stockholm an einen Jean Christofle in Stralsund, 15. Dezember 1686[1]

Mit seiner Rechtsauffassung eines säkularen Naturrechts und der Befürwortung eines einheitlichen Völkerrechts nahm Pufendorf maßgeblichen Einfluss auf die deutsche aber auch europäische Rechts- und Staatsphilosophie im 18. und 19. Jahrhundert und wurde zu einem der Wegbereiter der Aufklärung. Darüber hinaus leistete er eine naturrechtliche Systematisierung der frühneuzeitlichen Rechtsverhältnisse. Pufendorf leitete die Staatenbildung aus der natürlichen Geselligkeit und der Bedürftigkeit des Menschen ab, den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zu erkennen. Damit setzte er sich in Widerspruch zur bisherigen Staatstheorie, die das Recht auf göttliche Gesetze zurückführte. Darüber hinaus führte Pufendorf den Begriff der Würde (dignatio) des Menschen ein, ein Grundrecht, welches später in zahlreichen Verfassungen eine zentrale Bedeutung erlangen sollte.

Zu großer und schon zeitgenössicher Bekanntheit brachte es außerdem seine Charakterisierung der Verfassung des Heiligen Römischen Reichs als einem „irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper“ (irregulare aliquod corpus et monstro simile)[2]. Dieses Urteil, zu welchem er in einer großen Studie über den Zustand des Reiches kommt (De statu imperii Germanici von 1667) machte ihn rasch zum bedeutendsten aber auch umstrittensten Denker der Reichspublizistik, obgleich er seine Reichsverfassungsschrift zu Lebzeiten nur unter Pseudonym (Severinus de Monzambano) veröffentlicht hatte. Zur Einschätzung der Reichsverfassung als „irregulär“ und „monströs“ gelangte er auf Grund der Erkenntnis, dass das Reich weder einer der aristotelischen Staatsformen zuzuordnen ist noch den Begrifflichkeiten der Souveränitätsthese gerecht wird. Obwohl sein Urteil infolgedessen gar nicht wertend verstanden werden muss, lieferte es bis in das 20. Jahrhundert hinein eine Grundlage dafür, das Alte Reich etwa als „Unstaat“ und als Hemmschu der deutschen Nation anzusehen (insbesondere Heinrich von Treitschke vertrat diese Ansicht).[3]

Im Eherecht wurde er über die in „De iure naturae et gentium libri octo“ (Buch 6, Kapitel 1, §§ 9-13) ausformulierte und mit zahlreichen Beispielen belegte Theorie von der Ehe als Vertrag zwischen zwei, bis zum Vertragsschluss mit gleichen Rechten ausgestatteten, Individuen zu einem Wegbereiter der Gleichberechtigung. Viele spätere Naturrechtler wie Christian Thomasius, Christian Wolff und Martini, bauen mehr oder weniger deutlich auf den Gedanken Pufendorfs zum ehelichen Verhältnis der Geschlechter auf.

Werke (Auswahl)

  • De iure naturae et gentium libri octo (1672), deutsch: Acht Bücher von Natur und Völkerrecht. Frankfurt am Main 1711 (Nachdruck: Olms, Hildesheim 2001)
  • De officio hominis et civis prout ipsi praescribuntur lege naturali, 1673 (Nachdruck: Hein, Buffalo NY 1995)
  • De statu imperii germanici ad Laelium fratrem, dominum Trezolani, liber unus, Genf (Den Haag) 1667 (veröffentlicht unter dem Pseudonym „Severini de Monzambano Veronensis“)
  • Elementorum Iurisprudentiae Universalis Libri Duo, Jena 1660 (Nachdruck: Hein, Buffalo NY 1995)
  • Einleitung zu der Historie der vornehmsten Reiche und Staaten, so itziger Zeit in Europa sich befinden, Frankfurt am Main 1684 (Digitalisat der Ausgabe 1695)
  • Commentariorum De Rebus Suecicis ab Expeditione Gustavi Adolphi in Germaniam ad Abdicationem usque Christinae, 1686
  • Über die Natur und Eigenschaft der christlichen Religion und Kirche in Ansehung des bürgerlichen Lebens und Staats, 1687
  • De Rebus Gestis Friderici Wilhelmi Magni Electoris Brandenburgici Commentariorum Libri Novendecim, postum 1695
  • Sieben Bücher von denen Thaten Carl Gustavs Königs in Schweden: Mit vortrefflichen Kupffern ausgezieret und mit nöthigen Registern versehen..., Riegel, Nürnberg, postum 1697

Weitere Informationen

Literatur

  • Harry BresslauPufendorf, Samuel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 701–708.
  • Craig L. Carr: Political Writings of Samuel Pufendorf. Oxford University Press, Oxford 1994, ISBN 0-19-506560-3
  • Horst Denzer: Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf. C. H. Beck, München 1972
  • Julia Haas: Die Reichstheorie in Pufendorfs "Severinus de Monzambo". Monstrositätsthese und Reichsdebatte im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute. Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-12315-5
  • Leonard Krieger: The Politics of Discretion. Pufendorf and the Acceptance of Natural Law. Chicago University Press, Chicago u. a. 1965
  • Johann Georg Meusel: Leben des Freyherrn Samuel von Pufendorf, in: Historisch-litterarisch-bibliographisches Magazin, 1. Stück, 1788, S. 27–37 (Digitalisat)
  • Horst Rabe: Naturrecht und Kirche bei Samuel von Pufendorf. Fabian, Tübingen 1958
  • Thorsten Ingo Schmidt: Samuel von Pufendorf – Wegbereiter des Gleichheitssatzes? – Zwischen Menschenwürde und Staatsklugheit. In: Zeitschrift für Rechtsphilosophie, ISSN 1618-4726, Jg. 2005, S. 111–115
  • Hans Welzel: Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs. Dissertation, Universität Jena 1930 (Nachdrucke: De Gryuter, Berlin 1958, 1986, ISBN 3-11-003096-9)

Einzelnachweise

  1. Ediert von Johann Claußen im Schulprogramm des Christianeums zu Altona, 1906
  2. Samuel von Pufendorf: Die Verfassung des deutschen Reiches. Herausgegeben und übersetzt von Horst Denzer. (= Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, hrgg. von Hans Maier und Michael Stolleis, Bd. 4) Leipzig, 1994. c. VI, § 9 (S. 198f.).
  3. Vgl. Julia Haas: Die Reichstheorie in Pufendorfs „Severinus de Monzambo“. Monstrositätsthese und Reichsdebatte im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute. Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 108ff.

Weblinks


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