SSJ 100

SSJ 100
Suchoi Superjet 100
Prototyp des Suchoi Superjet 100
Typ: Zweistrahliges Regionalverkehrsflugzeug
Entwurfsland:
Hersteller:
Erstflug: 19. Mai 2008
Indienststellung: In der Flugerprobung
Produktionszeit: vsl. ab 2010 in Produktion
Stückzahl: 2

Der Suchoi Superjet 100 (SSJ 100) ist ein zweistrahliges Regionalverkehrsflugzeug des russischen Flugzeugherstellers Suchoi. Ursprünglich wurde der SSJ als Russian Regional Jet, kurz RRJ, vorgestellt. Das als Tiefdecker ausgelegte Flugzeug dient als Ersatz für die in Russland noch zahlreich fliegenden Tupolew Tu-134 und Jakowlew Jak-42. Das Vorhaben wird von dem Unternehmen Suchoi zusammen mit zahlreichen westlichen Partnern, unter anderem der italienischen Alenia und Boeing, die viele Erfahrungen auf dem Verkehrsflugzeugsektor besitzen, betrieben. Von der Auslegung her ähnelt der SSJ den Embraer E-Jets, der Bombardier CSeries sowie der gescheiterten Dornier 728.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In den 1990er-Jahren führte Suchoi Marktstudien durch, die den Hersteller dazu veranlassten, erstmals die Entwicklung und Produktion eines größeren Zivilflugzeugs in Erwägung zu ziehen. Bis dahin hatte Suchoi vornehmlich Militärflugzeuge und Kunstflug-Maschinen wie die Su-26 hergestellt. Die Studien zeigten einen Bedarf für ein Flugzeug mit einer Kapazität von unter 100 Plätzen bei einer Reichweite bis zu 4.500 km. Diese Marktanalyse sagte im russischen Binnenmarkt eine Stückzahl von ungefähr 250 sowie international 550 solcher Regionalverkehrsflugzeuge voraus. Frühzeitig entschied man sich, einen wesentlich breiteren Rumpf als sonst in dieser Flugzeugklasse üblich zu entwerfen – die Rumpfbreite sollte über der der häufig als zu eng empfundenen Regionaljet-Modelle Bombardier Canadair Regional Jet und Embraer E-Jets liegen, jedoch unter der Breite der für Regionalmaschinen strukturell zu breiten und zu schweren Standardrumpfflugzeuge.

Die Studien liefen zunächst unter der Bezeichnung RRJ, RRJ steht dabei für Russian Regional Jet (russisch Российский Региональный Самолёт für Flugzeug für den russischen Regionalverkehr) und sahen eine Flugzeugfamilie aus drei Modellen vor. Diese wurden als RRJ-60, RRJ-75 und RRJ-95 bezeichnet, wobei die Zahl in der Typbezeichnung die geplante durchschnittliche Passagierkapazität angab. Man begann bereits zu diesem frühen Zeitpunkt mit internationalen Werbeaktivitäten für das Projekt, so wurde u.a. ein Cockpit und Kabinen-Mock-up auf dem Aerosalon 2005 in Le Bourget ausgestellt. Dies war damit das erste russische Flugzeug, das von Anfang an auch für den westlichen Markt konzipiert wurde, weswegen man ebenfalls am 13. April 2001 ein Bündnis mit dem US-amerikanischen Flugzeughersteller Boeing einging. Dies war Anfangs auf eine gemeinsame Machbarkeitsstudie beschränkt, wurde jedoch im März 2003 vertraglich zu einer Zusammenarbeit bei Verkauf, Marketing und Service ausgebaut. Boeing, selbst nicht im Regionalflugzeugbau tätig, wurde dabei vornehmlich als beratendes Unternehmen verpflichtet. Diese Stellung soll Boeing laut Suchoi auch mindestens bis zum Ende der Flugerprobung innehaben. Dies ist für ein russisches Flugzeug ein bisher einmaliger Vorgang.

Die Entwicklungskosten werden von Suchoi mit einer Milliarde US-Dollar veranschlagt, die von Suchoi selbst, aber auch durch staatliche Subventionen, Banken und externe Risikopartnern getragen werden. 25% Anteil an Sukhoi Civil Aircraft (SCAC), der für das Programm zuständigen Suchoi-Tochter, hat dabei das italienische Unternehmen Alenia, das u.a. Teile für die neue Boeing 787 entwickelt und fertigt und am ATR-Konsortium hälftig beteiligt ist. Die Auswahl der westlichen Partner bei der Entwicklung erfolgte im Oktober 2003. Im April 2003 setzt sich das SaM146 Triebwerk gegen das geplante PW800 von Pratt&Whitney durch. Am 19. Juli 2004 wird mit Siberian Airlines ein Erstkunde für 50 Maschinen gefunden, der jedoch später den Auftrag storniert. Als neuer Erstkunde wird am 23. Mai 2006 Aeroflot mit einem Auftrag über 30 Maschinen gewonnen. Inzwischen wurde am 28. Oktober 2004 der offizielle Programmstart von SCAC und Boeing bekanntgegeben. Die Teilefertigung beginnt im Februar 2005.[1]

Modell des Suchoi Superjet 100

Auf der Farnborough International Airshow in Farnborough wurde das RRJ-Projekt am 17. Juli 2006 offiziell in „Suchoi SuperJet 100“ umbenannt[2]. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass die Entwicklung der ehemals als RRJ-60 bezeichneten Variante nicht weiter verfolgt würde, sondern man sich zunächst auf die größte Version, inzwischen „Superjet 100-95“ genannt, konzentriere. Der Listenpreis liegt bei etwa 28 Millionen US-$. Laut Suchoi soll die nächst kleinere Version Superjet 100-75 einige Zeit später folgen. Auch eine Streckung des SSJ 100 zum SSJ 100-110 sei möglich, allerdings ist man durch die Vereinbarung mit Boeing auf eine Kapazität von maximal 110 Passagieren in Ein-Klassen-Bestuhlung beschränkt, um nicht in Konkurrenz zu den kleinen Varianten der Boeing 737 des US-Herstellers zu kommen.

Die Endmontage des ersten Prototyps begann im März 2007. Die statischen Belastungstest begannen am 5. Juli 2007 in Schukowski. Der öffentliche Rollout fand am 26. September 2007 im sibirischen Komsomolsk statt.[3]Der Erstflug sollte bis zum Ende desselben Jahres erfolgen, doch wurden die Triebwerke erst im Februar 2008 eingebaut und der Erstflug auf Mai 2008 verschoben.[4][5]Die russische Zulassung ist für Ende 2009 vorgesehen, die europäische soll etwa sechs Monate später durch die EASA erfolgen. Probleme bereitete die Beantragung eines Typzertifikats für die USA, da die zuständige Flugsicherheitsbehörde FAA die Interessensbekundung einer US-Fluggesellschaft für den Typ einforderte. Die für Northwest Airlines tätige Pinnacle Airlines bekundete inzwischen ihr Interesse, womit Suchoi auch die US-Zulassung für den Superjet 100 beantragen konnte.[6]

Suchoi plant ab 2010 etwa 50 bis 60 Maschinen jährlich zu produzieren[7].

Am 19. Mai 2008 absolvierte der erste Superjet in Komsomolsk mit Cheftestpilot Alexander Jablonzew und Leonid Tschikunow am Steuer seinen Jungfernflug, wie von dem Unternehmen gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax mitgeteilt wurde. Der Flug dauerte eine Stunde und fünf Minuten, wobei der Jet nur auf eine maximale Flughöhe von 1.200 m stieg und mit einer Geschwindigkeit von nur 333 km/h sehr vorsichtig geflogen wurde. Der Erstflug des zweiten Prototyps, der über zahlreiche Software-Modifikationen verfügt, folgte am 24. Dezember 2008. Der ursprünglich für Ende 2008 geplante Auslieferungstermin der ersten Maschine an Aeroflot kann aber nicht mehr eingehalten werden. Die Serienproduktion beginnt damit wohl erst 2010.

Technik

Der Suchoi Superjet verwendet ein Fly-by-Wire-System zur Flugsteuerung und verfügt über das modernste Cockpit seiner Klasse mit Sidesticks und einem EFIS-System, das vom Rüstungsunternehmen Thales Group geliefert wird.

Struktur

Rumpf

Anders als bei den Konkurrenzflugzeugen Bombardier Canadair Regional Jet und Embraer E-Jets verwendet der Suchoi Superjet ähnlich der Dornier 728 einen breiteren Rumpf und bringt dort eine zwei+drei-Bestuhlung unter. Die Kabine wird große Staufächer beinhalten, die auch Rollkoffer aufnehmen können.

Fahrwerk

Goodrich unterstützt Suchoi bei der Entwicklung der Räder und der Bremssysteme des Fahrwerks; das Fahrwerk selbst wird maßgeblich von Messier-Dowty entwickelt. Das Fahrwerk verwendet Scheibenbremsen, die aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff gefertigt sind und ein sogenanntes „Brake-by-Wire“-System, durch das mechanische Elemente ersetzt werden. Die Radfelge wird aus Aluminium bestehen.

Westliche Beteiligung

Komponenten westliche Zulieferer
Fahrwerk Messier-Dowty Canada Frankreich Kanada
Fahrwerk/Räder, Bremsen Messier Dowty/Goodrich CorporationUSA
Haupttriebwerke PowerJet Frankreich Russland

(Joint Venture von Snecma und NPO Saturn)

Hydraulik/Leitungen etc. Parker Hannifin/Parker-Ermeto USA Deutschland
Klimaanlage/Lüftung Liebherr Aerospace (Toulouse) Deutschland Frankreich
Flugsteuerungssysteme Liebherr Aerospace (Lindenberg) Deutschland
Systemsoftware Thales GroupFrankreich
Cockpitsysteme,Hilfsgasturbine/Avionik Honeywell USA /Thales
Feuerlöschsystem Autronics
Elektr. System Hamilton Sundstrand
Vermarktung/Beratung Boeing USA
Kapitalbeteiligung Alenia AeronauticaItalien

Zielsetzung des Superjet 100 war es von Beginn an, ein auch westlichen Standards entsprechendes, effizientes und konkurrenzfähiges Flugzeug zu entwickeln, das als erster Typ russischer Herkunft auch nennenswerte Verkäufe außerhalb der ehemaligen Sowjetstaaten erreichen soll. Aus diesem Grund wurden am Superjet 100 auch erstmals im größeren Maße westliche Hersteller beteiligt; so unterstützt eben Boeing Suchoi bei der Vermarktung und Entwicklung und der französische Triebwerkshersteller Snecma entwickelt zusammen mit NPO-Saturn das Triebwerk. Die italienische Alenia erhält eine 25%ige Beteiligung an Suchoi Civil Aircraft (SCAC), der für das Projekt zuständigen Suchoi-Tochter. Alenia wurde unter anderem als Partner gewählt, da dieses Unternehmen durch seine Infrastruktur und die Erfahrungen im Rahmen des ATR-Konsortiums in der Lage ist, weltweit einen 24 Stunden Kundendienst anzubieten, wozu Suchoi allein nicht in der Lage wäre. Umgekehrt versprechen sich die westlichen Unternehmen durch den Superjet einen Zugang zum russischen Markt, dessen Bedarf an Neuflugzeugen als Ersatz für alternde Maschinen sowjetischer Bauart in den kommenden Jahren und Jahrzehnten als sehr hoch eingeschätzt wird.[8]

Varianten

Zunächst plante Suchoi die Entwicklung einer Regionaljet-Familie mit drei Mitgliedern, dem RRJ-75, dem verkürzten RRJ-60, sowie dem verlängerten RRJ-95. Die Zahlen der Typbezeichnungen bezogen sich jeweils auf die durchschnittliche Passagierkapazität. Mit der Umbenennung in „Superjet 100“ gab Suchoi bekannt, dass man das RRJ-60-Konzept nicht weiter verfolgen und sich zunächst auf den Superjet 100-95 (ehemals RRJ-95) konzentrieren würde. Eine kürzere Variante für etwa 75 Passagiere (SSJ 100-75) solle einige Zeit später folgen, auch eine verlängerte Variante mit Platz für bis zu 110 Passagiere (SSJ 100-110) sei vorstellbar.

Bestellungen

Allgemein

Am 7. Dezember 2005 gab die russische Fluggesellschaft Aeroflot die Bestellung von 30 Maschinen des Typs RRJ 95 bekannt. Die Maschinen sollen ab November 2008 ausgeliefert werden. Als Triebwerk sind PowerJet SaM146 bestellt worden. Am 20. Februar 2006 orderte der saudi-arabische Konzern „Al Suweikat Trading“ für die Neugründung einer Fluggesellschaft im Emirat Bahrain 20 Maschinen des Typs. Insgesamt liegen 134 feste Bestellungen vor. Bereits während der Entwicklung war man, um auch internationale Verkäufe zu sichern, in ständigem Kontakt mit den europäischen und den US-Behörden und bekam laufend Anregungen und Vorschläge von einem Beratungskommitee, zu dem u.a. Air France/KLM, Alitalia, Brussels Airlines, Czech Airlines, Iberia, Lufthansa, SAS und Turkish Airlines zählen[9]. S7 Airlines hat seine Bestellungen aus 2004 bis auf Weiteres zurückgestellt[10]. Der erste westliche Kunde war ItAli Airlines mit einem Auftrag über zehn Superjets.[11]

Tabellarische Auflistung

Käufer SSJ 100-75 SSJ 100-95 Optionen Gesamt (inklusive Optionen)
Financial Leasing Company - 10 - 10
Armavia - 2 2 4
Aeroflot - 30 20 50
AiRUnion - 15 - 15
Dalavia - 6 - 6
ItAli Airlines   10 10 20
Gesamt - 73 32 105

Stand: Januar 2009

Technische Daten

Kenngröße SSJ 100-60 1 SSJ 100-75 SSJ 100-75LR SSJ 100-95 SSJ 100-95LR SSJ 100-110 SSJ 100-125 2
Länge 23,87 m 26,37 m 29,87 m 32,8 m 35,3 m
Spannweite 27,80 m
Flügelfläche 77 m²
Flügelstreckung 7.40
Rumpfdurchmesser 3,19 m
Rumpfhöhe 2,12 m
Höhe 10,28 m
Spurweite 5,74 m
Kabinenbreite 3,24 m
Kabinenhöhe 2,13 m
Maximales Startgewicht 35.790 kg 38.820 kg 42.300 kg 42.520 kg 45.900 kg unbekannt
Maximales Landegewicht 31.620 kg 34.960 kg 39.385 kg unbekannt
Reisegeschwindigkeit Mach 0,8
Dienstgipfelhöhe 12.500 m
Passagiere 68 78 98 110 125
Besatzung 2
Reichweite mit max. Zuladung 3204 km 3200 km 4550 km 3120 km 4420 km unbekannt
Startstrecke 1515 m 1534 m 1903 m unbekannt
Antrieb 2 PW800 oder PowerJet SaM146

1 Projekt mittlerweile eingestellt
2 befindet sich in der Konzeptionsphase

Einzelnachweise

  1. FlugRevue August 2008, S.34-37, Start in den Erfolg ? - Der Suchoi Superjet in der Flugerprobung
  2. Russia's new RRJ aircraft family renamed Sukhoi SuperJet-100 RIA Novosti 17. Juli 2006
  3. Russland feiert den Superjet 100
  4. Flugrevue news
  5. Superjet first flight slips to May (abgerufen am 24. April 2008)
  6. Russian Revolution: The Sukhoi Superjet. (abgerufen am 8. Februar 2007)
  7. Suchoj: Bis 2010 mindestens 50 RRJ-Flugzeuge im Jahr RIA Novosti 12. Mai 2006.
  8. Winning the West: The Sukhoi Superjet Flight International 8. Februar 2007.
  9. Export driven: The Sukhoi Superjet Flight International 8. Februar 2007
  10. Sibir drops RRJ plan after specification change Flight International 2. Juli 2006
  11. Flugzeugbauer Suchoi verkauft zehn Superjet-100 nach Italien RIA Novosti 19. Juni 2007

Siehe auch

Weblinks


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