Rückung

Rückung

Unter einer Rückung versteht man in der Harmonielehre den plötzlichen, abrupten Wechsel des tonalen Zentrums. Die Rückung steht im Gegensatz zur Modulation, bei welcher der Tonartwechsel langsam und allmählich durch Umdeutung des Bezuges von Akkorden vollzogen wird. Klanglich fällt dabei immer auf, dass die Stimmen identisch verrückt wiederholt werden und Akkorde dabei nicht umgekehrt werden, oder die Stimmen sich in Gegenrichtung bewegen. In der Klassik ist dieses Mittel nicht in dieser Form üblich, da dabei oft die parallel geführten Quinten erscheinen, die dem klassischen Satzideal widersprechen.

Ein bekanntes Beispiel für die Rückung ist Mull of Kintyre. Das Lied beginnt in E-Dur und rückt nach dem zweiten Refrain eine Quarte hinauf nach A-Dur. Dabei wird die exakt gleiche Melodie wie zuvor, nur in der neuen Tonart A-Dur, gespielt. Nach einer Refrain-Strophe-Refrain-Folge in A-Dur wird wieder zur ursprünglichen Tonart E-Dur hinuntergerückt. Das kann jedoch auch als Modulation gedeutet werden: Der E-Dur-Tonikaklang wird zum Dominantklang der Tonalität A-Dur umgedeutet.

Ein anderes Beispiel der Rückung in der Popmusik ist To be with you von David Grahame und Eric Martin (Mr. Big). Der erste Refrain ("I'm the one who wants ...") steht in A-Dur. Nach der Bridge und der Wiederholung des Strophenendes "When it's through (...) let me be the one to show you" folgt der Refrain unvermittelt eine kleine Terz höher, also in C-Dur. Danach wird der Refrain ein weiteres Mal in der ursprünglichen Tonart A-Dur gespielt, in der das Lied auch endet.

Eine in der U-Musik sehr beliebte Anwendung ist die chromatische Rückung bei einer der letzten Wiederholungen des Refrains um das kleinstmögliche Intervall, einen Halbton, nach oben. Dieses musikalische Mittel wird Sequenzierung genannt; es dient dazu - wie auch bei den obigen Beispielen - eine psychologische "Steigerungswirkung" zu erzeugen. Ein Beispiel unter vielen ist Michael Jacksons Song History auf dem gleichnamigen Album. Der Übergang wird zuweilen durch die große Untermediante eingeleitet, die als Zwischendominante zur Zieltonart fungiert - in C-Dur z. B. As-Dur als Zwischendominante zu Des-Dur. Gut zu hören ist dieses Phänomen in Udo Jürgens’ Hit Ein Ehrenwertes Haus, in dem jede Strophe einen Halbton höher als die vorherige beginnt und dies jeweils durch die Untermediante der vorherigen Tonart angekündigt wird. Eines der bekanntesten Beispiele für diese Technik ist der Klassiker des Neuen Geistlichen Lieds Danke für diesen guten Morgen (1961), das seit der Ersteinspielung durch den Botho-Lucas-Chor regelmäßig mit einer Halbtonrückung beim Strophenwechsel aufgeführt wird.

Ein klassisches Beispiel für die chromatische Rückung im Jazz ist das Stück So What, in dem das Thema identisch von d-Moll einen Halbton höher gerückt in es-Moll gespielt wird.

Extrem häufig in der U-Musik und leicht herauszuhören ist die Rückung um einen Ganzton (man kann sie dann diatonisch nennen) nach oben. Auch sie wird oft zur Steigerung des letzten Refrains benutzt. Ein Beispiel ist John Lennons Woman.


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