Römische Elegien

Römische Elegien
Ignatiy Nivinskiy, 1933

Römische Elegien ist der Titel eines Zyklus von 24 Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe. Die Sammelhandschrift trug ursprünglich den Titel „Erotica Romana“.

Goethe verfasste sie nach seiner Rückkehr von der Italienischen Reise 1788 bis Ende 1790 und veröffentlichte 1795 zunächst zwanzig davon in Schillers Monatsschrift „Die Horen“. Johann Gottfried Herder sah sich aufgrund der erotischen Freizügigkeit der Gedichte zu der bissigen Bemerkung veranlasst, die „Horen“ müssten nun mit einem „u“ gedruckt werden. Vier Elegien (die II., die XVI. sowie die zwei „priapischen“ Elegien) hielt Goethe zurück (was Schiller bei der – ursprünglich – zweiten Elegie bedauerte), da sie besonders „rüstige“ Stellen enthielten. Dabei wurde die ursprünglich vierte Elegie an die zweite Stelle versetzt. Goethe überarbeitete die 20 verbliebenen in metrischer Hinsicht für die Ausgabe des Jahres 1800 mit Hilfe von August Wilhelm Schlegel. Die Elegien erschienen erstmals 1914 ungekürzt in der Weimarer Ausgabe von Goethes Werken (Band 53).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Das lyrische Ich beschreibt die Liebe zu einer Unbekannten („Faustina“), die ihm die Zeit zur Arbeit raubt und ihn die Nächte zum Tage machen lässt. Zunächst wird von der alltäglichen Arbeit des Autors in Rom berichtet, die ihn bildet und zugleich Freude bringt. In der ersten Elegie bleiben – vor der Begegnung mit der künftigen Geliebten – die Steine allerdings noch stumm, weil die Liebe fehlt. Bereits in der zweiten (konventionelle Zählung) Elegie jedoch heißt es „… die Liebste ... ergötzt sich an ihm, dem freien, rüstigen Fremden…“. In der fünften Elegie verschmelzen erotisches Abenteuer und Bildungsreise: „… indem ich … die Hand leite die Hüften hinab … Dann versteh ich den Marmor erst recht: ich … sehe mit fühlendem Aug, fühle mit sehender Hand.“ In weiteren Gedichten preist er die Göttin der Gelegenheit (VI. Elegie), er preist Rom, in dem er sich so wohl fühlt (VII.), preist sich selbst glücklicher als Alexander und Caesar (X.). Berühmt ist die Formulierung der fünften Elegie, in der er im Liebesnest dichtet und der Geliebten „…des Hexameters Maß leise mit fingernder Hand Ihr auf den Rücken“ zählt. Andere Elegien sind schlicht situationsbezogene Gelegenheitsgedichte, so etwa, wenn er eine Vogelscheuche mit dem misstrauischen Onkel Faustinas verwechselt – die dann doch den „losesten Vogel“ vertreibt, „der ihm Gärtchen und Nichte bestiehlt“ (XVI.).

Die durchnummerierten "Römischen Elegien" differieren stark in ihrer Länge. Sie sind wie ihre antiken Vorbilder in Distichen verfasst. So sendet er seine „geliebten Lieder“ auf die Reise in die Welt: „Dir, Hexameter, dir, Pentameter, sei es vertrauet, Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des Nachts mich beglückt.

Interpretation

Die Römischen Elegien markieren einen Wendepunkt in Goethes eigenem Leben: sie sind ein sehr persönliches Zeugnis der Emanzipation des Dichters von der Enge der heimatlichen Verhältnisse. Angeregt von den Liebeselegien der antiken Dichter Catull, Ovid, Properz und Tibull griff er deren Gestaltung und Thematik auf. Die Nähe zur Antike zeigt sich nicht allein in den Kunstwerken Roms, sondern ebenso im Nachempfinden der antiken Haltung zur Liebe: „Eine Welt zwar bist du, o Rom; doch ohne die Liebe wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom.

Goethe beschreibt seine eigene Situation und die Erfahrung, die er mit der Liebe gemacht hat. Was für seine nach Rom reisenden Zeitgenossen ein simples erotisches Abenteuer geblieben wäre, wurde bei ihm zur anspruchsvollen literarischen Anregung. So verarbeitete er sowohl sein eigenes kulturelles und erotisches Rom-Erlebnis als auch die junge Liebe zu Christiane Vulpius nach seiner Rückkehr in die Heimat. Gleichzeitig verschmolz er seine Erfahrung des freien römischen Lebensstils mit seiner Auffassung von augusteischer Antike. Streng in der Form, doch in der Thematik ungebunden bilden die Römischen Elegien das Gegenstück zum Paradebeispiel klassizistischer Dichtung, der „Iphigenie auf Tauris“, die er in Italien fertiggestellt hatte.

Literatur

  • Rainer Hillenbrand: Goethes Römische Elegien als fiktionales Kunstwerk. Frankfurt a.M. 2003. ISBN 3-631-51248-1
  • Dominik Jost: Deutsche Klassik. Goethes Römische Elegien. 2. Auflage. München u.a. 1987. ISBN 3-7940-2663-2

Weblinks


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