Russische Avantgarde

Russische Avantgarde

Mit dem Begriff Russische Avantgarde wird eine künstlerische Epoche in Russland bezeichnet, die zwischen etwa 1905 und 1920 stattfand.

Inhaltsverzeichnis

Wesen

Die russische Avantgarde war ein Prozess der Umwälzung und Erneuerung in allen Bereichen der Kunst Russlands. Einerseits orientierte sie sich an den neuesten französischen Kunstentwicklungen, während sie sich andererseits mit ihren engen Bezügen zur bildnerischen Volkstradition identifizierte. Alle Künstler dieser Epoche vereinte das Bestreben, eine Synthese zu schaffen aus volkstümlichen Elementen, modernen Strömungen und der zeitgemäßen Tendenz der Abstraktion gerecht zu werden. Mit letzterem wurde versucht, an die technischen Errungenschaften der damaligen Zeit anzuknüpfen. Zwischen westlichen Einflüssen und östlichen Traditionen entstand so eine Kunst von großer Souveränität. Begriffe wie Konstruktivismus und Revolutionskunst prägten diese Entwicklung.

Als erster Höhepunkt dieser Epoche wird die Ausstellung „Karo-Bube“ im Jahr 1911 definiert. Die Ausstellung kam durch die Künstler Aristarch Lentulow, Michail Larionow, Kasimir Malewitsch und Natalia Gontscharowa zustande. 1912 folgte die Ausstellung „Eselsschwanz“.

Von der bolschewistischen Kulturpolitik wurde diese Entwicklung anfangs gefördert. Der Suprematismus, den Malewitsch entwickelte, war für eine kurze Zeit nach der Oktoberrevolution von 1917 sogar eine Art Massenagitationsmittel. Malewitsch und El Lissitzky wurden auf Lehrstühle der Moskauer Kunsthochschule berufen. Die Russischen Avantgardisten verstanden die neue kommunistische Herrschaft dabei als Förderer und Wegbereiter avantgardistischer Kunst.

Nach Stalins Machtübernahme ließ sich der theoretische Ansatz der Avantgardisten mit den politischen Forderungen nach einer Funktionalen Kunst nicht vereinbaren. Malewitsch erhielt Ausstellungs- und Publikationsverbot. Die Komponisten konnten weiteren Verfolgungen durch das Sammeln von Volksmusik bei den Ethnien der Sowjetunion entgehen. Andere Künstler wanderten in den Westen ab. Es folgte eine zentral gesteuerte Agitationskunst, die auch als Sozialistischer Realismus bezeichnet wird.

Bildende Kunst

Neben vielen anderen Künstlern waren Chagall, Kandinsky, und Malewitsch die bekanntesten Vertreter. Während Kandinsky das Geistige in der abstrakten Kunst suchte und das in seinen Bildern zum Ausdruck bringen wollte, war Malewitsch mit seiner geometrischen Formensprache eher dem Suprematismus zugewandt. Beide einte das Bestreben, die Einheit der Welt im Zusammenklang von Seele und Kosmos zu bringen. Die Ideen von Theosophie und die von Rudolf Steiner beeinflussten vor allem das Schaffen Kandinskys.

Literatur

Der wichtigste literarische Vertreter war Andrej Belyj. Beeinflusst von Solowjow und Nietzsche zählt er zu den Begründern des Symbolismus in der russischen Literatur.

Musik und Film

Zur Russischen Avantgarde zählten auch die Filmproduzenten wie Dsiga Wertow. Ferner wurde die Avantgarde durch Vertreter einer neuen Musik wie Arseni Michailowitsch Awraamow, Michail Wassiljewitsch Matjuschin und Alexander Mossolow geprägt.

Bedeutende Sammlungen

Literatur

  • Hans-Peter Riese: Von der Avantgarde in den Untergrund. Texte zur russischen Kunst 1968–2006. Wienand Verlag, Köln 2009. ISBN 978-3-86832-017-6
  • G. F. Kovalenko,(Hrsg.): The Russian Avant-Garde of 1910–1920 and Issues of Expressionism. Nauka, Moskau 2003
  • Jewgeni Kowtun: Russische Avantgarde. Sirocco, London 2007
  • Uwe M. Schneede (Hrsg.), Chagall, Kandinsky, Malewitsch und die russische Avantgarde, Hatje, Ostfildern, 1998

Cds zur Musik

  • Baku: Symphony of Sirens,; Sound Experiments in the Russian Avantgarde 1910 - 1942; Original Documents and Reconstructions of 72 Key Works of Music, Poetry and Agitprop; Produzenten: Miguel Molina Alarcón, Leopoldo Amigo; ReR Megacorp, RAG 1 & 2 ISBN 978-0-9560184-0-3

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