Rudolf Sieghart

Rudolf Sieghart

Rudolf Sieghart (* 13. März 1866 in Troppau (Mähren); † 4. August 1934 in Luzern; bis zur Konversion im Jahr 1895 Rudolf Singer) war ein bedeutender aber umstrittener österreichischer Jurist, Ökonom und Banker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rudolf Sieghart kam praktisch mittellos 1883 aus seiner Heimatstadt Troppau nach Wien, um hier Rechtswissenschaften zu studieren. Er finanzierte sein Studium als Hauslehrer, danach als Mitarbeiter im politischen Büro der damals bedeutenden deutschliberalen Partei. Während seiner Amtszeit als Finanzminister berief deren führender Repräsentant, Ernst von Plener, Sieghart 1895 in das von ihm geleitete Ministerium. Hier befasste sich Sieghart unter anderem mit der Erstellung eines Kartellgesetzes. Siegharts Vorgesetzter Eugen von Böhm-Bawerk empfahl diesen in der Folge ans Pressebüro des Ministerratspräsidiums, wo Sieghart unter einer Reihe von Ministerpräsidenten tätig war. Für Ernest von Koerber arbeitet Sieghart eine Denkschrift über die Sprachenfrage in Böhmen aus. Während Koerbers Ministerpräsidentschaft fungierte Sieghart als Leiter der Präsidialkanzlei. Sieghart beriet Koerber unter anderem in Sachen der morganatischen Ehe des Thronfolgers Franz Ferdinand und Koerber machte ihn 1904 zum Sektionschef. Rudolf Sieghart, der somit schon in jungen Jahren eine phänomenale Beamtenkarriere gemacht hatte, behielt seine hervorragende Stellung zunächst noch unter Koerbers Nachfolgern. Der hoch intelligente Mann galt jedoch als "unbequeme Persönlichkeit" und machte sich mächtige Feinde. Zu diesen zählte unter anderen Franz Ferdinand, aber später auch Kaiser Karl I. Siegharts 1910 erfolgte Berufung zum Gouverneur der Bodencreditanstalt wurde von zeitgenössischen Beobachtern, etwa F.F.G Kleinwächter, bereits als eine Art Degradierung gewertet.

Rudolf Sieghart leitete (mit einer kurzen Unterbrechung 1916-19) von 1910 bis 1929 die Bodencreditanstalt, das damals angesehenste Bankinstitut der Donaumonarchie. Er geriet allerdings früh in massiven Gegensatz zum Haus Rothschild und wurde nach dem Zeugnis Alexander Spitzmüllers bereits von Albert von Rothschild 1910 als übertrieben ehrgeizig und risikofreudig eingestuft. Siegharts Expansionspolitik während der 1920er Jahre führte das in der Kaiserzeit hoch angesehene Hypothekarkreditinstitut in die Krise und letztlich im Oktober 1929 in den Zusammenbruch und die Zwangsfusion mit der Creditanstalt. Sieghart galt schon unter Körber als "graue Eminenz" mit starkem Einfluss auf die Presse. In der Ersten Republik war er durch den von ihm persönlich beherrschten Steyrermühlkonzern, zu dem unter anderem das auflagenstarke Neue Wiener Tagblatt gehörte und durch seine Politik der Unterstützung der Heimwehren und der Christlichsozialen Partei auch politisch umstritten. Während seiner letzten Lebensjahre lebte Sieghart hauptsächlich in Paris.

Werke

  • Die letzten Jahrzehnte einer Großmacht, Ullstein, Berlin 1932.

Literatur

  • Karl Ausch: Als die Banken fielen - zur Soziologie der politischen Korruption. Wien 1968
  • Peter Eigner/Peter Melichar: Das Ende der Boden-Credit-Anstalt 1929 und die Rolle Rudolf Siegharts. In: Bankrott. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 19. Jg. Heft 3/2008, S. 56-114
  • Friedrich F.G. Kleinwächter: Der fröhliche Präsidialist. Amalthea-Verlag, Wien 1955
  • Alexander Spitzmüller: „und hat auch Ursach' es zu lieben“ (Memoiren) 1955
  • E. Lebensaft – Ch. Mentschl – J. Mentschl: Sieghart Rudolf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 12, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, ISBN 3-7001-3580-7, S. 239.
  • Gerhard Strejcek: Politiker Bankier Karrierist, Wiener Zeitung 8. August 2003 (auch im Web vorhanden)

Weblinks


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