Rudolf Mildner

Rudolf Mildner

Rudolf Mildner (* 10. Juli 1902 in Johannesthal, Österreichisch Schlesien; † unbekannt) war ein österreichischer Jurist, SS-Standartenführer und Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt (RSHA).

Inhaltsverzeichnis

Kriegsfreiwilliger und akademische Ausbildung

Ab 1916 diente er in der österreichischen Armee als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende trat er in das Freikorps Sudetenland ein. Bei der Polizeidirektion Salzburg wurde er zum Polizisten ausgebildet. Seine Schulausbildung vertiefte er durch einen Besuch eines Abendgymnasiums. Im Jahre 1931 trat er in die NSDAP (Mitglieds-Nr. 614.080) ein.

In Innsbruck studierte er Rechts- und Staatswissenschaften. Die Promotion erlangte er zum Dr. jur. im Jahre 1934. Schon 1935 hatte er eine Position bei der politischen Polizei in München. Hier erwarb er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Das ermöglichte ihm, 1935 Mitglied der SS (Mitglieds-Nr. 275.741) zu werden.

Karriere in der Gestapo

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Österreich versetzte man ihn nach Linz, wo er die stellvertretende Leitung der Gestapo in Linz übernahm, um dann 1939 für vier Monate die Gestapo in Salzburg zu führen. Im Dezember 1939 wurde er Leiter der Staatspolizeistelle Chemnitz, wo er bis Anfang 1941 blieb.

Ab März 1941 wurde er zum Chef der Staatspolizeileitstelle Kattowitz ernannt. Mit dieser Position war auch die Führung des „Polizei- und Standgerichts“ der Gestapo beim KZ Auschwitz verbunden. Im Januar 1942 erfolgte ein Vorschlag zur Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse mit Schwertern, weil er sich, so die Beurteilung, bei der Bekämpfung von Staatsfeinden aller Art besonders ausgezeichnet habe.

Etwa ab Mitte 1942 übernahm Mildner auch die Ausführung der Standgerichtsbarkeit für Oberschlesien mit den Regierungsbezirken Kattowitz und Oppeln. Gemäß einer Verordnung über Standgerichte vom 1. Juni 1942 hatte der Gauleiter und Oberpräsident Fritz Bracht verfügt, dass insgesamt 21 Delikte mit dem Tode bestraft werden konnten, darunter auch Sachbeschädigung, Betrug, Diebstahl und Sittlichkeitsvergehen.

Beim Nürnberger Hauptprozess wird am 2. Januar 1946 als Teil der Anklage ein Schreiben des Generalstaatsanwalts in Kattowitz vom 3. Dezember 1941 an den Reichsminister der Justiz über Polizeiliche Exekutionen ohne Strafverfahren vorgelegt:

»Vor etwa 3 Wochen sind in Tarnowitz im Zusammenhang mit der Zerschlagung einer hochverräterischen Organisation von 350 Mitgliedern die 6 (zum Teil Volksdeutschen) Haupttäter von der Polizei erhängt worden, ohne daß die Justiz davon Kenntnis hatte. Solche Exekutionen sind bereits früher an kriminellen Tätern im Bezirk in Bielitz gleichfalls ohne Kenntnis der zuständigen Strafverfolgungsbehörde erfolgt. Am 2. Dezember 1941 hat der Leiter der Staatspolizeistelle Kattowitz, Oberregierungsrat Mildner, dem Unterzeichneten mündlich berichtet, daß er diese Exekutionen mit Ermächtigung des Reichsführers der SS als notwendige Sofortmaßnahme durch öffentliches Erhängen am Tatorte angeordnet habe, und daß die Maßnahmen zur Abschreckung auch künftig solange fortgesetzt werden müßten, bis die verbrecherischen und aktivistischen deutschfeindlichen Kräfte im eingegliederten Ostgebiet zerschlagen seien oder andere Sofortmaßnahmen, u. U. auch der Gerichte, gleiche abschreckende Wirkung gewährleisteten. So wurden auch heute in dem Gebiete in und um Sosnowitz 6 Haupträdelsführer einer anderen polnischen hochverräterischen Organisation zur Abschreckung öffentlich erhängt.«

Leiter des Standgerichts der SS im KZ Auschwitz

Der SS-Unterscharführer Pery Broad, der Angehöriger der Politischen Abteilung der Gestapo im KZ Auschwitz war, hat in einem Bericht das Auftreten, die Haltung und den Eindruck beschrieben, den Mildner auf die Menschen seiner Umgebung machte:

Dieser Mann war einer der blutrünstigsten Schlächter, die im Dritten Reich existierten. Er stellte schon rein äußerlich die Verkörperung eines Despoten dar. Auffallend war besonders sein wuchtiger, stiernackiger Schädel, aus dem ein paar eiskalte, grausame Augen prüfend betrachteten. Hinzu kam, dass sein Gesicht durch Säbelschläge bei Mensuren gezeichnet war.

Kopenhagen und Abteilungsleiter im RSHA

Am 19. September 1943 versetzte das RSHA Mildner nach Kopenhagen. Als Chef der Gestapo Kattowitz folgte ihm Johannes Thümmler nach. In Kopenhagen sollte er Maßnahmen gegen den Widerstand unternehmen, wobei auch eine Judenaktion (NS-Jargon) geplant war. Als diese gewarnt wurden und nach Schweden entkommen konnten, lastete Heinrich Himmler ihm das an. So musste Mildner Anfang Januar 1944 schon wieder seinen Posten räumen, den nun SS-Standartenführer Otto Bovensiepen übernahm.

Von März bis Juni 1944 übernahm er als Leiter die Abteilung IV A 5 im RSHA für Sonderaufgaben. Nach Wien kam Mildner im Dezember 1944, wo er zum Chef der Sicherheitspolizei und des SD der Kommandeurdienststelle (vorher Staatspolizeileitstelle) im vormaligen Hotel Metropol am Morzinplatz ernannt wurde. In Wien war er am 8. April 1945 auch führend an der öffentlichen Exekution der österreichischen Widerstandskämpfer Major Karl Biedermann, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke in Floridsdorf beteiligt.

Mitte April 1945, als die Wiener Dienststelle verlegt wurde, bildete sich im Raum Linz ein neues Kommando heraus, wobei Mildner der Stellvertreter von Franz Josef Huber wurde.

Internierung und Flucht

Wenige Monate später wird er von der US-Besatzungsmacht festgenommen. Bei den Verhören gelang es ihm, die nicht kundigen Verhörer über die Kommandostränge innerhalb der Gestapo zu täuschen. Da er sich andererseits aber kooperativ zeigte, konnte er als Zeuge gegen den Chef des RSHA, Ernst Kaltenbrunner, im Nürnberger Prozess aussagen. Mildner wurde 1949 aus der Internierung entlassen und tauchte unter.

Die Staatsanwaltschaft in Wien wollte zu Beginn der sechziger Jahre noch einmal gegen Mildner Ermittlungen aufnehmen, aber er blieb unauffindbar.

Literatur

  • Ernst Klee: Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/Main 2003
  • Friedrich Kaul, Joachim Noack (Hrsg.): Angeklagter Nr. 6 - Eine Auschwitz-Dokumentation. Berlin 1966
  • Sybille Steinbacher: „… nichts weiter als Mord“ - Der Gestapo-Chef von Auschwitz und die bundesdeutsche Nachkriegsjustiz. In: Norbert Frei, Sybille Steinbacher, Bernd CV. Wagner: Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit - Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik. München 2000
  • Robert Bohn: „Ein solches Spiel kennt keine Regeln“ - Gestapo und Bevölkerung in Norwegen und Dänemark. In: Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo - Mythos und Realität. Darmstadt 1995

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