Rudolf Hillebrecht

Rudolf Hillebrecht

Rudolf Hillebrecht (* 26. Februar 1910 in Linden; † 6. März 1999 in Hannover) war ein deutscher Architekt, nach dem Zweiten Weltkrieg amtierte er als Stadtbaurat in Hannover. Er überplante die im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstörte Stadt Hannover als moderne autogerechte Stadt. Kritisiert wird, dass er dafür zahlreiche erhaltene, stadtprägende und historische Gebäude abreißen ließ.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und frühe Berufstätigkeit

Hillebrecht wurde im damals noch selbstständigen Linden (seit 1920 ein Stadtteil von Hannover) geboren und machte 1928 am dortigen Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium, der heutigen Helene-Lange-Schule, sein Abitur.

Hillebrecht studierte unter anderem bei Walter Gropius, fand zunächst Anstellung beim Reichsverband der Deutschen Luftfahrtindustrie in Hamburg. Er baute als Regierungsbauführer (Referendar im öffentlichen Bauwesen) Flak-Kasernen in Hamburg-Ohlsdorf.

Anschließend an das 2. Staatsexamen quittierte Hillebrecht den Staatsdienst und wurde Mitarbeiter bei dem Hamburger Architekten Konstanty Gutschow, dem Architekten des Elbufers, der einen Großwettbewerb zur Gestaltung des Elbufers mit 250 m hohen Wolkenkratzern gewann, der allerdings nicht realisiert wurde. Eigentlich lehnte Gutschow damals Hochhäuser als Verkehrserzeuger in Innenstädten ab.

Hillebrecht entfaltete dort ein organisatorisches Talent, beispielsweise bei der Beschaffung von Baumaterial und Eisenvorräten aus dem ganzen damaligen Reichsgebiet. Hierdurch fiel er Albert Speer auf, der ihn für den Wiederaufbaustab rekrutierte.

Nach britischer Kriegsgefangenschaft fing Hillebrecht im November 1945 im Auftrag der britischen Besatzungsmacht in der Abteilung Bauwirtschaft des Zentralamtes für Wirtschaft der britischen Zone in Minden an.

Stadtbaurat in Hannover

Nach seiner erfolgreichen Bewerbung als Stadtbaurat in Hannover gelang es ihm gegen erhebliche Widerstände, den Grundeigentümern ihre alten Fluchtlinien auszureden, um eine autogerechte Innenstadtplanung zu ermöglichen. Von dem 61 Hektar großen Planungsgebiet der völlig zerstörten Innenstadt gaben die Grundbesitzer 15 Prozent kostenlos an die Stadt ab. So entstand zum Beispiel das Kreuzkirchenviertel in der hannoverschen Altstadt. Barocke Achsen der früheren Residenzstadt Hannover wurden zugunsten geschwungener Straßen aufgegeben. Durch die Tangenten bzw. den Innenstadtring sollte die Innenstadt vom Verkehr freigehalten und gleichzeitig die Zufahrt zu allen Zentrumsbereichen erleichtert werden. Der Spiegel widmete ihm und dem Aufbau der Stadt Hannover im Juni 1959 eine Titelgeschichte mit seinem Konterfei – „Das Wunder von Hannover“ im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau war jahrelang deutschlandweit und international ein fester Begriff. Hillebrecht gilt heute als prototypischer Vertreter einer Stadtplanung, die das Leitbild der „autogerechten Stadt“ umsetzten.

Der Bau großer Autotrassen (Hamburger Allee, Berliner Allee, Leibnizufer) durch die Innenstadt führte zur weiteren Auflösung der vor dem Krieg dichten Bebauung. Die breiten Straßen trennen teilweise noch heute ganze Stadtteile ab und wirken mit ihrer Architektur der singulären Bauten wie Fremdkörper in der ansonsten dichten Bebauung der Innenstadt. Städtische Plätze wurden zu Verkehrsverteilern. Charakterische Platzelemente wie etwa eckbetonende Bauten verschwanden. Die Calenberger Neustadt, im 17. Jahrhundert die erste große Erweiterung der eigentlichen Altstadt, ist durch die achtspurige Straße Leibnizufer von der Altstadt im Bereich der Leine getrennt. Die ehemalige Leineinsel im Bereich der Altstadt wurde durch Zuschüttung eines Leinearmes beseitigt.

Darüber hinaus ließ Hillebrecht trotz Protesten aus der Bevölkerung zahlreiche historische Gebäude, die den Krieg überstanden hatten, abreißen: So etwa die legendäre "Wasserkunst" am Leineschloss oder das Friederikenschlösschen von Laves am Friederikenplatz. Ein Großteil der in der Nachkriegszeit abgebrochenen Gebäude stammten aus der Gründerzeit und waren Hinterhofbebauung (z. B. der heutigen Berliner Allee). Bis in die 1970er Jahre hinein wurden gründerzeitliche Gebäude beseitigt. Der geplante Abriss ganzer Viertel aus dieser Epoche im Stadtteil List wurde hingegen nicht realisiert. Den Abriss der Wasserkunst bezeichnete Hillebrecht später selbst als Fehler.

Im Gegensatz zu anderen Stadtplanern hatte er sehr früh seine Planungen auf den Individualverkehr hin ausgerichtet. Hillebrecht war ein „Bauhausmann“, verehrte den klassizistischen Baustil, lehnte den Historismus ab, schuf Traditionsinseln, war ein Hochhausfeind und sprach lieber von Neuaufbau als von Wiederaufbau. In seiner Amtszeit wurde in der Innenstadt Hannovers die damals größte zusammenhängende Fußgängerzone Deutschlands geschaffen. Dies begründete den Ruf Hannovers als Einkaufsstadt in Norddeutschland. Allerdings wird Hillebrechts Wirken in Hannover auch kritisch gesehen. Er selbst sprach schon 1957 von verpassten Chancen. Obwohl sich Hillebrecht nicht für architektonische Details erwärmte („Ich denke nicht daran, Fenstersprossen zu reglementieren“), sah er es – im Unterschied zu anderen Stadtbauräten – als seine Aufgabe an, für umfangreiche so genannte Straßenmöblierung zu sorgen, für die er häufig Mäzene gewann, die junge Künstler beauftragten.

Die Nachfolge Hillebrechts trat Hanns Adrian 1975 an.

Hillebrechts Grab befindet sich auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover. Der Platz vor der Bauverwaltung neben dem hannoverschen Rathaus wurde nach ihm benannt.

Ehrenämter und Auszeichnungen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein: Geschichte der Stadt Hannover. Schlütersche, Hannover 1994, ISBN 978-3-87706-319-4, S. 236.

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