Rucksacktourismus

Rucksacktourismus
Rucksacktouristen vor der Wiener Staatsoper (2005)

Rucksacktourismus ist eine Art des Tourismus, wenn man als Gepäck lediglich einen Rucksack mit sich führt (Rucksacktourist) und meist nicht an einem Reiseziel verweilt, sondern zu vielen verschiedenen Orten reist. Die von Rucksacktouristen gerne genutzten Hostels werden (als (deutsche) Abkürzung des Begriffs Backpacker Hostels) ebenfalls Backpacker genannt.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Begriff Rucksacktourismus (am. engl. Backpacking) entstand im deutschsprachigen Raum in den 1970er Jahren. Vom Anthropologen und Tourismuswissenschaftler Eric Cohen wurde der Rucksacktourist 1972 auch als Drifter (abgeleitet vom engl. to drift - treiben, sich treiben lassen) bezeichnet.

Die Bezeichnung Backpacker kommt aus dem amerikanischen Englischen (backpack = Rucksack, im britischen Englisch ist rucksack gebräuchlich[1]).

Ursprung

Auch als Weltenbummler oder Globetrotter bekannt reisten junge Menschen aus dem angloamerikanischen Raum nur mit dem nötigsten Gepäck und meist ohne klare Vorstellung der Unterkunftsmöglichkeiten. Diese wurden erst vor Ort erkundet und sollten möglichst preiswert und abseits der sonstigen Unterkünfte der Pauschaltouristen, dafür aber in engerem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung sein. Der Rucksacktourismus verstand sich als Alternative zum Massentourismus.

Bekannt wurde der Hippie trail – eine stark frequentierte Reiseroute von Europa über Land nach Asien. Südostasien war generell ein beliebtes Reiseziel und wird auch als Wiege des Alternativtourismus bezeichnet. Einen wichtigen Anteil hatte der 1973 erstmals erschienene Reiseführer South-East Asia on a shoestring (Lonely Planet). Durch den Reiseführer wurden Routen vorgezeichnet, welche durch die Rucksackreisenden frequentiert wurden, und damit die Errichtung von touristischen Infrastrukturen (Hotellerie, Gastronomie) ermöglichten. Auf diese Weise wird der Rucksacktourismus oft zu einem Vorläufer der touristischen Entwicklung von Regionen.

Rucksacktourismus heute

Rucksacktouristen reisen auf unterschiedlichste Art und Weise und aus den unterschiedlichsten Beweggründen. Einige haben ein genaues Ziel, verweilen nur an einem Ort, andere kennen nur den ersten Aufenthaltsort und lassen sich dann treiben oder es gibt von vornherein eine feste Routenplanung. Auch der Rückreisetermin kann vorher festliegen oder unbestimmt sein. Die Reisekasse kann für die gesamte Reisedauer bemessen sein (Travellerschecks und Kreditkarten) oder es sind zwischenzeitlich vor Ort Arbeitstätigkeiten zur Unterhaltssicherung vonnöten, wobei vereinzelt längere Aufenthalte an einem Ort durchaus üblich sind. Zunächst hauptsächlich aus der Hippiebewegung der 1970er entstanden, haben heutige Rucksacktouristen einen sehr unterschiedlichen Hintergrund. Vor allem westliche Jugendliche nach einem ersten Bildungsabschluss (Abitur, Studium) begeben sich häufig auf eine längere Rucksacktour. Zu den beliebten Zielen zählen heute vor allem Australien, Neuseeland und Südostasien.

Die neue Form des Massentourismus

Als Ausdruck von Individualität begonnen, entwickelte sich jedoch auch diese alternative Form des Tourismus im Laufe der Jahre zu einer Massenbewegung. In vielen von Rucksacktouristen stark frequentierten Gegenden führte dies zu Begleiterscheinungen, wie sie auch im konventionellen Tourismus auftreten, der eigentlich ursprünglich abgelehnt wurde. Bisweilen schadet der Rucksacktourist langfristig den Zielregionen genauso wie der Massentourismus. Ferner hat auch nicht jeder Rucksacktourist eine ökologischere oder sozialere Gesinnung als der Massentourist. Für die Einschätzung der einheimischen Bevölkerung ist es auch meist unerheblich, ob es sich um Rucksack- oder konventionellen Tourismus handelt.

Literatur

Sachbücher
  • Jana Binder: Globality. Eine Ethnografie über Backpacker. LIT-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-8686-7 (zugl. Dissertation, Universität Frankfurt 2004).
  • Eric Cohen: Nomads from Affluence. Notes on the Phenomenon of Drifter-Tourism. In: International Journal of Comparative Sociology, Bd. 14 (1973), S. 89-103.
  • Eric Cohen: Toward a Sociology of International Tourism. In: Social Research, Bd. 39 (1972), S. 164-182.
  • Anthony Giddens: Konsequenzen der Moderne. Neuaufl. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2008, ISBN 978-3-518-28895-5.
  • Stuart Hall: Representation. Cultural Representations and Signifying Practices. Sage, London 2009, ISBN 0-7619-5432-5 (Nachdr. d. Ausg. London 1997).
  • Kevin Hanam, Irena Ateljevic (Hrsg.): Backpacker Tourism. Concepts and Profiles. Channel View Publ., Clevendon 2008, ISBN 978-1-8454-1077-3.
  • Sarah Kröger: Weltweitweg. Beobachtungen zum Backpacking. LIT-Verlag, Münster 2009, ISBN 978-3-643-10223-2.
  • Greg Richards, Julie Wilson (Hrsg.): The Global Nomad. Backpacker Travel in Theory and Practice. Channel View Publ., Clevendon 2009, ISBN 978-1-87315-076-4.
  • Günter Spreitzhofer: Tourismus Dritte Welt - Brennpunkt Südostasien. Alternativtourismus als Motor für Massentourismus und soziokulturellen Wandel. Verlag Peter Lang, Frankfurt/M. 1995, ISBN 3-631-47965-4 (Europäische Hochschulschriften/4; Bd. 16).
  • Andrea Vetter: Reise ohne Rückkehr. Beheimatungspraxen von Backpackern, Globetrottern und Vagabunden in: Helge Baumann, Michael Weise et al. (Hg.). Habt euch müde schon geflogen? Reise und Heimkehr als kulturanthropologische Phänomene. Marburg 2010. ISBN 3828821847.
  • Klaus Westerhausen:Beyond the Beach. An Ethnography of Modern Travellers in Asia. White LotusPress, Bankok 2002, ISBN 974-480-009-7.
Belletristik

Literaturzitate

  • Cohen definierte den Drifter als „den Touristentyp, [der] sich von ausgetretenen Pfaden und den gewohnten Lebensweisen seines Heimatlandes weg wagt. Er [der Drifter, J.B.] meidet jegliche Verbindung zu einer touristischen Infrastruktur und empfindet gewöhnliche touristische Erlebnisse als unecht. Er neigt dazu, sich ganz auf eigene Faust durchzuschlagen, lebt mit der lokalen Bevölkerung und nimmt oft Gelegenheitsbeschäftigung an, um weiterzukommen. Er versucht, so zu leben, wie die Menschen die er besucht [...] hat keinen festen Reise- oder Zeitplan und keine klar definierten Reiseziele. Er taucht nahezu vollständig in die Gastkultur ein“ (Eric Cohen 1972, S. 168, Übersetzung: Jana Binder).

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten

  1. Langenscheidt Maxi-Wörterbuch Englisch

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