Axel von dem Bussche

Axel von dem Bussche
Axel von dem Bussche

Axel Ernst-August Clamor Franz Albrecht Erich Leo von dem Bussche-Streithorst (* 24. April 1919 in Braunschweig; † 26. Januar 1993 in Bonn) war ein deutscher Berufsoffizier, zuletzt im Range eines Majors, und Widerstandskämpfer in der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944.

Inhaltsverzeichnis

Motivation zum Widerstand

Bussche war Offizier im Infanterie-Regiment 9 der 23. Infanterie-Division, das aufgrund seines hohen Anteils an adeligen Offizieren salopp „Regiment Graf Neun“ genannt wurde. Aus diesem Regiment ging eine ganze Reihe von Widerstandskämpfern hervor. Am 15. Oktober 1942 wurde der 23-jährige, hochdekorierte Oberleutnant in der Ukraine auf dem Flugplatz von Dubno zufällig Zeuge einer Massenexekution von über dreitausend Zivilisten, überwiegend Juden - Männern, Frauen und Kindern, die während zweier Tage von acht SS- und mehreren SD-Leuten systematisch durchgeführt wurde. Bussche hat dieses Verbrechen beschrieben:

„SS-Leute führten die Juden an eine Grube. Dort mußten sie sich entkleiden, danach in die Grube steigen, in der schon eine Schicht zuckender Leiber lag: Mit dem Gesicht nach unten mußten sie sich dem Befehl gehorchend auf die Ermordeten legen und wurden dann durch Schüsse in den Hinterkopf getötet.“[1].

Bis dahin hatte sich der Berufsoffizier Bussche an den persönlichen Eid auf den obersten Kriegsherrn Adolf Hitler gebunden gefühlt. Nach diesen Geschehnissen fragte er sich, wieso er an den Eid auf einen Führer gebunden sei, der selber diesen Eid, der auf Gegenseitigkeit beruhe, unzählige Male durch die von ihm angeordneten Verbrechen gebrochen hat. Drei Monate nach diesem Erlebnis stand Bussches Entschluss fest: Es ging nicht mehr darum, sein Leben auf dem Schlachtfeld für Deutschland zu opfern, sondern darum, es gegen Hitler einzusetzen. Dieses für ihn traumatische und bis zu seinem Tode niemals verwundene Erlebnis motivierte ihn, durch Vermittlung von Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg dem Widerstandskreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gegen das Hitler-Regime beizutreten.

Im Oktober 1943 reiste er zu Oberstleutnant Claus Graf Stauffenberg nach Berlin. Stauffenberg war einen Monat zuvor Chef des Stabes beim Ersatzheer geworden. Bussche, inzwischen zum Hauptmann befördert, war tief beeindruckt von der Begegnung mit Stauffenberg. Er sprach später „von dem hellen Glanz der sicheren Gelassenheit dieses Mannes“. Bussche erklärte, angesichts der von ihm unfreiwillig als Zeuge erlebten Verbrechen gäbe es für einen Offizier nur drei Wege, um seine Ehre zu bewahren: „Durch sich Einreihen in die Gruppe der Opfer“ - also Fallen, Fahnenflucht oder Rebellion. Bussche wurde von Stauffenberg in die Verschwörungspläne gegen Hitler eingeweiht. Er erklärte sich auf die entsprechende Frage Stauffenbergs ohne Zögern bereit, sein Leben in einem Selbstmordattentat auf Hitler zu opfern. Er rechtfertigte später seinen Tötungsvorsatz mit dem Nothilfe-Paragraphen des deutschen Strafgesetzbuches (§ 32 StGB), den er schon als Rekrut in Potsdam hatte auswendig lernen müssen.

Attentatsversuch Dezember 1943

Die Hauptschwierigkeit für einen Attentäter bestand darin, mit einer Waffe in Hitlers Nähe zu gelangen. Henning von Tresckow, aus dem gleichen Regiment wie Bussche stammend und neben Stauffenberg der Kopf der Verschwörung, schlug vor, eine Vorführung der für die Ostfront geänderten Uniformen zu nutzen, weil neben Hitler auch Hermann Göring und Heinrich Himmler an der Veranstaltung teilnehmen wollten. Für die Vorführung im Führerhauptquartier Wolfsschanze bei Rastenburg wurde zunächst der 23. November 1943 und später der 16. Dezember 1943 bestimmt. Bussche sollte den Anwesenden die Vorzüge dieser von nicht eingeweihten Soldaten vorgeführten neuen Uniformen erklären. Er beabsichtigte, sich gemeinsam mit Hitler in die Luft zu sprengen. Im geeigneten Augenblick wollte er eine von ihm selbst mit einem Handgranatenzünder versehene in seiner Uniform verborgene Mine schärfen (die von Stauffenberg vorgeschlagene Bombe mit chemischem Zünder lehnte er ab, weil ihm die Zeit vom Scharfmachen bis zur Explosion von zehn Minuten, auch nach der Erfahrung, die Rudolf von Gersdorff gemacht hatte, zu lang erschien. Handgranatenzünder explodieren nach vier bis fünf Sekunden). Er plante, das Zischen des Zünders durch Räuspern zu überspielen und dann Hitler zu umarmen.

Bussche hielt sich in der zweiten Novemberhälfte 1943 drei Tage und zwei Nächte in der Gästebaracke des ostpreußischen Führerhauptquartiers Wolfsschanze bereit. Er hatte bei seiner Ankunft den Mitverschwörern Major i.G. Joachim Kuhn und Oberst Helmuth Stieff die ihm von Stauffenberg übergebene Dokumente zur Durchführung des Staatsstreichs ausgehändigt. Diese Dokumente wurden später nach dem Scheitern des Attentatsplanes von dem Bussche von Kuhn zusammen mit dem Sprengstoff im Gelände des OKH vergraben[2]. Bussche wurde dann am 18. November 1943 von Stieff informiert, dass bei einem alliierten Luftangriff auf Berlin der Eisenbahnwaggon mit den Vorführuniformen am 17. November 1943 vernichtet worden war. Die Beschaffung von Ersatzuniformen dauere mindestens bis zum Januar 1944. Bussche begab sich daraufhin in der Absicht, das Attentat im Januar 1944 erneut zu versuchen, zu seiner Einheit an die Ostfront bei Newel.

Verwundung und Entkommen

Stauffenberg hatte für Bussche bereits einen Marschbefehl für Februar 1944 von der Ostfront nach Berlin besorgt. Bevor es zu dem Attentat kommen konnte, wurde Bussche am 30. Januar 1944 durch einen sowjetischen Granatsplitter schwer verwundet. Ein Bein musste amputiert werden. Dadurch, dass er als Träger des von Adolf Hitler gestifteten Ordens des Deutschen Kreuzes in Gold als Privileg mehrere Monate im SS-Lazarett Hohenlychen verbrachte, entging Bussche der Verfolgungswelle nach dem 20. Juli 1944. Er war neben Schlabrendorff, Philipp Freiherr von Boeselager, Kleist, Joachim Kuhn und Gersdorff einer der wenigen Offiziere der Verschwörergruppe, die den Krieg überlebten.

Auszeichnungen

Späteres Leben

Zum Besitz von Bussche gehörte in Thale ein Rittergut in Form des ehemaligen Klosters Wendhusen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der Vertreibung von seinem Besitz in der damals sowjetisch besetzten Zone, studierte er Rechtswissenschaften und wurde der erste Nachkriegs-Vorsitzende des AStA der Universität Göttingen. Nach der Studienzeit arbeitete er als Programmassistent bei der Deutschen Abteilung von BBC London. 1948/49 wirkte er als Lektor und Referent für Werbung im Suhrkamp-Verlag, bis er für einige Zeit die Leitung der Pressestelle in dem mit der Vorbereitung neuer deutscher Streitkräfte befassten „Amt Blank“ übernahm, anschließend wechselte er ins Presse- und Informationsamt der Bundesregierung als Mitarbeiter im Commonwealth- und USA-Referat. Von 1954 bis 1958 diente er als Legationsrat in der deutschen Botschaft in Washington. Von 1959 bis 1962 war er Leiter des von Kurt Hahn und dem Markgrafen von Baden gegründeten Internates Schule Schloss Salem.

Nach Gründung der Deutschen Entwicklungsdienst GmbH wurde er Anfang 1964 zu einem ihrer beiden geschäftsführenden Direktoren berufen, in dieser Funktion hatte er bis 1966 maßgeblichen Anteil am Aufbau der deutschen Entwicklungshilfe-Organisation. Daneben und danach war er ab 1964 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Mitarbeiter im Weltkirchenrat, Berater der Weltbank, Wegbereiter der Stockholmer UN-Umweltkonferenz von 1972 und Mitglied des Wissenschaftskollegiums in Berlin.

1991 war er einer der erfolglosen Kläger gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Nichtrückgabe seines in Thale in der vormaligen DDR 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteigneten Besitzes. Er empfand die Enteignung (de jure durch die sowjetische Besatzungsmacht, de facto durch deutsche Kommunisten) als ungerecht und in seinem Falle nicht einmal nach sowjetischen Standards gerechtfertigt, weil nach deren Bestimmungen nur „Faschisten“ von Enteignungen betroffen werden sollten, zu denen er sich nicht zählen lassen wollte. Er verstand nicht, warum die Regierung der Bundesrepublik, nach 1990 Eigentümerin seines ehemaligen Landbesitzes in Thale, dieses Unrecht nicht durch Rückgabe der Grundstücke an ihn als rechtmäßigen Eigentümer wiedergutmachen wollte. Das Bundesverfassungsgericht argumentierte, die Enteignung und Vertreibung hätten sich vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 ereignet. Die Bundesregierung sei für Kriegsfolgen, die sich vor ihrer Gründung ereignet haben, nicht verantwortlich zu machen. Er war zeitweilig mit dem mit ihm eng befreundeten damaligem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker wegen dieser Angelegenheit zerstritten. Bussche empfand die Argumentationsweise des Gerichts als skandalös. Unrecht könne nicht zu Recht umargumentiert werden. Seine älteste Tochter Nicola Dietzsch-Doertenbach hat nach Bussches Tod größere Teile des ehemaligen Besitzes von der Bundesrepublik Deutschland käuflich zurückerworben.

Familie

Axel Freiherr von dem Bussche-Streithorst entstammte dem alten ostwestfälischen Adelsgeschlecht von dem Bussche und war Sohn von Georg Freiherr von dem Bussche-Streithorst und seiner dänischen Frau Jenny Lassen. Er hatte zwei Geschwister. Sein älterer Bruder Cuno ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Seit 1950 war er mit der Engländerin Lady Camilla Mildred Nicola Acheson (Tochter des Archibald Acheson, 5. Earl of Gosford und Mildred Carter), geschiedene Schenk Freifrau von Stauffenberg, verheiratet. Er hatte mit ihr die Töchter Nicola Dietzsch-Doertenbach, geb. Freiin von dem Bussche-Streithorst, und Jane Freiin von dem Bussche-Streithorst. Aus Lady Camillas erster Ehe mit Hans Christoph Schenk Freiherr von Stauffenberg stammen ihre drei Söhne Sebastian, Patrick und Damian Freiherr Schenk von Stauffenberg. Axel von dem Bussche war Vetter des dänischen Widerstandshelden Anders Lassen, der im Zweiten Weltkrieg in der britischen Armee gegen Deutschland kämpfte.

Literatur

  • Joachim Fest: Hitler - Eine Biographie. Propyläen Verlag, 2. Aufl. 2004 ; S. 957; ISBN 3-549-07172-8
  • Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20.Juli. Siedler Verlag;1994: S.226 ff: ISBN 3-88680-539-5
  • Marion Gräfin Dönhoff in: Axel von dem Bussche v.Hase Koehler Verlag 1994 ISBN 3-7758-1311-X
  • Josef Tal: Ein Mensch-zu-Mensch-Erlebnis im Wissenschaftskolleg Berlin (1994) in Axel von dem Bussche, Hase&Koehler Verlag, pp 125-131 ISBN 3-7758-1311-X
  • Gevinon von Medem; Axel von dem Bussche; v.Hase Koehler Verlag 1994 ISBN 3-7758-1311-X
  • Peter Hoffmann; Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder; Stuttgart 1992
  • Die Sicherheit des Diktators. Hitlers Leibwachen, Schutzmaßnahmen, Residenzen, Hauptquartiere; München 1975
  • Widerstand,Staatsstreich,Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler; München 1979
  • Guido Knopp; Sie wollten Hitler töten, München 2004; S. 132 ff. ; ISBN 3-570-00664-6

Weblinks

Einzelnachweise

  1. nach Marion Gräfin Dönhoff, in: Axel von dem Bussche von Hase und Koehler Verlag 1994 ISBN 3-7758-1311-X auf Seite 32
  2. Die Unterlagen wurden aufgrund Kuhns Angaben am 17. Februar 1945 von sowjetischen Offizieren gefunden und teilweise als Kopie im Jahre 1997 von Boris Jelzin an den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl übergeben.

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