Roter Franz

Roter Franz

Der Mann von Neu Versen, auch Roter Franz genannt, ist eine männliche Moorleiche aus der Eisenzeit, die nördlich von Neu Versen bei Meppen im Emsland gefunden wurde.

Inhaltsverzeichnis

Fundumstände

Beim Torfstechen entdeckte Bernard Herbers am 8. Juni 1900 im Bourtanger Moor, etwa 20 Minuten Fußmarsch nördlich der letzten Häuser von Neu Versen, eine unbekleidete Leiche. Die Beschädigungen, die durch die Spatenstiche entstanden, sind noch heute an den Beinen der Moorleiche zu sehen. Der noch relativ gut erhaltene Leichnam wurde in einen Sarg gelegt und im nächsten Ort auf dem Vorplatz des Friedhofes erneut bestattet.

Das Provinzialmuseum in Hannover erfuhr von diesem Fund und bemühte sich, den Toten anzukaufen. Die Verhandlungen zogen sich fünf Monate hin, bis der Sarg wieder ausgegraben wurde und die Moorleiche am 16. November 1900 schließlich in Hannover eintraf.

Untersuchung

Seit der Ankunft im hannöverschen Provinzialmuseum wurde der Mann von Neu Versen immer wieder mit den jeweils verfügbaren Methoden untersucht. Zuletzt geschah dies in den Jahren 2000 bis 2002 im Vorfeld der Ausstellung Der Tempel im Moor, in der zahlreiche Funde aus nordeuropäischen Mooren ausgestellt wurden. Für diese Ausstellung wurde auch eine Gesichtsrekonstruktion der Moorleiche angefertigt.

Befund

Bei der neuesten gerichtsmedizinischen Untersuchung der Leiche wurde festgestellt, dass es sich um einen etwa 25 - 32 Jahre alten Mann handelte.

Die pollenanalytische Untersuchung des Fundplatzes ergab einen Niederlegungszeitpunkt zwischen 0 - 200 n. Chr. Die 14C-Datierung einiger Kopfhaare aus dem Nachlass von Alfred Dieck, einer möglicherweise unsicheren Quelle, ergab einen Todeszeitpunkt etwa in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts.[1]

Es konnten weder Parodontose noch krankhafte Veränderungen am Skelett festgestellt werden. Die Oberschenkelköpfe zeigten jedoch deutliche Veränderungen, sogenannte Reiterfacetten, die mit der Zeit beim Reiten entstehen. Am rechten Schultergelenk fand sich eine verheilte Verletzung, die möglicherweise von einem Pfeil verursacht worden war. Die Fraktur seines rechten Schlüsselbeins könnte in engem Zusammenhang damit stehen, etwa durch einem nach der Pfeilverletzung erfolgten Sturz vom Pferd. Auch diese Verletzung war gut verheilt, hatte aber möglicherweise eine leicht nach vorn gebeugte Schulterhaltung zur Folge. Weiter konnte ein verheilter Beinbruch, bedingt durch einen Sturz vom Pferd, festgestellt werden.

Todesursache war ein Schnitt durch die Kehle. Daraus ergeben sich zwei mögliche Szenarien: Entweder ist der Mann von Neu Versen als germanisches Menschenopfer mit einem Schnitt durch die Kehle getötet und anschließend unbekleidet im Moor versenkt worden. Zu bedenken ist aber, dass das Moor eine Kleidung aus Leinengewebe zerstört hätte, der Mann also nicht unbedingt nackt ins Moor gekommen ist. Möglich ist aber auch, dass es sich bei dieser Moorleiche um das Opfer eines Raubmordes handelt. Die Verformung der Oberschenkelknochen lässt auf eine langjährige Tätigkeit als Reiter, die verheilten Verletzungen auf Kriegshandlungen schließen. Somit könnte der Rote Franz auch ein germanischer Reiterkrieger gewesen sein, der in den Diensten einer römischen Auxilia war. Ein solcher Mann hätte neben einem Pferd wertvolle Waffen und wahrscheinlich aufwändige Kleidung besessen und könnte daher ein lohnendes Ziel für einen Überfall gewesen sein. Die Lage der Leiche wäre zumindest für ein Menschenopfer ungewöhnlich. Diese sind meist, wie z.B. der Tollund-Mann, sorgfältig im Moor niedergelegt worden, als würden sie schlafen. Der Mann von Neu Versen lag jedoch mit dem Gesicht nach oben, den Hals zurück gebogen und die Beine angezogen nach rechts gedreht.

Frisur

Durch die besonderen Erhaltungsbedingungen für organisches Material im Moorboden haben sich an Kopf und Rumpf der Moorleiche die Weichteile und die Haut teilweise erhalten, auch Kinn-, Lippen- und Backenbart sowie Kopf- und Schamhaare sind noch vorhanden. Die ursprünglich blonden Haare wurden durch das Moorwasser rotbraun verfärbt, was ihm seinen Spitznamen Roter Franz eintrug.

Bei den neuen Untersuchungen konnte die ungewöhnliche Frisur des Mannes von Neu Versen rekonstruiert werden, die heute als Undercut bekannt ist. Er hatte die Nackenhaare gleichmäßig bis in Höhe der Ohren auf 0,75 cm geschoren, am Hinterkopf sogar bis in Höhe des Haarwirbels am Oberkopf. Die Deckhaare blieben lang, zwischen 11 und 20 cm. Allerdings zeigte sich eine beginnende Stirn-Scheitelglatze. Dazu trug der Rote Franz einen bis 1,5 cm langen Oberlippenbart, Kinn und Wangen waren mit dichten, kurzen Bartstoppeln bedeckt.

Verbleib

Seit seiner Ankunft im Provinzialmuseum Hannover, heute Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, ist der Mann von Neu Versen dort ausgestellt und hat sich zu einem Liebling der Museumsbesucher entwickelt. Wegen seiner roten Haare wurde er schnell als Roter Franz bekannt. In den Jahren 2002 und 2005 wurde die Moorleiche in der Wanderausstellung Der Tempel im Moor, im Forum des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover, im Canadian Museum of Civilisation in Hull-Ottawa, im Glenbow Museum in Calgary und Drents Museum in Assen gezeigt. Seither befindet sie sich wieder in der Obhut des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover.

Einzelnachweise

  1. * Wijnand van der Sanden C14-Datierungen von Moorleichen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In: Die Kunde Neue Folge 46. Hrsg. vom Niedersächsischen Landesverein für Urgeschichte. Hannover 1995. S.139-140


Literatur

  • Drents Museum, Assen (Hrsg.): Der Tempel im Moor. Katalog zur internationalen Wanderausstellung über Mooropferfunde. Waanders Verlag, Zwolle 2002, ISBN 90-400-9665-1
  • Wijnand van der Sanden: Mumien aus dem Moor - Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Drents Museum / Batavian Lion International. Amsterdam 1996, ISBN 90-6707-416-0
  • Peter Pieper: Die Moorleiche von Neu Versen, genannt "Roter Franz", im Landesmuseum Hannover. Anthropologisch-medizinische Befunde. In: Die Kunde. N. F. 52, 2001, S. 99-110.
  • Peter Pieper: Peat bog corpses / Moorleichen. In: Andreas Bauerochse, Henning Haßmann (Hrsg.): Peatlands. Moorlandschaften. Archaeological sites - archives of nature - nature conservation - wise use. Proceedings of the Peatland Conference 2002 in Hannover, Germany. Rahden/Westf. : Leidorf, 2003. ISBN 3-89646-026-9
  • Franz-Josef Böckermann: Der "Rote Franz" aus Neuversen - Eine Moorleiche erwacht zu neuem Leben. In: Emsländische Geschichte. Band 10, Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte e.V., Haselünne 2003, S. 10-31.

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Einzelnachweise


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