Rosemarie Nitribitt

Rosemarie Nitribitt

Rosemarie Nitribitt, eigentlich: Rosalie Marie Auguste Nitribitt, (* 1. Februar 1933 in Düsseldorf[1]; † vermutlich 29. Oktober 1957[2] in Frankfurt am Main) war eine Frankfurter Prostituierte, die ermordet wurde.

Die als Edelprostituierte bekannte Nitribitt erlangte durch ihren Tod in der Bundesrepublik der Fünfziger Jahre landesweite Berühmtheit. Später wurden über den Fall unter anderem ein Roman und zwei Filme veröffentlicht. Das Verbrechen wurde bislang nicht aufgeklärt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Zwar war Rosemarie Nitribitt schon Zeit ihres Lebens vor allem unter Frankfurter Zeitgenossen bekannt,[3] und nach ihrem Tode gab es zahlreiche Medienberichte über ihre Person. Dennoch gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse über ihr Leben.

Rosemarie, wie sie sich später nannte, kam als uneheliche Tochter eines unbekannten Vaters zur Welt[4] und wuchs, wie ihre beiden Halbschwestern, in ärmlichen Verhältnissen bei ihrer Mutter in Ratingen und Düsseldorf auf. Die Mutter musste mehrere Freiheitsstrafen verbüßen;[4] Rosemarie wurde mehrmals in ein Kinderheim eingewiesen, wo sie als schwer erziehbar galt und mehrfach ausriss.[5] Letztlich kam sie nach Mendig in eine Pflegefamilie. Dort wurde Rosemarie im Alter von elf Jahren von einem 18jährigen deutschen Soldaten[6] aus der Nachbarschaft[7] vergewaltigt. Die Tat wurde den Behörden nie bekanntgegeben,[8] und der Täter wurde nie zur Rechenschaft gezogen.[9]

Schon als Heranwachsende verdiente sie ihr erstes Geld mit Prostitution. Später zog sie nach Koblenz, anschließend nach Frankfurt am Main, wo sie – immer noch minderjährig – als Kellnerin und Mannequin arbeitete, bald aber wieder als Prostituierte. Sie wurde aufgegriffen und erneut in ein Erziehungsheim eingewiesen, aus dem sie bald wieder ausriss.

Sie gab sich große Mühe, ihre einfache Herkunft zu verbergen. Um in Gesellschaft nicht durch mangelnde Bildung und fehlende Weltbürgerlichkeit aufzufallen, lernte sie Englisch, Französisch und belegte Kurse für „gutes Benehmen“.[10] Ein Freier schenkte ihr einen Opel Kapitän, damals ein außergewöhnlicher Besitz für eine Frau Anfang 20. Andere Freier luden sie in den Urlaub ans Mittelmeer ein. Ob sie wirklich so viel verdiente, wie nach ihrem Tod geschätzt wurde (bis zu 100.000 DM jährlich), darf bezweifelt werden; aber es reichte für den berühmten schwarzen Mercedes 190 SL mit roten Ledersitzen,[11] mit dem sie in Frankfurt sehr viel Aufsehen erregte und der ihr Markenzeichen wurde.[12] Der Verbleib des Mercedes liegt im Unklaren.[13]

Ermordung

Appartementhaus Stiftstraße 36 am Eschenheimer Tor

Am 1. November 1957 wurde Nitribitt mit einer Platzwunde am Kopf und Würgemalen am Hals tot in ihrer Wohnung in Frankfurt am Main in der Stiftstr. 36[14][5] am Eschenheimer Turm aufgefunden, vermutlich etwa drei Tage nach ihrem Tod. Bei den polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass sie Kontakt zu bedeutenden Persönlichkeiten hatte. Da der Mordfall nicht aufgeklärt werden konnte, wurde in manchen Medien der Eindruck erweckt, dass bestimmte Kreise aus Wirtschaft und Politik die Aufklärung zu verhindern suchten. Nitribitt wurde auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf beigesetzt.

Grab Rosemarie Nitribitts im Düsseldorfer Nordfriedhof

Ermittlungen und Gerichtsverfahren

Die Beamten ermittelten gegen viele, zum Teil prominente Verdächtige; darunter waren Angehörige der Familie Krupp (Harald von Bohlen und Halbach), Harald Quandt und Gunter Sachs. Das Medieninteresse war groß, nicht zuletzt dank vieler Pannen bei den Ermittlungen. Einige Akten verschwanden spurlos, die Beamten machten zahlreiche Fehler, ein Verdächtiger erlitt – möglicherweise wegen der Ermittlungen gegen ihn – einen tödlichen Herzinfarkt.[5]

Der Hauptverdächtige war ein Freund Nitribitts, der Handelsvertreter Heinz Pohlmann. Es kam zur Anklage, aber das Gericht sprach Pohlmann im Juli 1960 frei. Man habe nicht mit letzter Sicherheit die Täterschaft des Angeklagten erkennen können, hieß es in der Begründung. Sein Verteidiger Alfred Seidl – der spätere bayerische Innenminister – stellte nämlich den Todeszeitpunkt in Frage, den die Polizei angenommen hatte, und bekam Recht. Unter anderem hatten die ermittelnden Beamten versäumt, die genaue Temperatur in der laut Polizeibericht sehr warmen, fußbodenbeheizten[5] Wohnung der Nitribitt zu messen, was für die exakte Bestimmung des Zeitpunkts des Eintritts des Todes unbedingt notwendig gewesen wäre. Auch gab es Zeugenaussagen, dass Nitribitt nach dem von den Ermittlern vermuteten Todeszeitpunkt noch Besorgungen erledigte (beim Metzger und in der Reinigung). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Revision.

Auch die Tatsache, dass in der Wohnung Nitribitts ein laufendes Tonbandgerät gefunden wurde, das offensichtlich den Empfang des Besuchs aufgezeichnet hatte, konnte aufgrund der schlechten Aufzeichnungsqualität nicht zur Aufklärung beitragen. Der Fund lässt jedoch vermuten, dass Nitribitt keinen gewöhnlichen Besuch empfing.[15]

Im Dezember 2007 gab das Kriminalmuseum Frankfurt nach Zustimmung durch die Frankfurter Staatsanwaltschaft den bisher dort zu Lehr- und Lernzwecken aufbewahrten Schädel der Toten frei, der am 10. Februar 2008 in ihrem Grab auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof beigesetzt wurde.

Die Unterlagen des Gerichtsverfahrens befinden sich heute im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden.

Rezeption

  • 1958 dokumentierte Erich Kuby den Fall in seinem Buch Rosemarie. Des deutschen Wunders liebstes Kind.
  • Ebenfalls 1958 erfolgte eine Verfilmung von Rolf Thiele unter dem Titel Das Mädchen Rosemarie.
  • 1959 entstand Die Wahrheit über Rosemarie von Rudolf Jugert. Rosemarie Nitribitt wurde hier von Belinda Lee verkörpert.
  • 1976 versuchte Rolf Thiele mit seiner letzten Regiearbeit Rosemaries Tochter an seinen Erfolgsfilm Das Mädchen Rosemarie anzuknüpfen.
  • 1985 zeigte Horst Königstein für den NDR in der Fernsehproduktion Die Geldverleiherin nach einem Drehbuch von Bodo Kirchhoff, was aus Rosemarie Nitribitt hätte werden können, wenn sie nicht ermordet worden wäre. Ein Kammerspiel mit drei Darstellern – Carola Regnier, Heinz Baumann und Bodo Kirchhoff – in der Sendereihe Die eigene Geschichte.[16]
  • 1986 strahlte die ARD die Produktion des HR Die Nitribitt. Ein Mord und viele Täter innerhalb der Reihe Rück-Sichten aus, Regie und Buch von Samuel Schirmbeck. Die Sendung schauten 8,07 Mio. Zuschauer (24 % Haushaltsquote).
  • 1996 drehte Bernd Eichinger ein Remake der Thiele-Verfilmung von 1958.
  • 2001 entstand Helga Dierichs Reportage Rosemarie Nitribitt – Tod einer Hure des WDRs für die Reihe Die großen Kriminalfälle[17]
  • 2004 wurde das Musical Mädchen Rosemarie in Düsseldorf uraufgeführt.[18]
  • 2008 wird der Fall Nitribitt in der Hörspielserie Offenbarung 23 als Grundlage für die 25. Folge Sex and Crime genommen.
  • 2008 zeigt das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt am Main die Ausstellung «Alles über Rosemarie» (Broschüre)

Literatur

  • Helga Dierichs: Rosemarie Nitribitt - Tod einer Hure. In: Helfried Spitra (Hrsg.): Die großen Kriminalfälle. Piper, München 2003, ISBN 3-492-23806-8, S. 36–59.
  • Hans-Werner Heepenstrick: Die Sünde kam aus der Provinz. Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz (B) vom 12. Dezember 1996 (Nr. 289).
  • Martina Keiffenheim: Edelhure Nitribitt. Die Rosemarie aus Mendig. Helios, Aachen 1998, ISBN 3-925087-85-0.[19]
  • Erich Kuby: Das Mädchen Rosemarie. Liebe, Leben und Tod des Callgirls Rosemarie Nitribitt. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-26015-8.
  • Judith Kuckart: Kaiserstraße. DuMont, Köln 2006, ISBN 3-8321-7956-9.
  • Wendelin Leweke: Gretchen und die Nitribitt. Frankfurter Kriminalfälle. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3797304935.
  • William Ernst Simmat: Prostitution und Öffentlichkeit: Soziologische Betrachtungen zur Affäre Nitribitt. Decker, Schmieden bei Stuttgart 1959.
  • Christian Steiger: Rosemarie Nitribitt. Die Autopsie eines deutschen Skandals. Heel, Königswinter 2007, ISBN 3898807371.

Einzelnachweise

  1. Die meisten Quellen geben diesen Geburtsort an, z. B. das NDR-Kulturjournal vom 8. Oktober 2007, vereinzelt werden jedoch auch Ratingen (Welt Online am 2. November 2003) oder Mendig als Geburtsort angeführt.
  2. Laut anderen Theorien 31. Oktober. Vgl. Offenbarung 23 Folge 25: Sex and Crime.
  3. Nina Jauker (vom 31. Oktober 2007). Das letzte Bild der "blonden Rosi". Süddeutsche Zeitung (abgerufen 23. Oktober 2009)
  4. a b „Tod einer Lebedame“, Bonner General-Anzeiger, 31. Dezember 1999
  5. a b c d „Rosemarie Nitribitt – Tod einer Hure“, Fernsehreportage des WDR, gezeigt unter anderem am 4. September 2006 im Bayerischen Fernsehen
  6. Autopsie eines deutschen Skandals. www.herrenzimmer.de
  7. Dieter Wunderlich: Rosemarie Nitribitt (Biographie)
  8. Christian Steiger: Das ewige Rätsel um Rosemarie Nitribitt. In: Die Welt. 29. Oktober 2007 (http://www.welt.de/vermischtes/article1307322/Das_ewige_Raetsel_um_Rosemarie_Nitribitt.html, abgerufen am 5. August 2010).
  9. Rosemarie Nitribitt - Bilder eines kurzen Lebens. fr-online.de, abgerufen am 5. August 2010.
  10. Christian Steiger: Rosemarie Nitribitt. Die Autopsie eines deutschen Skandals. Seite 98.
  11. Foto: Nitribitt und Mercedes 190 SL
  12. Christian Steiger: Rosemarie Nitribitt. Die Autopsie eines deutschen Skandals. Seite 101.
  13. Recherchen des WDR-Radios im August 2009 blieben erfolglos (Der Mercedes der Nitribitt. Westdeutscher Rundfunk, 13. August 2009, abgerufen am 15. August 2009.) Die Fahrgestellnummer wird dort mit 121 040-65 022XX angegeben.
  14. Norbert Schneider: Das Mädchen Rosemarie, erschienen in: 190 SL Revue, Ausgabe 1. Quartal 2005
  15. „Rosemarie Nitribitt. Das schwere Schicksal eines leichten Mädchens“, ttt – titel, thesen, temperamente, 21. Oktober 2007
  16. Filmographie von Horst Königstein
  17. „Rosemarie Nitribitt – Tod einer Hure“, WDR-Reportage, 4. Februar 2000
  18. Nitribitt: Der Skandal der 50er als Musical, WDR, 22. Januar 2004 (Webarchiv)
  19. Ein "verlorenes Kind ohne Halt", Allgemeine Zeitung (Mainz), 29. Oktober 2007

Weblinks


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