Ronald M. Schernikau

Ronald M. Schernikau

Ronald M. Schernikau (* 11. Juli 1960 in Magdeburg; † 20. Oktober 1991 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach der Übersiedlung seiner Mutter aus der DDR nach Westdeutschland 1966 wuchs Schernikau in Lehrte bei Hannover auf.

1976 wurde er Mitglied in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Noch vor seinem Abitur am Lehrter Gymnasium erschien 1980 die Kleinstadtnovelle im Rotbuch Verlag. Das Buch über schwules Coming Out in einer Kleinstadt wurde ein erster bemerkenswerter Erfolg, die Erstauflage war nach wenigen Tagen vergriffen. Die Lektoren hielten das Geburtsdatum des Autors für eine Fiktion.

Im selben Jahr zog Schernikau nach West-Berlin, wo er Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW) wurde und an der FU Germanistik, Philosophie und Psychologie studierte. Er trat als Tuntendiva auf und arbeitete mit dem Ensemble »ladies neid«.

Von 1986 bis 1989 studierte Schernikau am Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ in Leipzig, wo er als West-Berliner nur mit erheblichen Schwierigkeiten zugelassen wurde. 1988 nahm er an einem Aufbaustudiengang teil. Im Mai 1988 legte er seine Abschlussarbeit vor, die er später unter dem Titel die tage in l. veröffentlichte.

Ebenfalls in diese Zeit fällt der größere Teil des Briefwechsels mit Peter Hacks, zu dem Schernikau bereits von West-Berlin aus Kontakt aufgenommen hatte. Schernikau stellte Hacks darin die Frage, ob er in die DDR übersiedeln solle. Dieser antwortet ihm, dass, wenn er ein großer Dichter werden wolle, er keine andere Wahl habe, als in die DDR zu kommen. Sie allein stelle „auf ihre entsetzliche Weise“ die Fragen des Jahrhunderts.

1989 erwarb Schernikau die Staatsbürgerschaft der DDR und siedelte am 1. September 1989 nach Berlin-Hellersdorf über, wo er als Hörspieldramaturg des Henschel-Verlages lebte. Auf dem Kongress des Schriftstellerverbands der DDR vom 1. bis 3. März 1990 hielt er eine vielbeachtete Rede, in der er die Entwicklung in der DDR nach Öffnung der Grenzen als Konterrevolution bezeichnete.

1991 vollendete er seinen umfangreichen Montageroman legende.

Ronald M. Schernikau starb am 20. Oktober 1991 an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung. Er liegt begraben auf dem Friedhof der St.-Georgen-Gemeinde in Berlin-Friedrichshain.

Grab Ronald M. Schernikaus auf dem Friedhof der St.-Georgen-Parochialgemeinde Berlin, Friedenstraße

Wirkung

So eindeutig sich Schernikau zu seiner Homosexualität und zu seiner kommunistischen Ausrichtung bekannte, so eindeutig entzog er sich Instrumentalisierungen.

Sein Hauptwerk, die Montage legende, konnte erscheinen, nachdem namhafte Autoren wie u. a. Peter Hacks, Elfriede Jelinek, Sahra Wagenknecht, Dietrich Kittner und Hermann L. Gremliza sich privat und öffentlich für die Subskription einer Vorzugsausgabe eingesetzt hatten.

Werke

Hier sind nur die separat erschienenen Schriften aufgeführt; Artikel, Gedichte und kleinere Schriften bleiben unberücksichtigt.

  • Kleinstadtnovelle. Rotbuch, Berlin 1980; NA Hamburg: Konkret Literatur Verlag 2002.
  • die heftige variante des lockerseins. ein festspiel. Selbstverlag, Berlin 1981.
  • petra. ein märchen. Mit Grafiken von Uliane Borchert, Mariannenpresse, Berlin 1984.
  • die schönheit. Uraufführung Berlin 4. Dezember 1987.
  • die tage in l. – darüber, daß die ddr und die brd sich niemals verständigen können, geschweige mittels ihrer literatur. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1989; NA Hamburg: Konkret Literatur Verlag 2001.
  • das märchen von der blume. Mit Grafiken von Uliane Borchert, Selbstverlag, Berlin 1990.
  • Dann hätten wir noch eine Chance – Briefwechsel mit Peter Hacks; Texte aus dem Nachlaß. Konkret, Hamburg 1992 (Konkret Texte 1).
  • legende. ddp goldenbogen, Dresden 1999.
  • Königin im Dreck. Texte zur Zeit. (Hrsg.: Thomas Keck), Verbrecher Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-940426-34-5.

Literatur

  • Karl-Ludwig Stenger: Introduction to small-town-story. In: New German Critique 23/1981.
  • Tomas Vollhaber: Das Nichts, die Angst, die Erfahrung: Untersuchung zur zeitgenössischen schwulen Literatur. Berlin 1987 (Homosexualität und Literatur 1).
  • Wolfgang Popp: Erinnerung an Ronald M. Schernikau: Aus Anlaß seines Todes. In: Forum Homosexualität und Literatur, H. 14, 1992.
  • Runge, Erika / Ronald M. Schernikau: »… lieben, was es nicht gibt«. Ein Gespräch. In: Forum Homosexualität und Literatur 15 (1992), S. 69–88.
  • Rainer Bohn: „ich muntere auf. das ist alles.“ Das kurze Leben des Dichters Ronald M. Schernikau. In: Ronald M. Schernikau: Dann hätten wir noch eine Chance. Briefwechsel mit Peter Hacks; Texte aus dem Nachlaß. Hamburg 1992 (Konkret Texte 1).
  • Dirck Linck: Zum Glück bedeuten die Wörter für jeden etwas anderes. In: Dirck Linck und Jürgen Peters (Hg.): Von Dichterfürsten und anderen Poeten. Kleine niedersächsische Literaturgeschichte. Revonnah Verlag, Hannover 1996, ISBN 3-927715-30-1.
  • Karen-Susan Fessel/Axel Schock: Ronald M. Schernikau. In: Out! 600 Lesben, Schwule & Bisexuelle. Berlin 1997.
  • Axel Schock: Ronald M. Schernikau, Kleinstadtnovelle. In: Die Bibliothek von Sodom. Ein Vademecum der schwulen Bücher. Frankfurt am Main 1997.
  • Bernd-Ulrich Hergemöller: Ronald M. Schernikau. In: Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mann-männlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Hamburg 1998.
  • Matthias Frings: Der letzte Kommunist. Das traumhafte Leben des Ronald M. Schernikau. Aufbau-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-351-02669-1.

Weblinks


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