Romanik

Romanik
Das Hauptschiff des Speyerer Doms

Der Begriff Romanik (auch: romanischer/ vorgotischer Stil) beschreibt eine kunstgeschichtliche Epoche in der Zeit zwischen etwa 1000 und 1200 nach Christus, deren Stilmerkmale jedoch in manchen Gebieten bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts beibehalten wurden. Die Romanik ist die erste große europäische Kunstepoche seit dem Ende der Antike mit dem Untergang Roms im 5. Jahrhundert. Als „typisches Erkennungsmerkmal“ romanischer Bauten gilt der Rundbogen, häufig in Verbindung mit wuchtigen Steinmassen. Der der Romanik nachfolgende Bau- und Kunststil ist die Gotik.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Die Bezeichnung romanesque wurde erstmals 1818 vom französischen Gelehrten Charles de Gerville für den Rundbogenstil verwendet und bereits 1819 in England von William Gunn eingesetzt.[1] Der Begriff wurde als Hinweis auf die Verwandtschaft zur römischen Architektur gewählt, von der Rundbogen, Pfeiler, Säulen und Gewölbebau übernommen waren. Er ist analog zum Begriff der „romanischen Sprachen“ gebildet, der die aus der römisch-lateinischen Sprache hervorgehenden Volkssprachen des Mittelalters bezeichnet.

Die romanische Baukunst

Nürnberger Burg, Romanischer „Heidenturm“ von Osten
Hauptartikel: Vorromanik

Typisch für die romanische Baukunst sind Rundbögen, dicke, festungsartige Mauern (besonders in den Westbauten) mit kleinen Fenstern sowie Würfelkapitelle auf den Säulen. In frühromanischer Zeit finden sich flache Kassettendecken, später Kreuzgratgewölbe. Der romanische Kirchenbau wird bestimmt durch die Einführung der Überwölbung großer Raumweiten. Die Größe und Mächtigkeit der Kirchen romanischen Stils sollte die Allmacht Gottes und die Stärke des Christentums verdeutlichen.

Eine eindeutige Abgrenzung der Romanik von vorhergehenden Stilepochen scheint nicht möglich. Andreas Hartmann-Virnich spricht von einem „anhaltenden Einfluss der spätantiken und frühmittelalterlichen Bautypen und Architekturformen“ sowie von einer kontinuierlichen Architekturentwicklung.[2]

Der Romanik voraus gingen die vorromanischen Epochen der merowingischen, karolingischen und ottonischen Kunst, deren Baudenkmäler bereits Elemente des romanischen Stils enthalten. Es sind jedoch nur sehr wenige Bauwerke aus diesen frühen Zeiten erhalten, so dass generelle Aussagen nur unter Vorbehalt möglich sind; eine Ausnahme bildet beispielsweise der Aachener Dom. Der Übergang von der Vorromanik zur Romanik wird für Frankreich um 1000, für Deutschland um 1020/1030 (Hildesheimer Michaeliskirche ab 1010, Speyerer Dom ab 1025, Klosterkirche Limburg an der Haardt ab 1025) angesetzt. In Polen hingegen mit der Krönung von Kasimir I. dem Erneuerer im Jahre 1038. Mit der Errichtung der Kreuzfahrerstaaten erreichte die Romanik aber auch die Levante.

Die Romanik in Deutschland lässt sich in Früh-, Hoch- und Spätromanik einteilen. Eine genaue zeitliche Abgrenzung zur Gotik ist wegen des fließenden Überganges nicht möglich.

Siehe auch

Stilphasen

Frühromanik

Die frühe Romanik wurde wesentlich von den jungen Klostergemeinschaften, die überall in Europa entstanden, entwickelt, in denen nach dem Untergang Roms erstmals wieder auch weltliches Wissen systematisch gesammelt und durch Forschung erweitert wurde.

Innenansicht der Abteikirche Ottmarsheim

Die Urform des romanischen Kirchenbaus orientierte sich am römischen Profanbau der Basilika, die aus einem mittleren Hauptschiff und zwei niedrigeren Seitengängen (Seitenschiffe) bestand, welche durch längs laufende Säulenreihen voneinander getrennt waren. Diese Grundform wurde später weiterentwickelt und durch das Querschiff ergänzt und findet noch einen Anklang in der gotischen Kathedrale. Eine andere frühe Bauform war der Zentralbau, der sich um einen zentralen Raum gruppiert. Ein repräsentatives Beispiel findet man mit der Abteikirche im elsässischen Ottmarsheim. In einigen frühen romanischen Bauwerken finden sich noch originale antike Bauteile wie Kapitelle oder Säulen (Spolien), die aus Italien importiert worden waren und als Ideengeber dienten. Daraus entwickelte sich dann eine eigene Formensprache.

Die wachsenden ökonomischen und technischen Voraussetzungen ermöglichten später enorme Leistungen in der Baukunst. Die größte Kirche war die Abteikirche von Cluny. Sie bestand aus einer fünfschiffigen, tonnengewölbten Basilika mit zwei Ostquerhäusern und einem Chor mit Umgang und Kapellenkranz. Der Speyerer Dom war die größte Kirche der salischen Kaiser und diente zugleich als deren Grablege. Der Speyerer Dom war eine durchgehend mit Kreuzgewölben überdeckte Basilika mit einer großen Krypta. Zu den großen Bauten der Frühromanik kann man auch den Mainzer Dom zählen, der zwar als ottonischer Bau der Vorromanik 975 begonnen wurde, allerdings schon 1009 großenteils abbrannte und im Wesentlichen romanisch neu errichtet wurde. Seine Maße dienten den Domen zu Speyer und Worms als Vorbild.

Hochromanik

In der Hochromanik spielte Bauschmuck eine große Rolle. Hinzu kamen mehr und mehr freistehende figürliche Bildwerke, die oft aus Holz (Triumphkreuze, Madonnenfiguren, Lettnerfiguren), aber auch aus Bronze (Braunschweiger Löwe, Wolframleuchter in Erfurt) gearbeitet wurden. Italienische Einflüsse sind wahrscheinlich, so zunächst wohl bei der Quedlinburger Stiftskirche mit ihrem vielfältigen bauplastischen Schmuck. Kennzeichen der Hochromanik ist auch die Einführung des Großgewölbebaus, der erstmals beim Speyerer Dom verwirklicht werden konnte, als dieser um 1100 umgebaut wurde.

Eine bildnerische Prachtentfaltung ist danach z. B. bei der Benediktiner-Abteikirche „St. Peter und Paul“ (Kaiserdom Königslutter) festzustellen; in einem teilweise engen Zusammenhang stehen Bauten z. B. in Hildesheim (St. Godehard; Michaeliskirche, Langhaus und Kreuzgang), Goslar, Braunschweig, Magdeburg und Halberstadt.

Die Sonderformen der Romanik in England werden mit dem Begriff Norman Style bezeichnet. In Sizilien ist die Romanik durch eine arabisch-byzantinisch-normannische Symbiose in der Kunst gekennzeichnet.

Spätromanik

Typische Doppelturmfasade, Notre Dame la Grande (Poitiers), erbaut 1150

Die Spätromanik war weitestgehend auf den deutschen Raum beschränkt, während sich in Frankreich und England bereits das Bauen in gotischen Formen durchgesetzt hatte. Die Spätromanik zeichnet sich durch Vielseitigkeit von Baukörpern und Innenräumen aus, die mit großer Zierfreude gebaut wurden. Analog zu den französischen Bauten wurden verstärkt Doppelturmfassaden gebaut, teils auch in Verbindung mit prächtig ausgebildeten Vierungstürmen. Die für die Gotik typische Vertikalisierung der Bauformen fand in Deutschland teilweise auch schon in der Spätromanik statt, Spitzbögen begannen die für die Romanik üblichen Rundbögen zu ersetzen. Prächtiges Beispiel für diesen Stil ist der Limburger Dom (ca.1190-1235) mit Doppelturmfassade und einzelnen Spitzbögen. Die Spätromanik ist also teilweise schon Übergangsstil zur Gotik.

Die Romanik wurde in Frankreich ab etwa 1140 (St. Denis), in England 1175 (Chorneubau der Kathedrale von Canterbury) und in Deutschland um 1235 (Elisabethkirche in Marburg, Liebfrauenkirche in Trier) durch die Gotik abgelöst.

Profanbauten

Aus der Romanik sind auch die ältesten Profanbauten erhalten, darunter Wohnhäuser (Cluny, Dreikönigenhaus in Trier, „Heidenhaus“ in Rosheim, romanisches Haus in Bad Münstereifel, die Steinwerke von Osnabrück), Pfalzen und Burgen. In Südtirol gibt es im ladinischen Kulturbereich noch romanische Bauernhäuser, sie gehören dort zum frühesten Typ ladinischer Häuser.

Romanik in weiteren Gattungen

Die künstlerischen Erzeugnisse sind vorwiegend in Buchmalerei, Plastik und Wandmalerei erhalten geblieben. Werke der Romanik zeichnen sich vor allem durch einen geringen Naturalismus und hohen Symbolismus aus. Die Skulpturen und Malereien zeigen oftmals drastische Motive. Besonders in der Wandmalerei wurden häufig hierarchische Strukturen durch die Bedeutungsperspektive und abgestufte Anordnung dargestellt.

Neuromanik

Hauptartikel: Neuromanik

Die Neuromanik, auch Neoromanik genannt, ist ein europäischer Kunststil des 19. Jahrhunderts. Künstler, vor allem Architekten, griffen damals auf Vorbilder der vergangenen zwei Jahrtausende zurück – in diesem Falle auf die Romanik. Zusammen mit der Neugotik, Neorenaissance, Neubarock und der Vereinigung mehrerer dieser Stilrichtungen in einem Werk (sog. Eklektizismus) werden sie gemeinsam in der Stilgeschichte als Historismus bezeichnet.

Touristik und Romanik

Literatur

  • R. Toman, A. Bednorz: Romanik. Architektur - Skulptur - Malerei. Könemann im Tandem-Verlag, 2004, ISBN 3-8331-1039-2.
  • H. E. Kubach: Romanik. In der Reihe: Weltgeschichte der Architektur. Dt. Verl.-Anstalt, Stuttgart 1986, ISBN 3-421-02858-3.
  • Andreas Hartmann-Virnich: Was ist Romanik? Geschichte, Formen und Technik des romanischen Kirchenbaus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-14286-1.

Einzelnachweise

  1. Andreas Hartmann-Virnich: Was ist Romanik? Geschichte, Formen und Technik des romanischen Kirchenbaus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, S. 74
  2. Andreas Hartmann-Virnich: Was ist Romanik? Geschichte, Formen und Technik des romanischen Kirchenbaus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, S. 74
  3. Transromanica. Wege der Romanik in Europa

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Romanische Architektur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Romanische Plastik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Romanische Malerei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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