Roger Bacon

Roger Bacon
Statue Roger Bacons, Universität Oxford: Museum für Naturgeschichte

Roger Bacon (* 1214 nahe Ilchester in Somerset; † 1292 oder 1294 in Oxford), genannt Doctor Mirabilis (Latein: "wunderbarer Lehrer"), war ein englischer Franziskaner-Mönch und Philosoph und gilt als einer der ersten Verfechter empirischer Methoden.

Die Jahresangaben sind unsicher; die Quellen differieren erheblich

Inhaltsverzeichnis

Leben

Roger Bacons Familie entstammte der oberen Mittelschicht, jedoch wurde während der Herrschaft Heinrichs III. das Vermögen beschlagnahmt und zahlreiche Mitglieder der Familie ins Exil vertrieben.

Roger Bacon studierte an der Universität Oxford, hielt dann Vorlesungen über Aristoteles und pseudo-aristotelische Schriften. Er wurde vermutlich 1233 Baccalaureus und ging nach Frankreich, um an der Universität Paris zu arbeiten, die das damalige Zentrum des intellektuellen Lebens in Europa war. An der Fakultät der Artes hielt er vielbesuchte Vorlesungen. Etwa 1245 kehrte er nach Oxford zurück. Er schloss Freundschaft mit einflussreichen Personen wie Adam de Marisco und Robert Grosseteste, Bischof von Lincoln, (der das Studium der griechischen Sprache propagierte, um Aristoteles und die Bibel im „Original“ zu studieren). Er studierte Mathematik (die auch Astronomie und Astrologie umfasste), Alchemie und Optik und widmete sich dem Erlernen von Sprachen und der experimentellen Forschung. Für seine Studien – die eine deutliche Abkehr von der bei seinen Kollegen üblichen Tätigkeit bedeuteten – setzte er beträchtliche Mittel aus dem Familienvermögen ein.

Nachdem er sich rund zehn Jahre lang intensiv mit seinen Forschungen beschäftigt hatte, trat er – körperlich und seelisch erschöpft– dem Franziskanerorden bei. Dort allerdings geriet er bald in Verdacht, „gefährliche“ Lehren zu verbreiten und wurde unter strenge Aufsicht gestellt. Wieder im Pariser Konvent geriet er in Konflikt mit der Weisung des Bonaventura von Bagnoregio, wonach vor Veröffentlichungen die Zustimmung der Ordensoberen einzuholen war. Als auch die Familie ihn nicht mehr finanziell unterstützen konnte, suchte er einen Förderer und glaubte, diesen in Kardinal Guy le Gros de Foulques, der sich sehr für seine Ideen interessierte, gefunden zu haben. 1266/1267 verfasste er für diesen (unter Umgehung des Verbots seiner Oberen) in rascher Folge drei Schriften: das Opus maius, das Opus minus und sein Opus tertium. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus, da sein Gönner - der 1265 zum Papst (Clemens IV.) gewählt worden war - im Jahr 1268 verstarb. In den folgenden Jahren verfasste er weitere Schriften: die Communia naturalium, die Communia mathematica und das Compendium philosophiae.

Etwa 1278 wurde er unter Arrest gestellt; die Gründe waren wohl seine ungezügelten Angriffe gegen die Scholastiker und sein Hang zum Mystizismus (besonders den Prophezeiungen des Joachim de Fiore). 1292 wurde er aus dem Arrest entlassen und fasste seine Thesen noch einmal in einem Compendium studii theologiae zusammen, in dem er die zeitgenössischen Theologen scharf kritisierte. Im Juni 1292 (oder 1294) verstarb er. Obwohl er von seinen Zeitgenossen doctor mirabilis (bewundernswerter Lehrer) genannt wurde, hatte er keine Schüler und wurde bald vergessen.

Leistung

Buchseite über Optik aus Roger Bacons Werk Opus Maius aus dem Jahr 1267

Die wissenschaftliche Ausbildung, die Bacon genossen hatte, resultierte aus dem Studium der arabischen Autoren des Mittelalters, die Aristoteles (bzw. diesem zugeschriebene Schriften) als den Größten ansahen. Sie zeigten die Mängel der akademischen Ausbildung im Okzident auf: Aristoteles war allerdings nur durch schlechte Übersetzungen bekannt. Kaum einer der Professoren beherrschte die Griechische Sprache. Gleiches galt für die Heilige Schrift. Die Gesetze der Natur wurden nicht durch Erkenntnis nach aristotelischer Weise erkannt, sondern als gottgeschaffenes immerwährendes Sein. Die beiden größten Orden, die Franziskaner und Dominikaner, hatten – obwohl noch jung – schnell die Führung in der theologischen Diskussion übernommen. Bacon lehnte schließlich die Scholastik völlig ab. Der einzige Dozent, den er anerkannte, war "Petrus de Maharncuria Picardus" bzw. "Petrus aus der Picardie", (vermutlich identisch mit dem Mathematiker Petrus Peregrinus aus der Picardie). In Bacons Opus Minus und dem Opus Tertium ergießt sich ein gewaltiger Schwall von Schmähungen über Alexander von Hales (den er noch in Paris bewundert hatte) und einen weiteren Dozenten, der "nur lernte, indem er andere unterrichtete". Seine dogmatischen Schriften eröffneten ihm in Paris eine Gleichstellung mit Aristoteles, Avicenna und Averroes. Sie zeigen, dass er Aristoteles-Anhänger war, wenngleich mit deutlichen Anleihen beim Neuplatonismus. An der Wirksamkeit magischer Praktiken zweifelte er ebenso wenig wie seine Zeitgenossen; es sei aber schwierig (meinte er), zwischen Magie und (empirischer) Wissenschaft zu unterscheiden.

Er hatte sich aus arabischen und griechischen Schriften sowie durch eigene Beobachtung eine ungewöhnliche Kenntnis der Wissenschaften angeeignet und versuchte, auf diesen Grundlagen ein System der Erfahrungsphilosophie zu errichten, das er der Scholastik entgegensetzte. Er nannte vier offendicula (Hindernisse), die uns den Weg zur wahren Naturerkennung versperren: 1. Respekt vor Autoritäten, 2. Gewohnheit, 3. Abhängigkeit von den marktgängigen Meinungen der Menge und 4. Unbelehrbarkeit unserer natürlichen Sinne (insofern war er ein Vorgänger seines Namensvetters Sir Francis Bacon).

Bereits in seinen Schriften für Klemens IV. rief Bacon zu einer Reform des theologischen Studiums auf. Philosophische Haarspaltereien sollten weniger betont werden, als es in der Scholastik der Fall war. Stattdessen sollte die Bibel selbst wieder in den Mittelpunkt rücken. Das Studium der heiligen Schrift sollte in der originären Sprache erfolgen. (Die Fehlübersetzungen und Fehlinterpretationen waren Legion.) Ferner drängte er daher die Theologen, die gesamten Wissenschaften zu studieren, um sie der universitären Ausbildung hinzuzufügen.

Er wies die blinde Gefolgschaft früherer Autoritäten von sich, sowohl in theologischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht. Sein Opus Maius enthielt Kapitel über Mathematik und Optik, Alchemie und die Herstellung von Schwarzpulver sowie die Position und Größe von Himmelskörpern. Er beschrieb richtig die Gesetze der Spiegelung und der Lichtbrechung, untersuchte das Zustandekommen des Regenbogens sowie den Zusammenhang der Gezeiten mit der Mondposition. Auch die Brille soll er - basierend auf Vorarbeiten von Alhazen - erfunden haben. Zugleich soll er Erfindungen wie das Mikroskop, das Teleskop, fliegende Maschinen und Dampfschiffe vorausgesagt haben. Bacon glaubte, dass die Himmelskörper Einfluss auf das Schicksal und den Geist der Menschen ausübten. Er kritisierte den Julianischen Kalender, der damals noch benutzt wurde.

Bacon über die Rolle der Mathematik

In Bacons Hauptwerk Opus maius schreibt Bacon über die Rolle der Mathematik: "Alle Dinge des Himmels (dazu zählen für Bacon auch die Engel) können nur durch Quantitäten erfasst werden, wie in der Astronomie ganz offensichtlich. Über Quantitäten aber handelt die Mathematik. Auch hängt die Kraft aller logischen Operationen von der Mathematik ab. [...] Die Erkenntnis der, mathematischen Gegenstände ist uns gewissermaßen angeboren. Sie gehen also aller Erkenntnis und Wissenschaft voraus, [...] so ist sie die erste aller Wissenschaften. Sie erst ermöglicht es uns, wissenschaftlich" zu, arbeiten. [...] Nur in der Mathematik gelängen wir zur vollen, irrtumslosen Wahrheit, zu einer Gewissheit ohne Irrtum. [...] Nur mit Hilfe der Mathematik kann man wirklich wissen und alle anderen Aussagen verifizieren, denn in jeder Wissenschaft ist nur so viel an Wahrheit enthalten, wie in ihr Mathematik steckt. [...] Nachdem ich also gezeigt habe, dass man in der Philosophie nur etwas wissen kann, wenn man in der Mathematik Bescheid weiß, und Theologie nicht ohne Philosophie verstanden werden kann, folgt, dass jeder Theologe Mathematik beherrschen muss. Der Theologe muss ausgezeichnet über die geschaffenen Dinge orientiert sein, das aber kann er nicht ohne Mathematik. Die Mathematik kommt dem göttlichen Denken am nächsten."[1]

Bacon über die Rolle der Erfahrung und des Experimentes

"In den Naturwissenschaften kann man ohne Erfahrung und Experiment nichts Zureichendes wissen. Das Argument aus der Autorität bringt weder Sicherheit, noch beseitigt es Zweifel. [...] Mittels dreier Methoden können wir etwas wissen: durch Autorität, Begründung und Erfahrung. Die Autorität nützt nichts, wenn sie nicht auf Begründung beruht: Wir glauben einer Autorität, sehen aber nichts ihretwegen ein. Doch auch die Begründung führt nicht zu Wissen, wenn wir nicht ihre Schlüsse durch die Praxis (des Experiments) überprüfen. [...] Über allen Wissenschaften steht die vollkommenste von ihnen, die alle anderen verifiziert: Es ist das die Erfahrungswissenschaft, die die Begründung vernachlässigt, weil sie nichts verifiziert, wenn nicht das Experiment ihr zu Seite steht. Denn nur das Experiment verifiziert, nicht aber das Argument."[2]

Würdigung

Mit seiner Forderung, sich von den Autoritäten ab- und den realen Dingen zuzuwenden, war Roger Bacon zweifellos ein – unzeitgemäßer – Vorläufer des diesseitsbezogenen Denkens der Renaissance. Doch obwohl er die Erfahrung in die Wissenschaft einbringen wollte, war sein Denken noch stark alchemistisch und mystisch geprägt. Rund vier Jahrhunderte später erinnerten sich die Aufklärer in Oxford an ihren „Vorgänger“ und erhoben ihn zum "mutigen Vorkämpfer des Empirismus" gegen mittelalterliche Scholastik. Ob er dies war, stellt folgendes Zitat wiederum infrage:

„Wenn die Wahrheit der Philosophie beeinträchtigt wird, so leidet die Theologie Schaden; denn es ist ihre Aufgabe, die Macht der Philosophie zu gebrauchen, nicht als Selbstzweck, sondern um die Kirche zu lenken, die Gemeinde der Gläubigen zu führen und bei der Bekehrung der Ungläubigen zu helfen…"

Bei dieser Aussage dürfen wir nicht vergessen, dass in jener Zeit gerade die mutigsten eigener Überzeugung mit Verbeugungen vor der christlichen Tradition abgefedert werden mussten.

Bacon wurde und wird mitunter als (Mit-)Urheber des sog. Voynich-Manuskripts angesehen.

Literatur

  • Hans Bauer: Der wunderbare Mönch. Koehler & Amelang, Leipzig 1963 (ohne ISBN).
  • Nicolaus Equiamicus (Bearbeiter): Die Geisterwelt. Eine Schatzkammer des Wunderglaubens. Luise Bernhardi zugeschrieben. Ubooks, Diedorf 2008, ISBN 978-3-86608-086-7 (Enthält ein ausführliches Kapitel über den Alchemisten Bacon).
  • Mara Huber-Legnani: Roger Bacon, Lehrer der Anschaulichkeit. Der Franziskanische Gedanke und die Philosophie der Einzelnen. In: Hochschulsammlung Philosophie. Band 4, Hochschulverlag, Freiburg in Breisgau 1984, ISBN 3-8107-2195-6 (Zugleich Dissertation an der Universität Freiburg 1994).
  • Michael Kuper: Roger Bacon. Der Mann, der Bruder Williams Lehrer war. In: Biografie. Band 3, Zerling, Berlin 1996, ISBN 3-88468-059-5.
  • Günther Mensching: Roger Bacon.. Aschendorff, Münster 2009, ISBN 978-3-402-15670-4. [3]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zitiert aus: Rupert Lay, Die Ketzer, Von Roger Bacon bis Teilhard, Albert Langen ·Georg Müller Verlag 1981, 33)
  2. Zitiert aus: Rupert Lay, Die Ketzer, Von Roger Bacon bis Teilhard, Albert Langen ·Georg Müller Verlag 1981, 34f.)
  3. Vgl. Udo Reinhold Jeck: Rezension zu: Mensching, Günther: Roger Bacon. Münster 2009. In: H-Soz-u-Kult, 29. Juni 2010.

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