Riemannsche ζ-Funktion

Riemannsche ζ-Funktion
Die riemannsche Zeta-Funktion in der komplexen Ebene
Die in obigem Bild verwendete Kolorierung der komplexen Funktionswerte: Positive reelle Werte sind rot gefärbt.

Die riemannsche ζ-Funktion (Zeta-Funktion nach Bernhard Riemann) ist eine Funktion, die in der analytischen Zahlentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, eine wichtige Rolle spielt. Ihre Bedeutung liegt darin, dass ihre Nullstellen im Komplexen Auskunft über Primzahlen, ihre Verteilung und über deren Eigenschaften geben. Zudem ist sie eine bedeutende Dirichlet-Reihe, die in vielen Disziplinen Anwendungen hat.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Für komplexe Zahlen s\in\mathbb C, deren Realteil größer als 1 ist, ist die Zeta-Funktion definiert durch die Dirichlet-Reihe

\zeta(s) = \sum_{n=1}^\infty\frac1{n^s}=1+\frac1{2^s}+\frac1{3^s}+\frac1{4^s}+\cdots.

Diese Formel ist trotz ihrer Beschränkung des Definitionbereiches auf die um 1 verschobene rechte Hälfte der komplexen Zahlenebene die Basis für alle anderen Darstellungen der Zeta-Funktion. Um die Riemannsche Zeta-Funktion für alle Zahlen der komplexen Zahlenebene (mit Ausnahme der Zahl 1) berechnen zu können, bedient man sich des Konzepts der analytischen Fortsetzung.

Euler-Produkt

Die ζ-Funktion lässt sich aufgrund der eindeutigen Zerlegung natürlicher Zahlen in Primzahlen für \scriptstyle\mathrm{Re}\,s>1 auch als Produkt (Euler-Produkt) schreiben:

\zeta(s) = \prod_{p\ \mathrm{prim}}\frac1{1-\frac{1}{p^s}}=\frac1{(1-\frac{1}{2^s})(1-\frac{1}{3^s})(1-\frac{1}{5^s})\cdots}.

Funktionalgleichung

Auf ganz \mathbb C gilt als Identität zwischen meromorphen Funktionen

\zeta(1-s) = {2\over (2\pi)^s}\,\cos\frac{\pi s}2\,\Gamma(s)\,\zeta(s).

Aus dieser geht durch einfache Umformung die alternative Darstellung


\zeta(s) = 2^s\pi^{s-1}\,\sin\frac{\pi s}{2}\,\Gamma(1-s)\,\zeta(1-s)

für alle s in \mathbb{C} \setminus \lbrace{ 0,1 \rbrace} hervor.

Eigenschaften

Die ζ-Funktion ist eine in ganz  \mathbb{C} \setminus\{ 1 \} holomorphe Funktion, das bedeutet, dass sie an allen Stellen außer s = 1 ableitbar ist. Darüber hinaus ist sie in ganz  \mathbb{C} meromorph.

An der Stelle s = 1 besitzt sie (aufgrund der Divergenz der harmonischen Reihe) einen Pol erster Ordnung mit Residuum 1, d.h. es gilt:

 \lim_{s \to 0} s \cdot \zeta(s + 1) = 1.
Jede auf dem Streifen definierte holomorphe Funktion wird beliebig genau approximiert.

Universalitätssatz von Woronin

Nach dem Universalitätssatz von Woronin ist die Riemannsche ζ-Funktion im Stande, jede beliebige (holomorphe) Funktion in einer nullstellenfreien Kreisscheibe mit Radius 1/4 beliebig genau zu approximieren.

Formal ausgedrückt: sei U eine zusammenhängende, kompakte Teilmenge (Gebiet) des Streifens  S := \{s \in \mathbb{C} | \, 1/2 < \mathrm{Re} s < 1 \}  .

Sei  f : U \to \mathbb{C} nun eine in ganz U holomorphe Funktion, die außerdem für kein  s \in U verschwinde. Es existiert dann für jedes  0 < \epsilon ein  0 \leq \tau , so dass

 |\zeta (s + i \tau) - f (s) | < \epsilon

für alle  s \in U .

Die Aussage, dass sich die ζ-Funktion selbst über den Universalitätssatz approximieren lässt, ist äquivalent zur Riemannschen Vermutung.[1]

Erzeugende Funktion

Die erzeugende Funktion der Folge ζ(n) mit n = 2,3,4,5,... für alle | z | < 1 ist:

 \sum_{n=2}^\infty \zeta(n)z^{n-1} = - \gamma - \psi(1-z),

wobei ψ(z) hier die Digamma-Funktion und γ die Euler-Mascheroni-Konstante bezeichnet. Reduziert man die Reihe auf alle geraden Terme, so ergibt sich[2]:

 \sum_{n=1}^\infty \zeta(2n)z^{2n-1} = \frac{1 - \pi z \cot(\pi z)}{2z}.

Ableitung

Ein Ableitungsausdruck der ζ-Funktion ergibt sich aus gliedweiser Differenzierung ihrer Dirichletreihe:

 \zeta'(s) = \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}s} \left(1 + \frac{1}{2^s} + \frac{1}{3^s} + \frac{1}{4^s} + \cdots \right) = - \left(\frac{\ln 2}{2^s} + \frac{\ln 3}{3^s} + \frac{\ln 4}{4^s} + \cdots \right) = -\sum_{n=2}^\infty \frac{\ln n}{n^s}.

Somit ist ihre Ableitung die Dirichlet-erzeugende Funktion der Folge an = − ln n.

Für die k -te Ableitung gilt allgemein:

 \zeta^{(k)}(s) = (-1)^k \, \sum_{n=2}^\infty \frac{(\ln n)^k}{n^s}.

Hierbei sei natürlich wieder Res > 1 vorausgesetzt.

Spezielle Funktionswerte

Funktionswerte für gerade natürliche Zahlen

Für eine positive ganze Zahl n ist

\zeta(2n) = (-1)^{n-1}\,\frac{(2\pi)^{2n}}{2(2n)!}\,B_{2n}.

Beispielsweise ist

\zeta(2) = \frac1{1^2}+\frac1{2^2}+\frac1{3^2}+\frac1{4^2}+\cdots=\frac{\pi^2}6,\quad\zeta(4) = \frac{\pi^4}{90},\quad\zeta(6) = \frac{\pi^6}{945}.

Diese Formeln wurden von Euler entdeckt und 1735 in seiner Arbeit De Summis Serierum Reciprocarum erstmals veröffentlicht. Das Auffinden des Werts von ζ(2) ist auch als das Basler Problem bekannt.

Daneben gibt es auch eine höchst bemerkenswerte Rekursionsformel

\zeta(2n) = \frac{1}{n+{1\over 2}} \cdot\sum_{k=1}^{n-1} \zeta(2k) \cdot \zeta(2(n-k))

für natürliche Zahlen n\geq 2, die allerdings Euler noch nicht bekannt war.[3]

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gewählte Zahl quadratfrei ist, ist gleich \frac{1}{\zeta(2)}=\frac{6}{\pi^2}, genauer: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei zufällig gewählte Zahlen kleiner als N teilerfremd sind, konvergiert für N\rightarrow\infty gegen diesen Wert.

Allgemeiner: Die Wahrscheinlichkeit, dass n (zufällig) gewählte Zahlen teilerfremd sind, ist  \frac{1}{\zeta(n)} . [4]

Funktionswerte für ungerade natürliche Zahlen

Über den Wert der Zeta-Funktion für ungerade natürliche Zahlen ist nur sehr wenig bekannt. Beispielsweise weiß man, dass die Apéry-Konstante ζ(3) irrational ist.

Die Dezimalentwicklungen der ersten ungeraden Zeta-Werte sind:

\zeta(3) = 1{,}202056903159594285399738 \ldots   (Folge A002117 in OEIS)
\zeta(5) = 1{,}036927755143369926331365 \ldots    (Folge A013663 in OEIS)
 \zeta(7) = 1{,}008349277381922826839798 \ldots   (Folge A013665 in OEIS)
 \zeta(9) = 1{,}002008392826082214417853 \ldots   (Folge A013667 in OEIS)

Funktionswerte für nichtpositive ganze Zahlen

Aus der Funktionalgleichung und Eulers Formel für gerade Zeta-Werte gelangt man für eine natürliche Zahl n > 0 zu:

 \zeta(1 - 2n) = \frac{2}{(2\pi)^{2n}} \, \cos(\pi n) \, (2n-1)! \, (-1)^{n-1}\frac{(2\pi)^{2n}}{2(2n)!}B_{2n} = - \frac{B_{2n}}{2n}.

Aus Bn = 0 für ungerade n geht schließlich die für alle natürlichen Zahlen k > 0 gültige Darstellung

\zeta(1-k)=-\frac{B_k}k

hervor, mit deren Hilfe man insbesondere

\zeta(-2) = \zeta(-4) = \zeta(-6) = \cdots = 0

ableiten kann. Weitere Werte sind

\zeta(0) = -\frac12,\quad\zeta(-1)=-\frac1{12},\quad\zeta(-3)=\frac1{120}.

Funktionswerte für halbzahlige Argumente

Auch die Funktionswerte für halbzahlige Argumente sind interessant, und zwar gilt

\zeta(1/2) = -1{,}4603545088095868 \ldots   (Folge A059750 in OEIS),
\zeta(3/2) = 2{,}6123753486854883 \ldots   (Folge A078434 in OEIS).

Dieser Wert wird u. a. in der Physik bei der Berechnung der kritischen Temperatur für die Ausbildung eines sog. Bose-Einstein-Kondensats und in der Spinwellen-Theorie bei magnetischen Systemen benötigt.

\zeta(5/2) = 1{,}3414872572509171 \ldots,
\zeta(7/2) = 1{,}1267338673170566 \ldots.

Nullstellen

In Blau ist der Realteil und in Rot der Imaginärteil der Funktion ζ(1 / 2 + ix) dargestellt, so dass man klar die ersten nichttrivialen Nullstellen erkennen kann.

Triviale Nullstellen

Aus der Produktdarstellung kann man leicht folgern, dass \zeta(s)\not=0 für \mathrm{Re}\,s>1 gilt. Zusammen mit der Funktionalgleichung ergibt sich, dass die einzigen Nullstellen außerhalb des kritischen Streifens

\{ s\in\mathbb C\mid 0\leq\mathrm{Re}\,s\leq1\}

die „trivialen“ Nullstellen -2,-4,-6,\ldots sind.

Die Riemannsche Vermutung

Hauptartikel: Riemannsche Vermutung

Die Lage der Nullstellen im kritischen Streifen hängt eng mit Aussagen über die Verteilung der Primzahlen zusammen. Beispielsweise ist die Aussage, dass auf dem Rand des kritischen Streifens keine Nullstellen liegen, ein möglicher Zwischenschritt beim Beweis des Primzahlsatzes. Weitere Vergrößerungen des „nullstellenfreien Bereiches“ implizieren Restgliedabschätzungen im Primzahlsatz. Riemann vermutete im Jahr 1859, dass alle Nullstellen auf der parallel zur imaginären Achse verlaufenden Geraden \{s \in \mathbb{C} \mid\mathrm{Re}\,s=1/2\} liegen. Diese so genannte riemannsche Vermutung konnte bislang weder bewiesen noch widerlegt werden.

Der Verlauf der Zeta-Funktion in der komplexen Ebene, besonders entlang von parallel zur imaginären Achse verlaufenden Streifen, wird wegen des Zusammenhangs mit der Primzahlverteilung und des davon unmittelbar betroffenen sogenannten Faktorisierungsproblems seit kurzem auch gezielt mit physikalischen Methoden untersucht, und zwar mit Interferenz-Methoden analog zur Holographie. Man teilt dazu die definierende Summe in zwei Teile mit positiver bzw. negativer Phase auf, ψ bzw. ψ*, die man anschließend zur Interferenz bringt. [5]

Die Imaginärteile der „ersten“ Nullstellen sind beispielsweise

±k ±Im ρk
1 14,134725141734693790…
2 21,022039638771554993…
3 25,010857580145688763…
4 30,424876125859513210…

Über die Eigenschaften dieser Imaginärteile (Irrationalität, Transzendenz, …) ist bis heute nahezu nichts bekannt. [6]

Andere Ausdrücke für die ζ-Funktion

Dirichletsche η-Funktion

Die Reihe

\eta(s) = \sum\limits_{n=1}^\infty\frac{(-1)^{n-1}}{n^s} = \frac{1}{1^s} - \frac{1}{2^s} + \frac{1}{3^s} - \frac{1}{4^s} + - \cdots

(Dirichletsche η-Funktion) liefert für \scriptstyle\mathrm{Re}\,s>0 und \scriptstyle s\neq 1 den Ausdruck

\zeta(s) = \frac{\eta(s)}{1-2^{1-s}}.[7]

Integraldarstellung

Hauptartikel: Mellin-Transformation

Zu dieser gelangt man über den folgenden Rechenweg mittels Benutzung der geometrischen Reihe:

\int\limits_0^\infty \frac{x^{s-1}}{\mathrm{e}^x-1} \mathrm dx =
\int\limits_0^\infty x^{s-1} \sum\limits_{n=1}^\infty \mathrm{e}^{-n\,x} \mathrm dx = \sum\limits_{n=1}^\infty n^{-s} \int\limits_0^\infty t^{s-1}\,\mathrm{e}^{-t}  \, \mathrm dt.

Daraus ergibt sich mit der Definition der Gamma-Funktion Γ für \scriptstyle\mathrm{Re}\,s > 1 die Beziehung

\zeta (s)=\frac{1}{\Gamma (s)}\,\int\limits_0^\infty\frac{x^{s-1}}{\mathrm{e}^x-1} \, \mathrm dx.[7]

Eine weitere Integraldarstellung, welche sogar für \scriptstyle\mathrm{Re}\,s > 0 gilt, ist gegeben durch

 \zeta(s) = \frac{s}{s-1} - \frac{1}{\Gamma(s)}\int \limits_0^\infty\frac{\mathrm{e}^x-x-1}{\mathrm{e}^x-1} \, \frac{x^{s-2}}{\mathrm{e}^x} \, \mathrm dx.

Der Ausdruck

 \zeta(s) = \frac{s}{s-1} + s\int\limits_1^\infty \frac{[x]-x}{x^{s+1}}\,\mathrm{d}x

mit dem Ganzzahlwert \scriptstyle [x]=\max\{n\in\Z;\;n\le x\} ist ebenfalls für \scriptstyle\mathrm{Re}\,s > 0 gültig.[8] Diese Formel ergibt sich aus der Summenformel im weiter unten stehenden Abschnitt bezüglich \scriptstyle \C für \scriptstyle q=1.

Summenformel

Zerlegt man das erste Integral aus dem vorherigen Abschnitt in die beiden Intervalle \scriptstyle[0,\,1] und \scriptstyle[1,\,\infty], so erhält man über eine Transformation unter Zuhilfenahme der Bernoulli-Zahlen Bν, die über

\frac{x}{\mathrm{e}^x-1} \equiv \sum\limits_{\nu=0}^\infty\frac{B_\nu}{\nu!}x^\nu

für \scriptstyle|x|<2\,\pi definiert sind, die Summenformel

\zeta (s)=\frac{1}{\Gamma (s)} \left(\frac{1}{s-1}-\frac{1}{2s}+\sum\limits_{\nu =2}^\infty
\frac{B_\nu}{\nu !}\frac{1}{s+\nu-1}+\int\limits_1^\infty \frac{x^{s-1}}{\mathrm{e}^x-1} \, \mathrm dx \right).[7]

Darstellung für die komplexe Zahlenebene

Für die analytische Fortsetzung auf \mathbb{C} existieren verschiedene Ansätze, von denen einige im folgenden aufgeführt werden.

Summenformel

Hierfür greift man auf die Euler-MacLaurin-Summenformel,

\sum\limits_{n=2}^{N} f(n) = \int\limits_1^N f(x)\,\mathrm dx\,
+\,\sum\limits_{\nu=1}^q (-1)^\nu\,\frac{B_\nu}{\nu!}\,\left(f^{(\nu-1)}(N)-f^{(\nu-1)}(1)\right)\,
-\,\frac{(-1)^q}{q!}\int\limits_1^N B_q(x-[x])\,f^{(q)}(x)\,\mathrm dx,

zurück, wobei f als Mindestvoraussetzung eine auf dem Intervall [1,N] q-mal differenzierbare Funktion ist, Bν(x) die Bernoulli-Polynome sind und [x] den ganzzahligen Anteil von x darstellt.[9] Indem man \zeta(s) = 1+\lim_{N\to\infty}\sum\limits_{n=2}^N n^{-s} mit der Summenformel umwandelt, erhält man den Ausdruck

\zeta(s) =
\frac{1}{s-1}\,+\,\frac{1}{2}\,
+\,\sum\limits_{\nu=2}^q\frac{B_\nu}{\nu!}\,\prod\limits_{k=0}^{\nu-2}(s+k)\,
-\,\frac{1}{q!}\,\prod\limits_{k=0}^{q-1}(s+k)\,\int\limits_1^\infty B_q(x-[x])\,x^{-(s+q)}\,\mathrm dx.

Diese Formel gilt nicht nur für die Ebene \scriptstyle\mathrm{Re}\,s>1, sondern sogar für \scriptstyle\mathrm{Re}\,s>1-q (wobei natürlich wieder \scriptstyle s\neq 1 sei). Durch die freie Wahl von \scriptstyle q\in\mathbb{N} kann man den Definitionsbereich beliebig ausdehnen und hat damit einen Ausdruck für ganz \scriptstyle\mathbb C.[9]

Integraldarstellung

Für alle s\in\mathbb{C}\setminus\{1\} erhält man die Integralrelation

\zeta(s) = \frac{2^{s-1}}{s-1}-2^s\int\limits_0^{\infty}\frac{\sin(s\arctan t)}{(1+t^2)^\frac{s}{2}(\mathrm{e}^{\pi\,t}+1)}\,\mathrm{d}t,

die auch zur numerischen Berechnung der Zeta-Funktion herangezogen werden kann.[10] Ein ähnlicher Ausdruck ergibt sich über die Integraldarstellung der Lerchschen Zeta-Funktion:

\zeta(s)= \frac{1}{s-1} + \frac12+2\int\limits_0^\infty\frac{\sin(s\arctan t)}{(1+t^2)^\frac{s}{2}(\mathrm{e}^{2\,\pi\,t}-1)}\,\mathrm{d}t.

Reihenentwicklung

Die Laurentreihe um s = 1 hat die Form

\zeta(s) = \frac1{s-1} + \sum\limits_{\nu=0}^\infty\frac{(-1)^\nu}{\nu!}\,\gamma_\nu\,(s-1)^\nu;

bei den Koeffizienten

\gamma_\nu=\lim_{n\to\infty}\left(\sum\limits_{k=1}^n\frac{\log^\nu k}{k}-\frac{\log^{\nu+1} n}{\nu+1}\right)

handelt es sich um die Stieltjes-Konstanten, wobei γ0 = γ die Euler-Mascheroni-Konstante ist,[7] für die sich daraus insbesondere der Ausdruck

 \gamma = \lim_{s \to 1} \left[ \zeta(s) - \frac{1}{s-1} \right]

ergibt.

Helmut Hasse hat die von Konrad Knopp veröffentlichte und auf ganz \mathbb{C}\setminus\{2\,\pi\,i\,m/\log 2+1;\;m\in\Z\} definierte Reihe

\zeta(s)=\frac{1}{1-2^{1-s}}\sum_{n=0}^\infty\frac{1}{2^{n+1}}\sum_{k=0}^n(-1)^k{n \choose k}(k+1)^{-s}

1930 bewiesen.

Produktentwicklung

Über den Produktsatz von Weierstraß für holomorphe Funktionen ist es möglich, die Zeta-Funktion anhand ihrer Nullstellen über ein Produkt der Form

 \zeta(s) = f(s) \prod_{\zeta(\omega) = 0} \left(1 - \frac{s}{\omega} \right) \, \mathrm{e}^{s/\omega}

explizit zu rekonstruieren, wobei f(s) eine auf das Produkt multiplizierte und meist elementare Funktion darstellt. Im Falle der Zeta-Funktion ergibt sich für f die Funktion  f(s) = \frac{1}{2(s-1)} \left( \frac{2\pi}{\mathrm{e}} \right)^s und somit unter Verwendung der trivialen sowie nicht-trivialen Nullstellen:

 \zeta(s) = \frac{1}{2(s-1)} \left( \frac{2\pi}{\mathrm{e}} \right)^s \prod_{n=1}^\infty \left(1 + \frac{s}{2n} \right) \, \mathrm{e}^{- s/(2n)} \, \cdot \, \prod_{\rho} \left(1 - \frac{s}{\rho} \right) \, \mathrm{e}^{s/\rho}.

Unter Zuhilfenahme der Produktentwicklung der Gamma-Funktion

 \frac{1}{\Gamma(1 + s)} = \mathrm{e}^{\gamma s} \prod_{n=1}^\infty \left(1 + \frac{s}{n} \right) \mathrm{e}^{-s/n}

erhält man das Hadamard-Produkt[11], benannt nach seinem Entdecker Jacques Hadamard, das global in  \mathbb{C} \setminus\{1\} konvergiert:

 \zeta(s) = \frac{\mathrm{e}^{(\log (2\pi) - 1 - \gamma/2)s}}{2(s-1)\,\Gamma(1 + s/2)} \prod_{\rho} \left(1 - \frac{s}{\rho} \right)\mathrm{e}^{s/\rho}.

Beziehung zur Polygammafunktion

Espinosa und Moll haben 2003 die Differentialgleichung

\left(\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}s}+\psi(1-s)+\gamma\right)\zeta(s)=\Gamma(1-s)\,\psi_{s-1}(1)

mit der Digammafunktion ψ(z) und der auf komplexe Ordnungen s verallgemeinerten Polygammafunktion ψs(z) aufgezeigt.[12] Unter Ausnutzung der Beziehung

\zeta(s,{\scriptstyle\frac{1}{2}})=\left(2^s-1\right)\zeta(s)

zur Hurwitzschen Zeta-Funktion und Einsetzen in die allgemeinere Relation

\left(\frac{\partial}{\partial s}+\psi(1-s)+\gamma\right)\zeta(s,z)=\Gamma(1-s)\,\psi_{s-1}(z)

gelangt man zu

\zeta(s)=\frac{\Gamma(1-s)}{2^s\log 2}\left(\psi_{s-1}({\scriptstyle\frac{1}{2}})-\left(2^s-1\right)\psi_{s-1}(1)\right).

Damit gehören die Nullstellen der ζ-Funktion zu den Lösungen ρ der Gleichung

\psi_{\rho-1}({\scriptstyle\frac{1}{2}})=\left(2^\rho-1\right)\,\psi_{\rho-1}(1).

Beziehung zur Thetafunktion

Eine weitere Möglichkeit, die Riemannsche ζ-Funktion analytisch fortzusetzen, ist eine Umtransformation des Integrals

 \Gamma \left( \frac{s}{2} \right) = \int \limits_0^\infty x^{s/2 - 1}\mathrm{e}^{-x} \mathrm{d}x

mittels der jacobischen Theta-Reihe, die man klassisch über

 \vartheta(z, \tau) = \sum_{n = -\infty}^\infty \mathrm{e}^{\pi i \tau n^2 + 2\pi i n z}

definiert. Für den speziellen Theta-Nullwert

 \theta(\tau) := \vartheta(0, \tau i) = \sum_{n= -\infty}^\infty \mathrm{e}^{-\pi \tau n^2} = 1 + 2\sum_{n=1}^\infty \mathrm{e}^{-\pi \tau n^2},

oder alternativ

 \omega(\tau) := \frac{1}{2} (\vartheta(0, \tau i) - 1) = \frac{1}{2} (\theta(\tau) - 1) = \sum_{n=1}^\infty \mathrm{e}^{-\pi\tau n^2},

erhält man die nützliche Transformationsformel

 \theta\left( \frac{1}{\tau} \right) = \sqrt{\tau} \theta(\tau),

die sich mittels Fourier-Transformation ableiten lässt. Mit der Substitution x = πtn2 in das obere Integral erhält man über die gewöhnliche Mellin-Transformation:

 \Gamma \left( \frac{s}{2} \right) \zeta(s) = \pi^{s/2} \int \limits_0^\infty t^{s/2 - 1} \sum_{n=1}^\infty \mathrm{e}^{-\pi tn^2} \mathrm{d}t = \frac{\pi^{s/2}}{2} \int \limits_0^\infty t^{s/2} (\theta(t) - 1) \frac{\mathrm{d}t}{t} = \pi^{s/2} \int \limits_0^1 t^{s/2} \omega(t) \frac{\mathrm{d}t}{t} + \pi^{s/2} \int \limits_1^\infty t^{s/2} \omega(t) \frac{\mathrm{d}t}{t}.

Mit Hilfe einer erneuten Substitution t = 1 / x in das erste Integral und der Theta-Transformationsformel erhält man:

  \int \limits_0^1 t^{s/2} \omega(t) \frac{\mathrm{d}t}{t} = \frac{1}{s(s-1)} + \int \limits_1^\infty t^{(1-s)/2} \omega(t) \frac{\mathrm{d}t}{t}.

Zusammengefasst ergibt dies:

 \xi(s) = \Gamma \left( \frac{s}{2} \right) \zeta(s) \pi^{-s/2} = \frac{1}{s(s-1)} + \int \limits_1^\infty (t^{(1-s)/2} + t^{s/2}) \omega(t) \frac{\mathrm{d}t}{t}.

Dieser Ausdruck konvergiert in ganz  \mathbb{C} \setminus\{0, 1\} und ist unter der Abbildung  s \to 1 - s invariant, d.h.

 \!\ \xi(s) = \xi(1-s);

hieraus kann die schon oben erwähnte Funktionalgleichung der ζ-Funktion gewonnen werden.

Verallgemeinerungen und andere Zeta-Funktionen

Es wurden diverse Funktionen betrachtet, deren Definition der der Riemannschen Zeta-Funktion ähnelt; diese wurden dann auch „Zeta-Funktion“ mit dem Namen ihres „Entdeckers“ genannt. Insbesondere sei hier auf die Dedekindsche Zeta-Funktion, die Hurwitzsche Zeta-Funktion und die Lerchsche Zeta-Funktion verwiesen, siehe auch Liste aller Zeta-Funktionen.

Literatur

Zur Mathematik:

Zur Geschichte:

  • Marcus du Sautoy: Die Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik. 4 Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52320-X.

Weblinks

 Commons: Riemannsche ζ-Funktion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Die folgenden Arbeiten sind englisch, aktuell und verschaffen einen schnellen Überblick:

Einzelnachweise

  1. Jörn Steuding: On the Universality of the Riemann zeta-function, Seite 54.
  2. Jonathan M. Borwein, David M. Bradley, Richard E. Crandall: Computational strategies for the Riemann zeta function, Seite 254.
  3. Reinhold Remmert: Funktionentheorie I. Springer-Verlag Berlin et al. 1984, ISBN 3-540-12782-8, Seite 234.
  4. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 79.
  5. siehe z. B. W. Merkel et al.: Factorization of Numbers with Physical Systems. In: W.P. Schleich und H. Walther (Hrsg.): Elements of Quantum Information. Wiley-VCH-Verlag, Weinheim 2007, Seite 339 bis 353
  6. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 226.
  7. a b c d Dragan Miličić: Notes on Riemann's Zeta Function.
  8. Jörn Steuding: On the Universality of the Riemann zeta-function, Seite 3.
  9. a b Hans Rademacher: Topics in Analytic Number Theory. Springer-Verlag Berlin et al. 1973, ISBN 3-540-05447-2.
  10. Mathematik-Online-Kurs: Numerik - Numerische Integration der Riemannschen Zeta-Funktion
  11. André Voros: More Zeta Functions for the Riemann Zeros, CEA, Service de Physique Théorique de Saclay (CNRS URA 2306), Seite 6.
  12. Oliver Espinosa and Victor H. Moll: A Generalized Polygamma Function auf arXiv.org e-Print archive 2003.

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