Auxin

Auxin
Chemische Struktur von Indol-3-essigsäure, dem wichtigsten Auxin
Gesunde Arabidopsis thaliana Pflanze (links) neben einem Mutant der Auxin-Signaltransduktion

Die Auxine (griechisch αυξανω „auxano“ - „ich wachse“) sind eine Gruppe von natürlichen und synthetischen Wachstumsregulatoren mit multipler Wirkung auf Wachstums- und Differenzierungsprozesse bei Gefäßpflanzen und einer spezifischen Wirkung im Protonema der Laubmoose. Die natürlich vorkommenden pflanzlichen Auxine gehören zu den Phytohormonen. Gegenspieler der Auxine sind die Blastokoline. Die Auxine sind in der Fachsprache auch unter dem Namen Streckungshormone bekannt. In Pflanzen sind sie essentiell.

Inhaltsverzeichnis

Indol-3-essigsäure (IAA)

Wichtigster Vertreter ist die überall, allerdings in sehr geringer Menge (1 bis 100 µg je kg Pflanzenmaterial) vorkommende Indol-3-essigsäure (β-Indolylessigsäure, Indol-3-essigsäure, Heteroauxin). Sie kommt auch in niederen Pflanzen und Bakterien vor. β-Indolylessigsäure ist das einzige pflanzeneigene Auxin.

Indol-3-essigsäure findet man im Pflanzengewebe entweder in freier Form und über die Carboxygruppe esterartig an myo-Inosit, Glukose oder Galaktose oder peptidartig an Aminosäuren, wie Asparaginsäure oder Tryptophan, gebunden vor. Diese Indol-3-essigsäurederivate werden als Auxinkonjugate bezeichnet und als Glykosyl, myo-Inosityl- bzw. Peptidylkonjugate unterschieden. Auxinkonjugate sind alle biologisch inaktiv. Sie spielen bei der Regulation des Auxinstoffwechsels eine wichtige Rolle. In verschiedenen Pflanzen finden sich weitere strukturverwandte Verbindungen der Indol-3-essigsäure wie z. B. 4-Chlorindolylessigsäure, Indolylethanol, Indolylacetamid, Indolylacetonitril und Indolylacetaldehyd. Diese dienen zum Teil als Biosynthesevorstufen (Auxinvorstufen).

Andere Indol-3-essigsäure Vertreter

Ein weiteres nativ vorkommendes Auxin ist Phenylessigsäure, die jedoch geringere Auxinwirkung hat als Indol-3-essigsäure. Darüber hinaus wurden in Erbsen 4-Chloroindol-3-essigsäure und in Senfplanzen Indol-3-buttersäure mit einer Auxin-ähnlichen Wirkung identifiziert.

Biosynthese

Pflanzengallen werden von Agrobacterium tumefaciens-Bakterien verursacht. Diese produzieren und setzen Auxin und Cytokinin frei, die die normale Zellteilung an der Infektionsstelle stören und zu Wucherungen führen

Die Bildung von Indol-3-essigsäure (IAA) erfolgt in jungen, schnell sich teilenden und wachsenden Geweben, insbesondere im Spross, Koleoptil und Sproßspitzen, junge Blätter, sich entwickelnde Samen und das aktive Kambium. Auch im apikalen Wurzelmeristem wird IAA gebildet. IAA ist mit Tryptophan (Trp) strukturell verwandt. In der Tat gibt es einen Tryptophan-abhängigen und einen Trp-unabhängigen Syntheseweg, bei dem die Biosynthese aus einer Tryptophanvorstufe erfolgt.

Beim Tryptophan-abhängigen Weg sind insgesamt vier Stoffwechselwege bekannt. Es sind der Tryptamin-Weg (TAM), der Indol-3-pyruvat-Weg (IPA), der Indol-3-acetonitril-Weg (IAN) und ein Stoffwechselweg, der nur in Bakterien (A. tumefaciens) vorkommt. In Pflanzen sind die ersten beiden Wege am weitesten verbreitet. Der Tryptophan-unabhängige Weg wurde anhand von Mutanten entdeckt, die Trp nicht selbst herstellen konnten. Diese waren überdies auch nicht in der Lage, durch im Überschuss verabreichtes Trp aus diesem Auxin herzustellen. Man hat durch isotopenmarkierte Fütterunsversuche festgestellt, dass der Tryptophanvorläufer Indol-3-glycerinphosphat als Vorläufer der Auxinsynthese dient. Der genaue Stoffwechselweg und dessen Bedeutung werden aber noch untersucht.

Der Transport von Auxin erfolgt überwiegend vom Spross zur Wurzelspitze. Die Inaktivierung der Auxine geschieht durch enzymatisch katalysierten oxidativen Abbau oder durch Konjugatbildung zur Speicherung.

Von den synthetischen Verbindungen mit Auxinaktivität sind vor allem Indolylbuttersäure und Indolylpropionsäure, Phenyl- und 1-Naphthylessigsäure sowie Phenoxy- und Naphthoxyessigsäuren von praktischen Bedeutungen.

Pflanzenfremde Auxine

Beispiele für diese Gruppe sind:

Sie werden künstlich im Labor hergestellt. Dabei wird eine alkoholische Lösung (im %-Bereich) unter eine Trägersubstanz (Talkum oder Aktivkohle) gerührt. Nach dem Trocknen entsteht ein Staub, in den z. B. die Stecklingsbasen eingetaucht werden können. Seltener wird die Lösung direkt auf die Pflanzen versprüht. Ebenfalls selten wird der Wuchsstoff direkt ins Gießwasser gegeben.

Kommerziell angebotene Produkte sind z. B.: PhytoBoost® (Wirkstoffe: Indol-3-essigsäure, Vitamine) als einziges Produkt mit dem natürlichen Auxin IAA, ferner SuperThrive® (Wirkstoffe: Naphthylessigsäure und viele andere, nicht veröffentlichte Komponenten), Seradix® (Wirkstoff: β-Indolybuttersäure), das in 3 verschiedenen Konzentrationen erhältlich ist (0,2 %, 0,4 % und 0,8 %) oder Rhizophon®/Chryzopon® (Wirkstoffe: β-Indolybuttersäure oder Naphtylessigsäure in verschiedenen Konzentrationen).

Transport

Auxin ist das einzige polar transportierte Phytohormon. Der Transport erfolgt entweder parenchymatisch oder über die Leitgefäße (im Spross basipetal, in der Wurzel akropetal bzw. über kurze Strecken auch basipetal). Für den Transport im Phloem ist eine chemische Modifikation notwendig. Hierbei findet eine kovalente Bindung mit Glucose, myo-Inositol oder Aspartat statt. Diese IAA-Konjugate sind physiologisch inaktiv und es erfolgt am Zielgewebe eine Spaltung der kovalenten Bindung.

Den Transport kann man in zwei Gruppen unterteilen:

über längere Strecken: im Phloem, vorwiegend basipetal, ca. 10 bis 20 cm/h
über kürzere Strecken: von Zelle zu Zelle im Parenchym mit Hilfe eines Transporters, AUX1, der an der apikalen Zellmembran einer Zelle sitzt. Er funktioniert als Protonen-Symporter (sekundär aktiver Transport), d. h. deprotoniertes Auxin (anionische Form) wird zusammen mit 2 Protonen in die Zelle reintransportiert. Geschwindigkeit: ca. 1 cm/h. Außerdem kann Auxin in protonierter Form durch die Membran diffundieren. Durch den basischen pH in der Zelle deprotoniert Auxin und wird am basalen Ende der Zelle über Anionen-Carrier wieder aus der Zelle heraus geschleust.

Wirkungen und Wirkungsmechanismen

Strukturformel von 2,4-D

Auxine haben eine vielfältige Wirkung auf die Gesamtentwicklung von höheren Pflanzenarten im komplexen Zusammenspiel mit anderen Phytohormonen. Auxine wirken besonders auf die Zellstreckung, vor allem von Koleoptilen und in den Sproßachsen. Dies ist der klassische Auxineffekt. Sie regen die Kambiumtätigkeit an, beeinflussen Zellteilung, Apikaldominanz, Abszission, Phototropismus und Geotropismus und andere Wachstums- und Entwicklungsprozesse. In hohen Dosen wirken Auxine überraschenderweise stark wachstumshemmend. Der Grund hierfür liegt in organspezifischen Konzentrationsoptima. Dabei wirken geringere Dosen des Hormons bis zu einer gewissen Konzentration fördernd auf das Zellstreckungswachstum, während zu hohe Konzentrationen das Streckungswachstum hemmen. In der Sprossachse liegt die optimale Konzentration in der Regel höher als in der Wurzel, weshalb es dort schon bei geringeren Auxinkonzentrationen zur Wachstumshemmung kommt. Dies spielt möglicherweise beim Gravitropismus eine wichtige Rolle. Die Auxinwirkung wurde auch bei der Entwicklung von selektiv wirkenden Herbiziden (z. B. 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure oder kurz 2,4 D, und 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure oder kurz 2,4,5-T) genutzt. Das Herbizid 2,4-D wirkt selektiv auf dikotyle Unkräuter, indem es diese zu übermäßigem Wachstum anregt und so deren Biosynthesekapazität erschöpft. Monokotyle Pflanzen (wie beispielsweise die Getreidepflanzen) reagieren nicht auf 2,4-D.

Im Protonema der Laubmoose, wie z.B. Physcomitrella patens, induzieren Auxine jedoch spezifisch den Übergang von Chloronema zu Caulonema. Damit geht eine Änderung in der Zellzykluskontrolle einher. [1]

Ein in den 1980er Jahren entdeckter Auxinrezeptor ist das Auxinbindeprotein 1 (ABP1), welches Auxine spezifisch bindet. ABP1 interagiert mit einem noch nicht identifizierten Dockingprotein an der Plasmamembran. Die Weiterleitung des Signals ist noch nicht vollständig verstanden. Am Ende der Auxin-Signalkette steht die Modulation von Membrantransportproteinen (insbesondere der Protonenpumpe) und die Expression bestimmter auxininduzierter Gene. Ein Kaliumkanal (ZMK1) konnte kürzlich als wachstumsrelevantes auxininduziertes Protein identifiziert werden. An der auxininduzierten Genexpression sind u. a. sogenannte „auxin response factors“ (ARFs) beteiligt, die an „auxin response elements“ (Aux-Res) der DNA binden und die Genexpression kontrollieren.

Abbau

Auxine werden von Enzymen (Peroxidasen) und UV-Strahlen abgebaut. Der Abbau durch UV-Strahlen hat vor allem das Sprosswachstum zu einer Lichtquelle zu Folge, weil auf der Seite der Lichtquelle mehr UV-Licht auf die Pflanze auftrifft, so mehr Auxine abgebaut werden und sich auf dieser Seite die Zellen nicht so stark strecken und teilen.

Nachweis

Der Nachweis und die quantitative Bestimmung von Auxinen erfolgte früher meist durch spezifische Biotestsysteme z. B. den Haferkoleoptilen-Krümmungstest. Heutzutage werden Gaschromatographie bzw. Gaschromatographie/Massenspektrometrie sowie Immunoassays zur Auxin-Analytik eingesetzt.

Verwendung

Indol-3-essigsäure und vor allem einige synthetische Auxine wie 2,4-D haben als Wachstumsregulatoren in der Landwirtschaft sowie im Obst- und Gartenbau (Fruchtausdünnung, Förderung des Fruchtansatzes) breite Anwendung gefunden. Beispiele sind hier die Stecklingsbewurzelung oder als selektiv wirkende Herbizide im Getreideanbau, Baumwoll-, Sojabohnen- und Zuckerrübenkulturen. Militärisch wurde der Butylester der 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure im Vietnamkrieg als „Agent Orange“ zur Entlaubung benutzt. Die Schädigungen von Personen am Boden und bei den Flugzeugmannschaften beruhten auf der Kontamination durch polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane.

Einzelnachweise

  1. Decker, EL. et al. (2006): Moss systems biology en route: phytohormones in Physcomitrella development. In: Plant Biology 8(3), 397-406; PMID 16807833; doi:10.1055/s-2006-923952

Literatur

  • Klaus Grossmann, Hauke Hansen: Auxin-Herbizide: Wirkstoffe mit Janusgesicht. Biologie in unserer Zeit 33(1), S. 12–20 (2003), ISSN 0045-205X
  • Lincoln Taiz und Eduardo Zeiger: Plant Physiology - Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag; 4. Auflage 2007; ISBN 978-3827418654
  • Vanneste, S. und Friml, J. (2009): Auxin: a trigger for change in plant development. In: Cell 136(6); 1005–1016; PMID 19303845; doi:10.1016/j.cell.2009.03.001

Weblinks


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