Richer von Reims

Richer von Reims

Richer von Reims (* nach 940; † nach 998 in Reims), teilweise in Quellen als Richer von Saint-Rémi oder Richerus Remensis aufgeführt, war ein Mönch und Verfasser einer Chronik. Er stammte aus einer Familie des Hofstaats Ludwig IV. Sein Vater Radulf war ein Vasall (miles) des Königs, nach dessen Tod 954 seiner Witwe Gerberga.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Wie viele Adelige seiner Zeit wurde er Mönch und lebte ab 969 in der Abtei Saint Rémi in Reims, wo er fast sein ganzes Leben lang blieb. Von 972 an war er an der Kathedralschule Schüler Gerberts von Aurillac (des späteren Papstes Silvester II., von 991 bis 996 Erzbischof von Reims). Ob das besondere medizinische Interesse Richers auf die Vermittlung durch Gerberts Unterricht zurückgeht, kann nicht geklärt werden. 991 reiste Richer nach Chartres, um eine Handschrift des Hippokrates einzusehen. Möglicherweise hat er sich länger in Chartres aufgehalten.

Gerbert bat ihn, eine Chronik zusammenzustellen, was zwischen 991 und 998 erfolgte, im Wesentlichen wohl bereits 996 abgeschlossen war. Richer stellte sich in die Tradition der Annalen des Hinkmar von Reims, hat aber in den beiden ersten Büchern nur Flodoard ausgeschrieben und erweitert . Das Werk, heute bekannt unter dem Namen Historiae (Die Geschichte), wurde erst 1833 durch Georg Heinrich Pertz in der Bibliothek von Bamberg wiederentdeckt. Der Titel sowie die Einteilung in Bücher und Kapitel gehen auf den ersten Herausgeber zurück, der von Richer vorgesehene Titel ist unbekannt. Die Darstellung warf ein neues Licht auf die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Sturz der Karolinger, dem Erscheinen der Kapetinger, dem Eindringen der Normannen von 885 bis 888 und auf den Kampf Ludwigs IV. und seines Sohnes Lothar gegen Hugo den Großen.

In seinem Werk, das die Zeit von 888 bis 996 behandelt, hat Richer in Buch I und II viele Passagen aus den Annalen von Flodoard von Reims übernommen, dies allerdings nicht immer korrekt. So hat er gleichermaßen einiges neu erfunden wie auch Ereignisse vertauscht. Für die beiden anderen Bücher, die die Zeit ab 966 behandeln, war er Zeitzeuge und benutzte eigene Aufzeichnungen, daneben Erzählungen seines Vaters. Ergänzende annalistische Nachträge reichen bis 998, das letzte sicher datierbare Ereignis, das Richer erwähnt, ist die Erhebung Gerberts zum Erzbischof von Ravenna im Jahre 998. Obwohl viele Historiker seinen Erzählungen zu misstrauen, ist die „Geschichte“ von Richer die beste und eine fast einmalige Quelle für Studien zur Regierung Hugo Capets.

Das Autorenexemplar

Die Handschrift Msc.Hist.5 der Staatsbibliothek Bamberg ist das autographe Konzept mit zahlreichen Korrekturen und Ergänzungen sowie nachträglich eingefügten Blättern, an dem er in mehreren Phasen gearbeitet hat. Sie ist eine der ältesten erhaltenen Autographen eines literarischen Werkes. Die Redaktion war nicht vollständig abgeschlossen, dennoch hat Richer das Manuskript seinem Auftraggeber überlassen, der das Exemplar in Italien bei sich hatte, wie die Einträge zweier Papst Silvester betreffender Texte beweisen. Wie andere von Heinrich II. der Bibliothek seiner Gründung Bamberg gestiftete Handschriften könnte das Exemplar zur Bibliothek Ottos III. gehört haben. Das Exemplar des Klosters Michelsberg, das Ekkehard von Aura und Johannes Trithemius benutzt haben, enthielt nur die beiden ersten Bücher und ist heute verloren. Weitere Handschriften sind nicht bekannt, obwohl Hugo von Flavigny als einziger Geschichtsschreiber im Westen Richer benutzt hat.

Edition

Literatur

  • M. Bur, Richer von Reims, in: Lexikon des Mittelalters 7, Sp. 830f.
  • Max Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters II, München 1923 (Nachdruck 1965), S. 214–219.
  • Hans-Henning Kortüm, Richer von Saint-Remi: Studien zu einem Geschichtsschreiber des 10. Jahrhunderts. Stuttgart 1985.
  • Wolfgang Giese: "Genus" und "Virtus" Studien zum Geschichtswerk der Richter von St. Remi. München 1969.
  • Jason Glenn, Politics and history in the tenth century : the work and world of Richer of Reims. Cambridge 2004.

Weblinks


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