Autonomes Nervensystem

Autonomes Nervensystem

Das vegetative Nervensystem (VNS), auch autonomes Nervensystem (ANS) genannt, stellt zusammen mit dem somatischen Nervensystem eine funktionelle Einheit dar. Die „Autonomie“ bezieht sich auf den Umstand, dass über das VNS biologisch festliegende, automatisch ablaufende innerkörperliche Anpassungs- und Regulationsvorgänge vermittelt werden, die deswegen vom Menschen willentlich nicht direkt, also allenfalls indirekt beeinflusst werden können. Der Begriff „autonomes Nervensystem“ wurde vom britischen Physiologen John Newport Langley (1852–1925) geprägt. Das somatische oder animalische Nervensystem ermöglicht dagegen eine willkürliche und bewusste Reaktionsweise. Die Unterscheidungskriterien sind jedoch relativ. Das ANS besitzt nur eine gewisse funktionelle Selbständigkeit gegenüber dem cerebrospinalen Nervensystem.[1]

Über das vegetative Nervensystem werden zur Aufrechterhaltung der inneren Homöostase die lebenswichtigen Funktionen („Vitalfunktionen“) wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel kontrolliert. Auch andere Organe oder Organsysteme werden vom vegetativen Nervensystem innerviert, so beispielsweise die Sexualorgane, endokrine und exokrine Organe wie die Schweißdrüsen, das Blutgefäßsystem (Blutdruck) oder die inneren Augenmuskeln (Pupillenreaktion).

Man untergliedert das vegetative Nervensystem nach funktionellen und anatomischen Gesichtspunkten in

Von dieser Gliederung zu unterscheiden ist die anatomische und topographische Bezeichnung

  • Enterisches Nervensystem (ENS) - das Nervensystem des Magen-Darm-Trakts, das im Vergleich zum Sympathikus und dem Parasympathikus weniger der Regulation durch das Zentralnervensystem unterliegt. Die Bezeichnung ENS gibt zur Verwechslung mit dem Begriff des viszeralen Nervensystems Anlass, da sich beide der Wortbedeutung nach auf Eingeweide beziehen. Die Bedeutung beider Namen geht hervor aus lat. viscus, visceris n. = Eingeweide, meist im Plural gebraucht viscera, viscerum und agrch. το ἔντερον (enteron) im Singular Darm, τά ἔντερα (entera) im Plural die (menschlichen) Gedärme, Eingeweide.[2] [3] Die Bezeichnung enterisch in ENS bezieht sich aber ausschließlich auf den Darm (Singularbedeutung nach agrch. το ἔντερον). In dieser Bedeutung ist die Bezeichnung enterisch offenbar auch aus dem englischen Sprachraum entliehen worden. In der englischen Sprache ist enteric mit Darm... zu übersetzen.[4]

Inhaltsverzeichnis

Wirkung

Das sympathische und das parasympathische System zeigt antagonistische Wirkungen. Über den Sympathikus werden anregende, leistungsfördernde (ergotrope) Anreize vermittelt, während über den Parasympathikus gegenläufige, beispielsweise erholungsfördernde (trophotrope) Impulse laufen. Bei der Pupillenreaktion im Auge wirken die beiden Teilsysteme dagegen synergistisch.

Kontrollmöglichkeiten

Über das VNS regulierte Körperfunktionen wie Pulsrate, Blutdruck oder Muskeltonus werden indirekt über alle Arten von will- und unwillkürlichen Aktivitäten beeinflusst. Sie können deswegen am leichtesten über die Steuerung von Willkürbewegungen "kontrolliert" werden: Steigerung körperlicher Aktivität, aber auch ihre Verringerung bis zur Bewegungslosigkeit und Ruhe führt über die automatischen Regulationswege zu vermehrter oder nachlassender Aktivität auch vegetativ regulierter Funktionen, im muskulären Bereich so etwa zu Steigerung der Muskelanspannung ("Verspannung") oder auch zum Zittern bzw. zu einer mehr oder weniger "tiefen" Entspannung. Eine Beeinflussungsmöglichkeit subtiler Art ist auch über bewusst gestaltete oder wie im Traum spontane mentale Vorstellungen von körperlicher Aktivität oder Inaktivität einschließlich ihrer gefühlsmäßigen Aspekte möglich (bekanntestes Beispiel: Albträume). Vegetativ wirksame Verfahren bekannter Art sind z. B. Yoga, Taijiquan, Biofeedback, Autogenes Training und Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR).

Einzelnachweise

  1. Alfred Benninghoff u. a.: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhänge. 3. Bd. Nervensystem, Haut und Sinnesorgane. Urban und Schwarzenberg, München 1964, Seite 356
  2. Triepel, Hermann, Robert Herrlinger: Die anatomischen Namen. Ihre Ableitung und Aussprache. J.F. Bergmann, München 26. Auflage 1962, Seiten 30 und 79
  3. Benseler, Gustav Eduard et al: Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch. B.G. Teubner, Leipzig 1911, Seite 289
  4. Klatt, Edmund: Langenscheidts Taschenwörterbuch. Langenscheidt KG Verlagsbuchhandlung, Berlin-Schöneberg, 17. Auflage 1959, Seite 181

Weblinks


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Synonyme:

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