Reserve (Militär)

Reserve (Militär)

Als Reserve werden Truppenteile bezeichnet, die nicht im Einsatz oder nicht unmittelbar für den Einsatz vorgesehen sind. Einzelne Personen werden demgegenüber im Frieden als Reservist bezeichnet; im Kriege haben sie die Rechte und Pflichten eines Soldaten nach dem Soldatengesetz.

Inhaltsverzeichnis

Reserven im Frieden

Im Frieden zählen zur Reserve die Personen, die wehrpflichtig und wehrfähig sind. In Deutschland gehören dazu neben den ehemaligen Soldaten und Soldatinnen auch ungediente, wehrdiensttaugliche Männer. Im Falle einer Mobilmachung treten diese Personen zu Reserve-Truppenteilen. In den meisten Ländern bestehen die Reserve-Truppenteile auch im Frieden in unterschiedlichen Bereitschaftsgraden. Als Beispiel umfassender Planung kann die Reserve-Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren gelten:

  • Aufwuchsbataillone, die zum größeren Teil aus aktiven Soldaten bestanden und nur ergänzt werden mussten (nach der Endziffer sog. 1er Bataillone der Brigaden)
  • Mobilmachungs-Reserve 1 aus ausgebildeten Soldaten, die ständig an den periodischen Wehrübungen teilnahmen und fest in Mobilmachungstruppenteilen eingeplant waren. Das Material der Verbände (Waffen, Fahrzeuge, Munition usw.) lag eingelagert bereit und konnte sofort ausgegeben werden, eine Einkleidung war nicht erforderlich, da alle so Eingeplanten ihre Bekleidung schon zu Hause hatten..
  • Mobilmachungs-Reserve 2 aus ausgebildeten Soldaten, die seit einigen Jahren keine Wehrübungen mehr gemacht hatten. Nach Einberufung wurden diese Reservisten zunächst in Feldausbildungstruppenteilen eingekleidet und nachgeschult, um danach entweder als Personalersatz für Ausfälle in aktive oder Reserve-Truppenteile nachgeführt zu werden.
  • Ersatz-Reserve aus nicht ausgebildeten wehrpflichtigen Männern, die zunächst in Feldausbildungstruppenteilen ausgebildet werden sollten.

Im weiteren Sinne werden zu den nationalen Reserven auch Rohstoff- und Gütervorräte gezählt, die die Importabhängigkeit im Kriege mildern sollen.

Strategische und operative Reserve

Je nach Deutung des Begriffs Strategie werden darunter die oben erwähnten personellen und materiellen Reserven verstanden, die schon in Friedenszeiten angelegt und gepflegt werden, oder aktive, verwendungsfähige Truppenteile, die keiner Front oder keinem Kriegsschauplatz zugeführt werden. Von der Bildung oder Zurückbehaltung einer strategischen Reserve im zweitgenannten Sinne wurde in der klassischen strategischen Literatur (z.B. Moltke) dringend abgeraten, da "...man für die Entscheidung nie zu stark sein kann." Dem liegt jedoch ein anderes Kriegsbild zugrunde als in der Realität des beginnenden 21. Jahrhunderts (z.B. USA - Irak).

Operative Reserven werden von Heeresgruppen, Armeen oder vergleichbaren Truppenkörpern, seltener auch von Korps gebildet. In ihnen werden einsatzbereite Truppenteile für den Einsatz als Reserve zurückgehalten. In operativen Reserven befinden sich gewöhnlich Verbände ab Regimentsebene aufwärts in ihrer normalen Gliederung, also mit allen Unterstützungskomponenten wie Artillerie, Pionieren usw.

Grundsätze für Reserven

Die Bildung von Reserven im oder für den Kampf ist eine allgemeine taktische Forderung. Ab Bataillonsebene aufwärts sind stets Reserven zu bilden. Kompanien können Reserven zurückhalten. Unterhalb Kompanieebene werden keine Reserven gebildet. Im Gegensatz zur operativen Reserve gehören zur taktischen Reserve grundsätzlich keine Unterstützungswaffen (wie Panzerjäger, Artillerie, Heeresflieger, Pioniere usw.), sondern ausschließlich Kampftruppen. Als Faustregel für die Größenordnung der Reserve werden ein Viertel bis ein Drittel der jeweiligen Truppe genannt.

Reserven halten sich gegen feindliche Aufklärung versteckt und gegen feindliche Waffenwirkung möglichst geschützt in Bereitstellungsräumen auf, die ihnen vom verantwortlichen militärischen Führer zugewiesen werden, und von denen aus sie ihre Einsatzräume schnell erreichen können. Sie dürfen nur auf Befehl des militärischen Führers eingesetzt werden, der ihre Bildung befohlen hat. Sobald eine Reserve eingesetzt wurde, ist möglichst schnell eine neue Reserve zu bilden.

Die Aufträge für eine Reserve können sein:

  • Gegenangriff gegen vordringenden oder in den ehemals eigenen Stellungen stehenden Feind.
  • Verstärkung einer bereits im Einsatz befindlichen Truppe, damit diese ihren Auftrag erfüllen kann. Dazu geht die Reserve in der Verteidigung zu der zu verstärkenden Truppe in die Stellungen. Im Angriff setzt sie sich zwischen oder neben die zu verstärkende Truppe.
  • Auffangen von in die Stellung eingebrochenen Feindteilen. Dazu besetzt die Reserve eine zuvor erkundete Verteidigungsstellung, die bislang noch nicht besetzt war.

Die Aufträge sind der Reserve rechtzeitig zu geben, damit diese noch vor dem Einsatz so vorbereitet werden können, dass sie auf ein Stichwort sofort ausgeführt werden können. Gewöhnlich hat eine Reserve mehrere dieser Aufträge gleichzeitig, die durch Stichwort "ausgelöst" werden. Andere Aufträge (als die bereits im Operationsplan vorgesehenen) sollen einer Reserve nicht erteilt werden.

Historische Entwicklung

Die Bildung von Reserven während der Schlacht in der Antike ist bis zu Alexander dem Großen nicht nachweisbar und erfolgt auch unter und nach ihm nur in Ausnahmefällen. Erst mit Einführung der Treffentaktik durch die Römer um 200 v.Chr. kann das Dritte Treffen einer Schlachtordnung regelmäßig als Schlachtreserve betrachtet werden. Von der Spätantike bis zur Neuzeit sind Reserven zumindest bei Heeren europäischer Prägung nur ausnahmsweise zu finden. Erst mit dem Wechsel von der Lineartaktik zur Kolonnentaktik werden allgemein Reserven für die Verwendung in der Schlacht gebildet. Wegbereiter und Beispiel dieser Praxis ist Napoleon, der häufig einen großen Teil seiner Kavallerie, sowie seine Garden bis zum letzten Moment (für seine Begleitung unerträglich lange) zurückhält.

Siehe auch


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