Austritt aus der Kirche

Austritt aus der Kirche

Der Kirchenaustritt ist die vom Mitglied veranlasste Beendigung der staatlich registrierten Mitgliedschaft in einer Kirche oder anderen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. In diesem Sinne ist er nur erforderlich, wo das staatliche Recht Folgen an eine Mitgliedschaft knüpft, aber nicht alle Gemeinschaften einen Austritt zulassen. In Deutschland betrifft der Kirchenaustritt daher nur Gemeinschaften mit Körperschaftsstatus, diese allerdings unabhängig davon, ob sie sich selbst als „Kirche“ bezeichnen.

Der Austritt aus privatrechtlichen Gemeinschaften richtet sich dagegen nach dem zivilen Vereinsrecht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Das Recht auf den Kirchenaustritt ergibt sich gegenüber dem Staat aus dem Grundrecht der negativen Religionsfreiheit. Erstmalig 1847 durch das Toleranzedikt Friedrich Wilhelm IV. in Preußen ermöglicht, wurden seine Bedingungen in Deutschland im Rahmen des Kulturkampfes gesetzlich festgelegt. Die Forschung unterscheidet mehrere Kirchenaustrittsbewegungen in der deutschen Geschichte. Die erste geschah schon vor dem Ersten Weltkrieg (getragen von Sozialdemokraten und bürgerlichen Anhängern Ernst Haeckels), die zweite ab 1919 (ebenfalls vornehmlich aus der Arbeiterschaft heraus, aber auch dem Bürgertum). Zwischen 1936 und 1940 traten in den Ausmaßen ähnlich viele Menschen in Deutschland und Österreich aus den Kirchen aus wie nach 1968 und nach 1989, den dann folgenden Kirchenaustrittsbewegungen. 1933 bis 1936 und nach 1945 in Westdeutschland (Adenauer-Zeit) gab es Kircheneintrittsbewegungen. Der Kirchenaustritt von 1937 bis 1940 war stark von der „Gottgläubigkeit“ der Nationalsozialisten und Diskussionen rund um kirchenkritische Schriften von Autoren wie Alfred Rosenberg (Bekenntnis: „gottgläubig“ oder „deutsch-gottgläubig“) und Mathilde Ludendorff (Bekenntnis: „Bund für Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff)“ getragen.

Gründe für Kirchenaustritt

Die Gründe für einen Austritt können verschieden sein: Oft entspricht die meist kurz nach der Geburt von den Eltern bestimmte Mitgliedschaft nicht dem eigenen Glauben bzw. der eigenen Weltanschauung, Atheisten und Agnostiker treten oft deshalb aus der Kirche aus, aber auch Christen, die sich einer anderen christlichen Konfession, etwa einer der Freikirchen, anschließen. Auch die Unzufriedenheit mit der jeweiligen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft sowie Kritik an einigen der von ihr vertretenen Positionen (so beispielsweise im Bereich Empfängnisverhütung, homosexuelle Paare, Schwangerschaftsabbruch, Gleichberechtigung der Frau) werden häufig als Austrittsgrund angegeben. Immer wieder führen auch Skandale in den Reihen der Kirchen, wie z. B. Berichte über sexuellen Kindesmissbrauch, zu verstärkten Austrittszahlen.

Oftmals ist auch die Vermeidung der Entrichtung der Kirchensteuer bzw. Kritik an deren Höhe das Primärziel.[1] Auch gläubige Christen treten aus diesem Grund aus, nicht nur um das Geld zu sparen, sondern auch, weil sie mit der Verwendung der Kirchensteuern nicht einverstanden sind. Auch Differenzen in entscheidenden Lehrfragen können ein Austrittsgrund sein; nicht selten sind dann Gründungen von Hauskreisen bzw. neuen, unabhängigen Gemeinden die Folge.

Folgen des Kirchenaustritts

Behandlung im staatlichen Recht

Der Kirchenaustritt hat zur Folge, dass der Staat keine Rechtsfolgen mehr an eine Mitgliedschaft knüpfen darf (z. B. Kirchensteuereinzug, Verpflichtung zur Teilnahme am Religionsunterricht[2]); aus seinem Blickwinkel gilt das Mitglied unabhängig vom jeweiligen kirchenrechtlichen Standpunkt als ausgetreten.

Ein Kirchenaustritt kann auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, sofern der Arbeitgeber ein kirchlicher Träger ist (z. B. Caritas, Diakonisches Werk). In der Regel ist nämlich das Dienstverhältnis bei diesen Arbeitgebern an einer kirchlichen Mitgliedschaft gebunden, weswegen im Falle eines Kirchenaustritts auch das Dienstverhältnis aufgehoben wird.

Behandlung im kirchlichen Recht

Von dieser Wirkung des Kirchenaustritts im staatlichen Bereich ("Bürgerliche Wirkung") zu unterscheiden ist die Frage, ob die jeweilige Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft den vor einer staatlichen Stelle erklärten Austritt für sich anerkennt. Das Mitgliedschaftsrecht der einzelnen Gemeinschaften (Kirchenrecht) unterscheidet sich hier stark.

Gemeinschaften, die keine Beendigung der Mitgliedschaft zulassen

Katholische Kirche

Die Katholische Kirche kennt keinen Austritt aus der Glaubensgemeinschaft Kirche, da eine Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann. Dennoch knüpft sie an einen entsprechenden Versuch kirchenrechtliche Folgen. In der 1970 veröffentlichten „Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens“ [3] und in der „Erklärung der deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche“ [4] vom 24. April 2006 wird ein Kirchenaustritt als Apostasie, Häresie oder Schisma im Sinne einer öffentlichen Lossagung von der Kirche gewertet und ist somit ein gegen den Glauben und die Einheit der Kirche gerichteter Straftatbestand. „Der Apostat, Häretiker oder der Schismatiker ziehen sich die Exkommunikation als Tatstrafe zu (...)“ (vlg. Can.1364 CIC). O.g. Erklärungen der Diözesanbischöfe werteten die Verweigerung der Kirchensteuerzahlung als grobe Verletzung der Solidaritätspflicht eines jeden Katholiken und insofern als schwer schuldhaftes Vergehen gegen die Gemeinschaft und die Einheit der Kirche, so dass Can.1364 zur Anwendung kommen kann. Diese Anwendung ist jedoch umstritten, da nicht feststehe, dass der Austritt tatsächlich ein äußerer Ausdruck für einen vollständigen oder teilweisen Glaubensabfall sei.

Unabhängig davon erkennt sie den Kirchenaustritt in mancher Hinsicht als formale Trennung von der Kirche an. Zum Beispiel ist eine rein standesamtliche Ehe eines Katholiken, der "durch einen formalen Akt von [der katholischen Kirche] abgefallen ist", anders als sonst bei Katholiken auch aus kirchlicher Sicht gültig (Can. 1117 CIC). Personen, die aus der katholischen Kirche „ausgetreten“ sind, können in Deutschland laut der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse keine Arbeitsverträge mit den Rechtsträgern der katholischen Kirche abschließen (Art. 3 Abs. 4). [5] Wer bei bestehendem Arbeitsvertrag im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse aus der katholischen Kirche austritt, verliert seinen Arbeitsplatz.

Sonstige

Auch manche jüdischen Gemeinschaften kennen keinen Austritt: Ein Jude bleibt nach ihrem Verständnis auch dann ein Jude, wenn er ausgetreten ist.

Gemeinschaften, die eine Beendigung der Mitgliedschaft zulassen

Das Mitgliedschaftsrecht der evangelischen Landeskirchen kennt dagegen einen Kirchenaustritt. Der Austritt wird jedoch zumeist - anders etwa in Bremen - nicht bei kirchlichen Behörden entgegengenommen, sondern muss nach den staatlichen Kirchenaustrittsgesetzen dort erfolgen. So bestimmt § 10 des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland:

Die Kirchenmitgliedschaft endet
  1. mit Fortzug aus dem Geltungsbereich dieses Kirchengesetzes; § 11 bleibt unberührt;
  2. durch Übertritt zu einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft nach dem Recht der Gliedkirchen; oder
  3. mit dem Wirksamwerden der nach staatlichem Recht zulässigen Austrittserklärung.

§ 10 Nr. 3 knüpft also an den mit bürgerlicher Wirkung erklärten Austritt nach den Kirchenaustrittsgesetzen der Länder an, die Kirchenmitgliedschaft endet dann kraft Gesetzes. Trotz alledem macht auch nach evangelischem Verständnis die Kirchenmitgliedschaft die Taufe nicht rückgängig − bei einem Wiedereintritt erfolgt also keine erneute Taufe. Die Folgen der fehlenden Kirchenmitgliedschaft sind in den Grundordnungen, den Lebensordnungen bzw. im Arbeitsrecht der einzelnen Landeskirchen geregelt. So erlischt etwa das aktive und passive Wahlrecht zu kirchlichen Leitungsgremien. Insbesondere ist die Kirchenmitgliedschaft auch im evangelischen Bereich Voraussetzung zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses (vgl. etwa § 3 lit. a) des Kirchlichen Gesetzes über das Dienstverhältnis der kirchlichen Mitarbeiter im Bereich der Landeskirche und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Landeskirche in Baden; allerdings mit Ausnahmen in § 4).

Behandlung in der Theologie

Unabhängig von der Frage der (kirchen-)rechtlichen Mitgliedschaft ist die theologische Frage, ob der Eintrittsakt durch den Austritt aufgehoben wird oder dessen ungeachtet religiös wirksam bleibt.

So besteht beispielsweise bei den christlichen Kirchen - sowohl denen, die einen Austritt kennen als auch denen, die ihn nicht kennen - die Übereinstimmung, dass die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann, ein evangelisch oder katholisch getaufter Christ also stets getauft bleibt.

Wiedereintritt

Für den Wiedereintritt gibt es im staatlichen Recht keine eigenen Regelungen. Es knüpft stattdessen ebenso wie bei der Taufe an das Mitgliedschaftsrecht der jeweiligen Religionsgemeinschaft an. Ein Kirchenwiedereintritt ist möglich, wenn die jeweilige Gemeinschaft bereit ist, den Ausgetretenen wieder aufzunehmen. Ein vor staatlichen Gerichten einklagbares Recht auf Wiedereintritt besteht ebenso wenig wie ein entsprechendes Recht auf Taufe (d. h. den ursprünglichen Eintritt). Allerdings sind die meisten Kirchen durch ihr Selbstverständnis und ihre eigenen Vorschriften gezwungen, ein ehemaliges Mitglied, das die entsprechende Glaubensüberzeugung mitbringt, wieder aufzunehmen.

Lokale Besonderheiten

Die Vorgehensweisen und Begleitumstände beim Kirchenaustritt sind von Staat zu Staat und auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In vielen Staaten wird die Religionszugehörigkeit nicht oder nur zu statistischen Zwecken ohne Rechtsfolgen für den einzelnen staatlich registriert, so dass hier nur ein Austritt bei der Religionsgemeinschaft selbst möglich ist.

In Belgien und Luxemburg ist bei der römisch-katholischen Kirche die Praxis z. B. so, dass ein Austrittsschreiben mit den nötigen Angaben über die Taufe an das für den Wohnort zuständige Generalvikariat zu richten ist. Die Austrittserklärung wird dann im Taufregister vermerkt und dem Ausgetretenen vom Generalvikariat bestätigt.

Deutschland

Wegen der Trennung von Kirche und Staat und der weltanschaulichen Neutralität des Staates betrachtet sich der Staat als gehindert, den Religionsgemeinschaften vorzuschreiben, wen diese als Mitglied betrachten und wen nicht. Diese Entscheidung soll dem Innenrecht der jeweiligen Gemeinschaft vorbehalten (vgl. Kirchliches Selbstbestimmungsrecht) sein.

Allerdings muss der Staat, sofern er an die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft Rechtsfolgen im staatlichen Recht knüpft, die negative Religionsfreiheit des Austrittswilligen beachten, also dessen Grundrecht, einer Religion nicht anzugehören. Die praktisch bedeutendste dieser Folgen im staatlichen Recht ist die Kirchensteuer. Da nicht alle Religionsgemeinschaften einen Kirchenaustritt kennen (nicht beispielsweise die römisch-katholische Kirche - auch die Exkommunikation ist kein Kirchenausschluss - und viele jüdische Gemeinschaften), haben die Länder Kirchenaustrittsgesetze erlassen, die sicherstellen, dass jedenfalls für das staatliche Recht keine Rechtsfolgen mehr eintreten. Zu regeln, dass die jeweilige Gemeinschaft diesen Austritt auch intern anerkennt, ist dem staatlichen Recht dagegen wegen der Trennung von Staat und Kirche verwehrt. Das wird deutlich etwa an der Formulierung des § 26 Abs. 1 S. 1 des Kirchensteuergesetzes Baden-Württemberg:

Jeder hat das Recht, aus einer Religionsgemeinschaft durch eine Erklärung gegenüber dem für seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Standesbeamten mit bürgerlicher Wirkung auszutreten.

Unerheblich ist, ob es sich um einen Austritt aus Kirchen oder aus anderen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religions- (z. B. Judentum) und Weltanschauungsgemeinschaften (bfg, regional HVD) handelt.

Zuständige Behörde

Der Austritt muss in Deutschland je nach Bundesland entweder vor dem Amtsgericht (in Berlin[6], Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und in Thüringen) oder vor dem Standesamt (andere Bundesländer) erklärt werden. Ein Austritt per Brief ist nur mit notarieller Beglaubigung möglich. In Bremen kann der Austritt alternativ auch bei der Kirchengemeinde erklärt werden. Es muss ein Lichtbildausweis mitgebracht werden. Bei Verheirateten wird teilweise auch die Heiratsurkunde oder das Familienstammbuch verlangt.

Austritt mit „nur bürgerlicher Wirkung“

Lange war umstritten, ob beim Austritt aus Gemeinschaften, deren Mitgliedschaftsrecht an die staatlichen Austrittsgesetze anknüpft, erklärt werden kann, der Austritt solle nur für den staatlichen Bereich gelten, die Mitgliedschaft aber bestehen lassen. Die Folge dieses "Kirchenaustritts mit nur bürgerlicher Wirkung" wäre eine Mitgliedschaft ohne entsprechende Verpflichtungen (z. B. keine Zahlung von Kirchensteuer). Die Streitfrage hat sich aber dadurch erledigt, dass die Kirchenaustrittsgesetze insoweit geändert wurden, als sie Zusätze und Bedingungen zur Austrittserklärung nicht mehr zulassen.

Wie das Kirchenrecht solche Erklärungen behandelt, möchte der Staat dagegen nicht regeln. So ist es katholisch-kirchenrechtlich gerade wieder in der Diskussion, wie die kirchenrechtliche Situation ist, wenn ein Austretender ausdrücklich erklärt, in der Kirche als Glaubensgemeinschaft bleiben zu wollen. Der emeritierte Professor Hartmut Zapp ficht derzeit einen Präzedenzfall.

Austrittsgebühren

In einigen Bundesländern fallen Gebühren an, die derzeit (2005) bis zu 50 Euro (in Teilen Baden-Württembergs) reichen. In Nordrhein-Westfalen sind (seit Mitte 2006) 30 Euro, in Sachsen 5 Euro Gebühren fällig. Diese Gebühren, von deren Zahlung meist auch sozial Schwache nicht befreit sind, werden von Kritikern wie dem IBKA als Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Bekenntnisfreiheit angesehen, weil jede Erschwerung des Kirchenaustritts verfassungswidrig sei, das aufwändige Verwaltungsverfahren überflüssig sei, für die Kosten ggf. die Kirchen selbst aufzukommen hätten und sie bedürftige Menschen, die meist keine Kirchensteuer zahlen und somit von einem Austritt finanziell nicht profitieren, effektiv von einem Austritt abhalten können. Die Höhe der Gebühr stehe oft in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bearbeitungsaufwand, der mit einem Kirchenaustritt verbunden sei. Die Kritiker meinen, dass in Wirklichkeit nur der Kirchenaustritt erschwert werden solle.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2008 (Az. 1 BvR 3006/07)[7] hat das Bundesverfassungsgericht sowohl das staatliche Verwaltungsverfahren zum Kirchenaustritt als auch die Erhebung der Gebühr von 30 Euro in Nordrhein-Westfalen für verfassungsgemäß erklärt, weil dieses Verfahren für die staatliche Mitwirkung bei der Erhebung der Kirchensteuer erforderlich sei. Dabei verneinte es, dass die Gebühr von 30 Euro eine vom Kirchenaustritt abhaltende Wirkung habe, da in Nordrhein-Westfalen im Fall der Bedürftigkeit des Antragsstellers von der Erhebung der Gebühr abgesehen werde. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Entscheidung Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt (http://ibka.org/node/758), über die noch nicht entschieden wurde.

Austritt von Minderjährigen

Der Austritt von Kindern unter 12 Jahren wird alleine von den Erziehungsberechtigten bestimmt. Ist das Kind 12 oder 13 Jahre alt, kann nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung die Austrittserklärung durch den Erziehungsberechtigten nur mit seiner Zustimmung erfolgen. Ab 14 Jahren liegt die Entscheidung alleine beim Austretenden, siehe Religionsmündigkeit.

Austritt von Geschäftsunfähigen

Für einen volljährigen Geschäftsunfähigen kann sein Betreuer den Austritt erklären, soweit sein Aufgabenkreis reicht. Er ist allerdings nach § 1901 BGB an die Wünsche des Betroffenen gebunden. Dies ist in den Kirchenaustrittsgesetzen der Bundesländer geregelt, nur Bayern verbietet eine entsprechende Stellvertretung (siehe unter Literatur).

Verfahrensweise bei der Lohnsteuer

Eine Austrittbescheinigung wird entweder sofort übergeben oder einige Tage nach der Austrittserklärung zugesandt, mit der beim Einwohnermeldeamt die Streichung der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte veranlasst werden kann, damit keine Kirchensteuer mehr erhoben wird. Die Austrittsbescheinigung sollte nicht verloren gehen, weil nach einem Umzug häufig bewiesen werden muss, dass man der Religionsgemeinschaft nicht mehr angehört, damit man nicht erneut zur Zahlung von Kirchensteuer herangezogen wird.

Personen, die vom Austritt unterrichtet werden

Vom Kirchenaustritt unterrichtet werden:

  • Die Heimatgemeinde (Einige Religionsgemeinschaften vermerken den Austritt z. B. im Taufregister)
  • Das Einwohnermeldeamt (Streichung der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte. Muss vom Austretenden selbst unternommen werden falls er die neue Karte für das laufende Jahr verwenden will)
  • Der Arbeitgeber (indirekt über die Lohnsteuerkarte)

Zahl der Austritte

Die Zahl der Kirchenaustritte lag zwischen 1970 und 1989 in Westdeutschland zwischen 110.000 und 220.000 (evangelische Kirche) und zwischen 50.000 und 90.000 (katholische Kirche) jährlich, nachdem sie in den 1950er und 1960er Jahren noch deutlich geringer war. Diese Zahlen stiegen im Verlauf der Wiedervereinigung nochmals stark an und erreichten 1992 ihren Höhepunkt mit ca 360.000 (evangelische Kirche) bzw. ca. 190.000 Austritten (katholische Kirche) in Gesamtdeutschland. Danach fielen die Austrittszahlen wieder ab und haben sich seit etwa 1998 bei ca. 180.000 (evangelische Kirche) und 100.000-130.000 (katholische Kirche) stabilisiert. Seit dem Jahr 2000 ist ein sich annähernder Trend bei den Austrittszahlen beider Konfessionen zu beobachten. Die Zahl der Wiedereintritte und Übertritte liegt in der Evangelischen Kirche erheblich höher als in der röm.-kath. Kirche.

Die Austrittszahlen haben, zusammen mit Faktoren wie der demographischen Entwicklung und Migrationsbewegungen, dazu geführt, dass 2006 in Deutschland 62,0 % der Gesamtbevölkerung einer der beiden Großkirchen angehörte.

Österreich

In Österreich muss der Austritt bei der Bezirkshauptmannschaft oder (in Statutarstädten) beim Magistrat erklärt werden. Es müssen ein Lichtbildausweis, der Meldezettel und im Falle einer Namensänderung eine Urkunde hierzu (i. d. R. die Heiratsurkunde) vorgelegt werden. Der Taufschein ist, sofern vorhanden, ebenfalls erforderlich [8], da auf dessen Rückseite der Austritt mit einer Stampiglie bestätigt wird. Ist kein Taufschein mehr vorhanden, kann man dennoch austreten, es erfolgt dann lediglich eine Protokollierung bei der Behörde.

Anders als in Deutschland muss der Austritt jedoch nicht persönlich erfolgen, auch ein Brief an die zuständige Behörde ist zulässig und es ist dafür kein Ausweis nötig. Der Austritt wird mit diesem Tag rechtsgültig.

In manchen Bezirken reicht es auch aus, den Austrittswunsch der Bezirkshauptmannschaft per E-Mail mitzuteilen, samt Kirchenbeitragsnummer, die man zuvor ebenfalls per Mail bei der zuständigen Kirchenbeitragsstelle (E-Mail-Adressen findet man im Internet) erfragen kann. Auf diesem Weg ist auch kein Taufschein erforderlich, da die Religionszugehörigkeit bereits mit der Beitragsnummer, die auch noch nicht Kirchensteuer zahlende Personen haben, erwiesen ist.

Einige Tage später wird von der Bezirkshauptmannschaft ein Brief an den Austretenden, an das Pfarramt, in dem der Austretende getauft wurde, und an die Kirchenbeitragsstelle des Bezirks geschickt, um vom Austritt zu informieren.

Ist der Austretende jünger als 14 Jahre, benötigt er die Zustimmung eines Erziehungsberechtigten.

Gebühren

Die Erklärung des Austritts aus einer Religionsgemeinschaft ist prinzipiell gebührenfrei. Falls jedoch ein Nachweis über den Austritt aus der Religionsgemeinschaft gewünscht wird, kann die Behörde Gebühren und Verwaltungsabgaben erheben. In Wien etwa machen diese Nachweisgebühren derzeit in Summe 15,10 € aus.[9]

Schweiz

Um aus der Kirche auszutreten, wird ein Brief an die Kirchengemeinde geschickt, der keine Begründung enthalten muss. Eine Kopie des Briefes kann an die staatliche Gemeinde geschickt werden, um sicherzustellen, dass der Vorgang nicht verschleppt wird. Man kann auch nur aus der Landeskirche austreten und trotzdem noch der Katholischen Kirche angehören. Diese Praxis wird vereinzelt ausgeübt, um die Kirchensteuern zu vermeiden.

Austretende, die jünger als 16 Jahre sind, benötigen die Zustimmung eines Erziehungsberechtigten.

Siehe auch

Literatur

  • Violet: Kirchenaustrittsbewegung. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. (2. Aufl.), Tübingen 1929, Spalten 827 – 832
  • P. Zieger: Kirchenaustrittsbewegung in Deutschland. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. (3. Aufl), Tübingen 1959, Spalten 1344 – 1348
  • N. Greinacher: Kirchenaustrittsbewegung. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg 1961, Spalten 194 – 197
  • Andreas Feige: Kirchenentfremdung/Kirchenaustritte. In: Theologische Realenzyklopädie Bd. XVIII, Berlin 1989, S. 530 – 535
  • Andreas Feige: Kirchenaustritt. In: Taschenlexikon Religion und Theologie. (4. Aufl) Göttingen 1983, S. 64 – 66
  • Deinert: Kirchenaustritt und Betreuung; FamRZ 2006, 243
  • Horst Herrmann: Kirchenaustritt jetzt, Argumente für Unentschlossene, Rasch und Röhrig Verlag, Hamburg, ISBN 3-442-12518-9
  • Pirson: Zur Rechtswirkung des Kirchenaustritts JZ 1971, 608
  • Richter: Handbuch Kirchenaustritt; IBDK-Verlag, Aschaffenburg, 1993, ISBN 3-922601-20-0

Quellenangaben

  1. Kirchenaustrittsgründe, Evangelische Kirche
  2. Artikel 136 Grundgesetz
  3. Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens
  4. Erklärung der deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche
  5. Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse
  6. http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/ag/kirchenaustritt.html
  7. http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20080702_1bvr300607.html
  8. help.gv.at - Austritt aus einer Glaubensgemeinschaft, Absatz erforderliche Unterlagen, 22. Juli 2006
  9. wien.gv.at - Anleitung zum Religionsaustritt, Absatz Kosten / Zahlung, 22. Juli 2006

Weblinks

Kirchenaustrittsgesetze

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