Reformierte Oberstufe

Reformierte Oberstufe

Die Reformierte Oberstufe (in Bayern auch Kollegstufe) ist ein spezielles Unterrichtssystem der letzten beiden Schuljahre in der gymnasialen Oberstufe, also der 12. und 13. Schulklasse (bzw. 11. und 12. Klasse) an deutschen Gymnasien. In der Reformierten Oberstufe sind die Klassenverbände mit einem starren Unterrichtspensum aufgelöst; stattdessen stellen die Schüler eine individuelle Kombination aus Kursen in verschiedenen Fächern zusammen (Kurssystem).

Seit 2000 wird die Reformierte Oberstufe (bzw. Kollegstufe) in zahlreichen Bundesländern grundlegend weiter reformiert. Die Bestimmungen für das Punktesystem gelten weiterhin, daher muss es zwei Fächer (ehemals Leistungskurse) mit doppelter Punktewertung geben.

Inhaltsverzeichnis

Mittler zwischen Schule und Universität

Das Kurssystem der Reformierten Oberstufe ähnelt dem System des Studiums an der Universität: Die Reformierte Oberstufe und die Abiturprüfung, die zum Universitätsstudium befähigen, soll die Schüler schon im Gymnasium mit der freieren, selbstständigen Lernstruktur der Universität vertraut machen.

Ähnlichkeiten zwischen Kollegstufe und Universität:

  • Gewichtung der Kurse. Als Hauptfächer muss man zwei Leistungskurse (in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland drei) belegen, die eine höhere Wochenstundenzahl haben und gut zur Hälfte die Abiturprüfung ausmachen. Daneben werden Grundkurse angeboten, die auch durch bloße Belegung oder Wahl als Abiturfach weiter differenziert gewichtet werden können. (siehe Grund- und Leistungskurse)
  • Facharbeit. Eine wissenschaftliche Arbeit in einem der Leistungs- oder Grundkurse, die selbständiges wissenschaftliches Arbeiten erfordert und einer Hausarbeit an der Universität ähnelt. Sie wird nicht in allen Bundesländern verlangt.
  • Kurssystem. In vielen Fächern hat man wechselnde Mitschüler, oft in einem anderen Unterrichtsraum.

Geschichte und rechtlicher Rahmen

Die Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe als Kurssystem sowie die Ausgestaltung des Abiturs als ausbildungsbegleitende, kumulative Prüfung gehen in der Bundesrepublik Deutschland zurück auf eine Vereinbarung der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972, die die Saarbrücker Rahmenvereinbarung ablöste. Seitdem ist die Reformierte Oberstufe mehrmals modifiziert worden („Reform der Reform“), wobei die Tendenz dahin ging, die zunächst sehr großen Wahlmöglichkeiten wieder einzuschränken; insbesondere ist es kaum noch möglich, die klassischen Hauptfächer abzuwählen und nur leichte (bzw. gemeinhin als leicht angesehene) Abiturfächer zu wählen.

Die Leistungen aus den zwei letzten Jahren gehen mit erheblichem Gewicht ins Abiturzeugnis ein; die Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe ergibt sich deshalb weitgehend aus den Rechtsvorschriften über die Abiturprüfung. Diese Vorschriften umfassen ein feinverästeltes und hochgradig verknüpftes Netz von Regeln, welche Kombinationen von Kursen

  • belegt werden können,
  • in die Abiturwertung eingebracht werden können,
  • als Abiturprüfungsfach gewählt werden können.
  • als schriftliches Abiturprüfungsfach gewählt werden können.

In Ostdeutschland ist diese Regelung mit dem Abiturjahrgang 1996 in Kraft getreten und löste damit die Übergangsregelungen ab, die für die Abiturjahrgänge 1990 bis 1995 geschaffen worden waren.

Einführungs- und Qualifizierungsphase

Die gymnasiale Oberstufe umfasst laut gültiger Vereinbarung der bundesdeutschen Kultusministerkonferenz eine einjährige Einführungs- und eine zweijährige Qualifizierungsphase. In Bundesländern, die das Abitur schon nach zwölfjähriger Schulzeit vorsehen (siehe Dauer der Schulzeit), fällt die Einführungsphase in die Jahrgangsstufe 10, die bisher nicht der „Oberstufe“ zugerechnet wird; die Nomenklatur ist verwirrend, weil diese Jahrgangsstufe nun eine doppelte Zuordnung hat, indem sie zur Erlangung des Abschlusses nach der Klasse 10 (Mittlere Reife) notwendig und zugleich bereits Teil der gymnasialen Oberstufe ist. Die Einführungsphase kann im Klassenverband oder im Kurssystem stattfinden.

Der Umstand, dass in Ländern mit dreizehnjähriger Schulzeit das elfte Schuljahr von manchen Schülern ohne Zeitverlust für einen Auslandsaufenthalt genutzt wird, zeigt nach Auffassung von Kritikern, dass die Einführungsphase für viele Schüler vor allem Leerlauf bedeute. Die Tatsache, dass nur ein sehr geringer Teil der Schüler das elfte Schuljahr im Ausland verbringt und längst nicht jeder diese Jahrgangsstufe erfolgreich „überspringt“ (immerhin wurde auch im Ausland eine Schule besucht) spricht allerdings gegen diese Behauptung.

In manchen Bundesländern hingegen gilt unter Schülern und Lehrern das elfte als das schwerste Schuljahr. Die elfte Klasse ist hier wohl, wie geplant, das Sprungbrett zur Kursstufe und vermittelt Kenntnisse, die absolut notwendig für die restliche Schullaufbahn sind.

Aufgabenfelder

Einige Beleg- und Einbringregeln nehmen Bezug auf die Unterteilung der Fächer in

  • das sprachlich-literarisch-künstlerische Aufgabenfeld (I)
  • das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld (II)
  • das mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Aufgabenfeld (III)

Sport ist keinem Aufgabenfeld zugeordnet. Für Religion gelten landesspezifische Regelungen.

Daneben gibt es an vielen Schulen außerhalb dieses Rahmens weitere Wahlfächer wie z. B. Orchester oder Chor, die zwar eingebracht werden können, in denen jedoch keine Abiturprüfung abgelegt werden kann.

Bei der Wahl der vier bis fünf Abiturfächer (die zwei Leistungskurse sowie ein Grundkursfach schriftlich und ein oder zwei Grundkursfächer mündlich (Colloquium)) müssen alle drei Bereiche abgedeckt werden. Dabei muss beachtet werden, dass es sich bei zwei der Abiturfächer um Kernfächer (siehe oben) handelt.

Grund- und Leistungskurse

Grund- rsp. in Schleswig-Holstein gA- (grundlegendes Anforderungsniveau) und Leistungs-, Erweiterungs- bzw. in Schleswig-Holstein eA-Kurse (erhöhtes Anforderungsniveau) gliedern das Lernangebot „dem Niveau nach“.

Je nach Bundesland wählen die Schüler

  • zwei Leistungskurs-Fächer, die je fünf- oder sechsstündig unterrichtet werden (Standard)
  • drei oder mehr Grundkurs-Fächer (am Beruflichen Gymnasium in Schleswig-Holstein genau zwei, 1. vier- bis sechsstündig sowie 2. fünfstündig), die mindestens vierstündig unterrichtet werden.

Eines der Leistungskursfächer muss Deutsch, Mathematik, eine fortgeführte Fremdsprache oder eine Naturwissenschaft sein. Das zweite Fach kann dann aus dem Angebot der Schule frei gewählt werden. Einzelne Länder beschränken überdies die möglichen Leistungskurskombinationen.

Die Grundkurse sind mindestens zwei- oder dreistündig, in Deutsch, Fremdsprachen und Mathematik mindestens dreistündig.

Abkehr von der Reformierten Oberstufe

Einen anderen Weg geht seit dem Abiturjahrgang 2004 das Land Baden-Württemberg. Hier wurden die Grund- und Leistungskurse gänzlich abgeschafft. Stattdessen muss jeder Schüler vierstündig Mathematik, Deutsch sowie eine Fremdsprache belegen und auch als schriftliches Prüfungsfach im Abitur belegen. Hinzu kommt, ebenfalls vierstündig, ein so genanntes Profilfach mit eingeschränkten Wahlmöglichkeiten und das Neigungsfach, das (im Rahmen der an der Schule angebotenen Fächer) frei gewählt werden kann. In einem dieser Fächer muss ebenfalls eine schriftliche Abiturprüfung abgelegt werden. Als zweistündige Fächer müssen – sofern nicht schon vierstündig gewählt – die folgenden Fächer belegt werden:

  • zwei Naturwissenschaften
  • Geschichte
  • Geografie und Gemeinschaftskunde (im Wechsel je zwei Halbjahre)
  • Religion oder Ethik bzw. Philosophie
  • Musik oder Kunst
  • Sport

Auch in Bayern ist mit der Einführung des achtstufigen Gymnasiums (G8) eine Reform der Oberstufe umgesetzt worden. So wurden beispielsweise die Leistungskurse durch so genannte Seminarkurse ersetzt.

Die flächendeckende Einführung einer sogenannten Profiloberstufe ist in den Bundesländern Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg beschlossen worden.

Insgesamt ist in den meisten Bundesländern der Trend zu erkennen, dass die Spezialisierungs- und (Ab-)Wahlmöglichkeiten der Schüler wieder eingeschränkt werden und der Fokus wieder stärker auf eine breitere Allgemeinbildung durch stärkere Gewichtung der sogenannten Kernfächer (Deutsch, Mathematik, Englisch) gesetzt wird. Durch die Bündelung von Kurswahlmöglichkeiten zu Profilen werden teilweise die durch die Reformierte Oberstufe abgeschafften Klassenverbände wieder eingeführt. [1]


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