Rechtshänder

Rechtshänder
Dominante (das Werkzeug führende) und nichtdominante (unterstützende) Hand

Der Begriff Händigkeit beschreibt das Phänomen, dass Primaten, also auch Menschen, für feinmotorische Tätigkeiten konsistent eine Hand bevorzugen, die so genannte dominante Hand.

Inhaltsverzeichnis

Rechts- und Linkshändigkeit

Menschen sind so genannte Einhänder: Anspruchsvolle Aufgaben sind zwischen der rechten und linken Hand jeweils eindeutig verteilt. Die Hand, die z. B. den Schreibstift oder die Nähnadel führt, wird als „dominant“ bezeichnet – wenn auch etwa der Neurologe F. R. Wilson die Eindeutigkeit des Dominanzbegriffs relativiert. Die antizipierende und unterstützende Tätigkeit der nichtdominanten Hand sei ebenso anspruchsvoll wie die Aktivität der das Werkzeug führenden dominanten Hand.[1]

Auffällig hierbei ist die hohe Zahl von Rechtshändern. Der Anteil von Linkshändern an der Bevölkerung wird von den Neurologen J. F. Stein und C. J. Stoodley mit konstanten runden 10% angegeben.[2] Der Anteil von so genannten Beidhändern ist Definitionssache: Für das Führen eines Besens oder der Zahnbürste benutzen über 60% der Rechtshänder und etwa 99% der Linkshänder auch die nichtdominante Hand,[3] je anspruchsvoller aber die Aufgaben werden, desto deutlicher strebt der Anteil funktioneller Beidhänder gegen Null.

Eine klare Überrepräsentation der Rechtshändigkeit findet sich in allen menschlichen Kulturen, historische oder geographische Unterschiede lassen sich nicht feststellen. Sogar längst ausgestorbene Verwandte des modernen Menschen wie der Australopithecus und der Neandertaler waren bereits überwiegend rechtshändig, das belegen Kampfverletzungen.[4] Auch heute sind in den unterschiedlichsten Zivilisationen etwa 90% der Menschen rechtshändig.[5] Folglich müssen biologische Gründe angenommen werden. Da Händigkeit in Familien häufig weitergegeben wird, ein Viertel aller eineiigen Zwillinge aber unterschiedliche Händigkeiten aufweist,[6] geht man heute von Vererbungstendenzen aus, die nicht den mendelschen Gesetzen folgen. In jüngster Zeit sind genetische Erklärungen präzisiert und eine bestimmte Stelle auf dem Chromosom 2 genannt worden.[7]

„Händigkeit“ bei Tieren

Typische Asymmetrien des nervösen Systems lassen sich schon bei den Weich- und Krustentieren beobachten.[8] Ratten, Katzen und Affen bevorzugen allesamt eines ihrer Gliedmaßen zur Durchführung anspruchsvollerer Aufgaben, allerdings sind „Rechts- und Linkshänder“ jeweils etwa gleich stark vertreten. Unter den höheren Primaten gilt ähnliches für die Schimpansen; Gorillas dagegen sind wie der Mensch mehrheitlich rechtshändig, jedenfalls benutzen sie beim Trommeln auf die Brust und bei der gestischen Kommunikation vor allem die rechte Hand.[9]

Lateralität von Gehirn und Hand

Das menschliche Gehirn, von oben gesehen (Magnetresonanztomographie)

Zwar wirken die beiden Hemisphären des Gehirns äußerlich fast wie Spiegelbilder, aber sie unterscheiden sich deutlich in ihren Funktionen. Die eine Hirnhälfte ist spezialisiert auf alles, was mit Sprache zu tun hat, die andere orientiert sich im Raum, erkennt Gesichter und reagiert emotional, zum Beispiel auf Musikstücke. Zugleich ist die linke Hirnhälfte mit der rechten Körperseite und die rechte Hirnhälfte mit der linken Körperseite „verdrahtet“.

Als „dominante“ Hirnhälfte wird diejenige bezeichnet, die für Sprachliches zuständig ist.[10] Bei 95% der Rechtshänder befindet sie sich links, bei 3% in beiden Hemisphären, bei 2% rechts. Auch bei der Mehrzahl der Linkshänder liegt das Sprachzentrum links, nämlich bei 70%, bei 15% ist es auf beide Hemisphären verteilt, bei weiteren 15% liegt es rechts. Es gibt also eine gewisse Korrelation zwischen der „dominanten“ Gehirnhälfte und derjenigen Gehirnhälfte, die die starke Hand steuert. Dennoch liegt das Sprachzentrum bei der Mehrzahl der Linkshänder auf der linken Seite, welche für die „schwache“ rechte Hand zuständig ist. Es liegt also keine eindeutige Gesetzmäßigkeit vor in der Verbindung von Händigkeit und Lateralisation des Gehirns. Wenn man einen Anteil von 10% Linkshändern voraussetzt, liegen bei etwa 7% der Bevölkerung die Steuerung der „starken“ Hand und das Sprachzentrum in verschiedenen Gehirnhälften – ohne dass Nachteile entstehen.[11]

Vorteile der Händigkeit

In der Evolution hat sich die hemisphärische Spezialisierung des Gehirns vermutlich durchgesetzt, weil so die beiden Hirnhemisphären nicht in Konkurrenz zueinander treten konnten.[12] Vorteile der Einhändigkeit gegenüber der Beidhändigkeit werden in größerer Präzision der Handarbeit durch spezifisches Training gesehen.[13] Unklar sind die Vorteile mehrheitlicher Rechtshändigkeit. Von Thomas Carlyle soll die „Schlachtfeldtheorie“ stammen, nach der Soldaten rechts die Waffe und links den Schild trugen, wodurch sie ihr Herz besser schützen konnten. Allerdings sind Schilde erst seit der Bronzezeit in Gebrauch, also seit etwa 5000 Jahren, und der überwiegend rechtshändige Australopithecus lebte bereits vor etwa 3 Millionen Jahren.[14]

Literatur

  • J. F. Stein und C. J. Stoodley: Neuroscience. An Introduction. John Wiley & Sons, Chichester 2006, ISBN 1-86156-389-2.
  • F. R. Wilson: Die Hand – Geniestreich der Evolution. Ihr Einfluß auf Gehirn, Sprache und Kultur des Menschen. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002, ISBN 3-499-61338-7.
  • P. A. Young, P. H. Young und D. L. Tolbert: Basic Clinical Neuroscience. 2. Auflage. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia 2008, ISBN 0781753198.

Einzelnachweise

  1. Wilson (s. Literatur)
  2. Stein und Stoodley, S. 427 (s. Literatur)
  3. Stein und Stoodley, S. 428
  4. Stein und Stoodley, S. 434
  5. Stein und Stoodley, S. 428
  6. Stein und Stoodley, S. 434
  7. Stein und Stoodley, S. 428
  8. Stein und Stoodley, S. 432
  9. Stein und Stoodley, S. 428 und 433
  10. Young, Young und Tolbert, S. 364 (s. Literatur)
  11. alle Prozentzahlen in Stein und Stoodley, S. 427 bis 440
  12. Stein und Stoodley, S. 435
  13. Stein und Stoodley, S. 428
  14. Stein und Stoodley, S. 428

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