Rathaus (Memmingen)

Rathaus (Memmingen)
Memminger Rathaus

Das Rathaus im oberschwäbischen Memmingen ist ein mehrstöckiger Renaissancebau des 16. Jahrhunderts. Es setzt einen starken städtebaulichen Akzent und schließt den Marktplatz nach Nordosten ab. Es zählt zu den berühmtesten Bauwerken Memmingens.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Rathaus steht am hinteren Teil des Marktplatzes, westlich umrahmt vom Steuerhaus, östlich von zwei kleinen Häusern und der Großzunft. Direkt dahinter befindet sich der älteste Teil der Stadtbefestigung. In der Schlossergasse, die sich östlich an das Rathaus anschließt, stehen das in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erbaute Welfenhaus und der Hexenturm (in Teilen aus dem 12. Jahrhundert). Das Welfenhaus ist durch einen Übergang mit dem Rathaus verbunden. Vor dem Rathaus steht ein neobarocker Marktbrunnen (1994 neu erbaut).

Baugeschichte

Das Memminger Rathaus von hinten

Um 800 soll auf dem Platz, auf dem das Rathaus steht, ein Heiliger namens Martin erschlagen worden sein. Bereits im 14. Jahrhundert wurde eine Ratsstube erwähnt. 1488 wurde der alte Ratssitz aufgestockt und danach mehrmals erweitert (z. B. 1522). Das damalige Rathaus war ein Fachwerkbau mit offenen Lauben. Den heutigen Prunkbau plante man vermutlich im Jahre 1565, denn in diesem Jahr brach man zwei Rippen des Steuerhauses ab. Aber erst im Jahr 1589 verwirklichte man den Plan des Stadtwerkmeisters Johann Jakob Ehinger. Der Bau kostete die unvorstellbare Summe von damals 30.000 Gulden (der Stadthaushalt betrug damals etwa 90.000 Gulden). Das Rathaus hatte schon damals die heutige Gestalt mit einem hohen Giebel, flankiert von zwei kleinen Erkern. Im 18. Jahrhundert, als sich die Adligen Landschlösser zulegten, wollte die Stadtrepublik nicht nachstehen und errichtete ebenfalls ein prachtvolles Gebäude als Wahrzeichen Memmingens. Das Rathaus wurde im Rokoko-Stil nach den Entwürfen von Johann Georg Knoll und Jakob Mitteregger umgestaltet. 1764–1765 erhielt der Giebel sein geschwungenes Profil, die Fenster wurden mit Stuckdekor eingefasst. Die Portaltrias bekam geschnitzte Türflügel. Die Oberlichter der Seiteneingänge sind seitdem mit den Wappen der Stadt und des Geheimen Rats versehen. Das große Mitteltor gestattete selbst Frachtfuhrwerken die Einfahrt in die zweischiffige Gewölbehalle. Im Keller des Rathauses befand sich die alte Ratsstube. Er ist so tief, dass hier stets kühle 4 °C herrschen. Am 12. Mai 1918 wurde im Rathaus ein sogenanntes Kriegswahrzeichen als Glasbild der Öffentlichkeit übergeben. Es zeigt eine siegreiche Garnison, wie sie in die Stadt einzieht. Diese Garnison war 1914 von Neu-Ulm nach Memmingen verlegt worden. In der Hoffnung auf eine siegreiche Rückkehr der Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg stifteten Memminger Bürger Geld für Kriegerwitwen und -waisen. Als Nagelung für diese Stiftungen wurde das Glasbild angefertigt und im Treppenhaus inmitten der Wappen der Stadt angebracht.[1] Die vordere Fassade des Rathauses wurde 1908 und zuletzt im Jahre 2007 für ca. 100.000 Euro saniert.

Baubeschreibung

Vorderseite

Die Vorderseite des Rathauses besitzt drei Eingänge, ein großes Tor, flankiert von zwei kleineren Eingangstüren. Durch das Tor konnten Fuhrwerke direkt in die große Halle des Rathauses fahren. Darüber steht die Jahreszahl 1589 für das Baujahr, über den beiden Türmen sind die vergoldeten Wappen des Geheimen Rates und der Reichsstadt angebracht. Der untere Teil des Hauses ist dunkelgrau gestrichen und besitzt rillenartige Vertiefungen.

Über dem Tor befindet sich ein eckiger Erker mit einer mechanischen Uhr. Über der Uhr geht der Erker in einen runden Erkerturm über. Die beiden anderen runden Erkertürme links und rechts außen sind mit geschwungenen Wänden verbunden. Die Erkertürme besitzen kupfergedeckte welsche Hauben mit dem Stadtwappen als Wetterfahne. Die zahlreichen Fenster sind mit Stuck verziert. Die Grundfarbe des oberen Hausteils ist hellgrau mit dunkelgrauen Fensterumrahmungen.

Rückseite

Die Rückseite des Rathauses besitzt zahlreiche rundbögige Fenster, die im Gegensatz zu denen auf der Vorderseite nicht stuckiert sind. Die verschiedenen Stockwerke des Hauses sind mit Zierleisten besetzt. Die Läden der oberen Fenster sind noch etwas dunkler als die dunkelgraue Fassadenfarbe.

Erdgeschoss

Im Erdgeschoss betritt man durch das mittlere Tor oder die rechte Tür eine große Halle, die mit einer Spitzbogendecke ausgestattet ist und als Versammlungsraum genutzt wird. 1825 wurde die Nordhälfte für das städtische Archiv abgeteilt, heute ist eine Glaswand eingezogen. Die Halle besitzt drei Säulen und rote Tongurte. Durch die westliche Tür gelangt man in das sogenannte Stüble, einen kleinen Mehrzweckraum, in dem beispielsweise die Einschreibung bei Bürgerbegehren stattfindet.

Erster Stock

In den ersten Stock gelangt man über die große repräsentative Treppe im Erdgeschoss. Hier befinden sich Verwaltungsräume, sowie das Büro des Oberbürgermeisters und seines Stellvertreters. An den Wänden hängen Ölbilder der früheren Oberbürgermeister. Die einzelnen Türen sind reich geschnitzt und besitzen aufwendige Intarsien. Das Büro des Oberbürgermeisters mit vertäfelten Holzwänden befindet sich im linken Erkerturm.

Zweiter Stock

Auch im zweiten Stock befinden sich Verwaltungsräume. Außerdem ist dort der Sitzungssaal des Stadtrates untergebracht. Die Türen sind ebenfalls mit Intarsien und Schnitzereien verziert.

Wichtige Ereignisse im und um das Rathaus

Das Memminger Rathaus, festlich zum Kinderfest 2008 geschmückt.

Im Juli 1524 demonstrierte die Memminger Bürgerschaft vor dem Rathaus für die Einführung der Reformation. Diese wurde am Nikolausabend desselben Jahres rituell durch das Neue Abendmahl in St. Martin eingeführt. Am 21. April 1525 wurde die Bürgerschaft im Harnisch vor das Rathaus gerufen, da angenommen wurde, dass Truppen des Schwäbischen Bundes wegen der Zwölf Artikel und der Verfassungsgebenden Bauernversammlung auf die Stadt marschieren würden.

1534 verkündete ein Memminger Bürger vor dem Rathaus, dass er seinen Sohn in das Frauenhaus geschickt habe, damit er etwas lerne. Dies ist vor allem im Zusammenhang damit zu sehen, dass in diesem Jahr die Prediger der Stadt gegen das Frauenhaus wetterten, die Memminger Bürger sich aber oft schützend vor die Prostituierten des Frauenhauses stellten.

Am 8. Oktober im Jahr 1551 riefen die kaiserlichen Kommissare Abt Gerwick und Heinrich Hase den Rat der Stadt, den Stadtmann und die Elfer auf den Rathausplatz, um ihnen das kaiserliche Creditiv zu verlesen und sie zu dessen Umsetzung zu bewegen. Hierbei ging es um eine Verschlankung der städtischen Verwaltung und die Vormachtstellung der Patrizier im sogenannten Hasenrat.

Literatur

  • Julius Miedel: Führer durch Memmingen und Umgebung, Seite 91-93. Verlags- und Druckereigenossenschaft Memmingen, Memmingen 1929.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Memminger Zeitung, 28. August 2008, Seite 30
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