Rat für Migration

Rat für Migration

Der Rat für Migration (RfM) ist ein deutscher bundesweiter Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich mit Fragen von Migration und Integration beschäftigen, in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (e.V.)

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung

Der Rat für Migration setzt sich aus rund 35 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus dem gesamten Bundesgebiet und den verschiedensten Fachrichtungen zusammen. Erster Vorsitzender war der Soziologe Michael Bommes (Osnabrück, †2010), zweiter Vorsitzender der Politologe Dieter Oberndörfer (Freiburg). Weitere Mitglieder des aktuellen Vorstands sind Klaus J. Bade (Osnabrück), die Erziehungswissenschaftlerin Marianne Krüger-Potratz (Münster), der Amerikanist Berndt Ostendorf (München) und der Volkskundler Max Matter (Freiburg).

Geschichte

Seinen Ursprung hat der Rat für Migration in einer Gruppe von Wissenschaftlern, die 1994 das „Manifest der 60: Deutschland und die Einwanderung“ verfasst haben, welches der Migrationsforscher und Historiker Klaus J. Bade herausgegeben hatte. Die Forscher wandten sich mit dieser Schrift gegen den lange in Deutschland vertretenen Standpunkt „Deutschland ist kein Einwanderungsland“. Sie warfen der Politik vor, sich mit diesem Standpunkt den Aufgaben zu verschließen, die sich aus der faktisch stattfindenden Zuwanderung und der dauerhaften Niederlassung ergaben. Es müsse, so betonten sie, eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Erfordernisse einer angemessenen deutschen Zuwanderungs- und Integrationspolitik stattfinden. Diese Haltung drückt sich in der Einleitung des Manifests aus:

Kurzfristig mag es wichtigere Probleme geben als Migration, Integration und Minderheiten. Aber Deutschlands Zukunft hängt auch von einer Migrations- und Integrationspolitik mit Vernunft und Augenmaß ab. Den Rahmen für eine solche Politik abzustecken, ihre Ziele und Inhalte exemplarisch zu umreißen, ist Zweck des Manifests. Es enthält Diagnosen, Thesen und Vorschläge, aber keine Patentrezepte. Es versteht sich als Anstoß einer in Deutschland längst überfälligen Debatte.“ (Bade: Das Manifest der 60, S. 9)

Der Aufruf war motiviert von der Sorge über die wachsende Fremdenfeindlichkeit und damit in Zusammenhang stehenden gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer, welche die Forscher unter anderem auf die unzureichende politische Gestaltung von Zuwanderung und Integration in der BRD zurückführten.

Das Manifest hatte in der Debatte über Migration und Integration in Deutschland Akzente gesetzt und stieß die Diskussion in Politik, Medien und Wissenschaft mit an. Der – nach Meinung der Forscher – seit Jahren überfällige Diskussionsprozess war angestoßen, die Notwendigkeit einer bewussten Gestaltung von Zuwanderungs- und Eingliederungspolitik war im öffentlichen Bewusstsein verankert. 1997 entschloss ein Kern der Wissenschaftlergruppe, dass dieser Prozess auch nachhaltig kritisch begleitet werden müsse und entschied, sich im Rat für Migration (RfM) zusammenzuschließen.

Am 7. Juli 1998 präsentierte sich der Rat für Migration im Wissenschaftszentrum des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in Bonn der Öffentlichkeit auf Grundlage eines von Klaus J. Bade entwickelten Konzepts. Das formulierte Ziel war, dass der Rat sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammensetzt, die über interdisziplinäre und internationale Verbindungen verfügen und so ein Netzwerk bilden, das alle Bereiche von Fragen der Zuwanderung, Integration und Minderheiten abdeckt. Der RfM sollte als Ansprechpartner für Politik, Justiz, Verwaltung, aber auch andere Interessierte und Betroffene dienen. Leitgedanke der Gründungsgruppe war, Politik kritisch zu begleiten und in Fragen von Migration und Integration kompetent zu informieren. In der Gründungsphase wurde der Rat vom Arbeitsrechtler Michael Wollenschläger geleitet, die Deutsche UNESCO-Kommission (Bonn) übernahm die Schirmherrschaft.

1998 formulierte der Rat in seinen ersten Empfehlungen Anforderungen an eine zukünftige Migrations- und Integrationspolitik der Bundesregierung: Eine gezielte Steuerung und Gestaltung der Zuwanderung, eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, Förderung der Integration und eine Abkehr von der Praxis, Ausländer nur unter sicherheitspolitischem Aspekt zu betrachten. Diese Forderungen fanden zum Beispiel Eingang in den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Familien ausländischer Herkunft in Deutschland, der Mitte 2000 freigegeben wurde.

Im Sommer 2000 konstituierte sich der Rat für Migration als eingetragene gemeinnützige Vereinigung neu. Am 27./28. Juni 2001 trafen sich die Mitglieder in Berlin zu ihrer ersten Versammlung, der ein von Klaus J. Bade konzipierter Workshop zum Thema „Integration und Illegalität“ vorausging.

Zum ersten Vorsitzenden des neuen Rates wurde der Politologe Dieter Oberndörfer gewählt, zu seinem Stellvertreter Klaus J. Bade. Als Vereinssitz wurde Freiburg im Breisgau festgelegt.

Tätigkeit

Besonderen Stellenwert bei der Arbeit des Rates hat der zweijährlich erscheinende „Migrationsreport“, der Beiträge von Wissenschaftlern zu aktuellen Fragen von Migration, Integration und Minderheiten und eine Übersicht "Migration und Integration in Deutschland. Chronologie der Ereignisse und Debatten" versammelt. Darüber hinaus begleitet er in weiteren Publikationen, Interviews und Beiträgen in der bundesweiten Presse die öffentliche Diskussion. Hinzu treten Tagungen und Workshops. Zusätzlich zum „Migrationsreport“ bringt der RfM seit April 2007 eine weitere, regelmäßige Reihe heraus: „Politische Essays zu Migration und Integration“, zunächst auf seiner Homepage, anschließend jährlich als Essayband.

Publikationen

  • Michael Bommes / Marianne Krüger-Potratz (Hg.): Migrationsreport 2008: Fakten - Analysen - Perspektiven, ISBN 3593387786
  • Michael Bommes / Werner Schiffauer (Hg.): Migrationsreport 2006. Fakten - Analysen - Perspektiven, ISBN 978-3-593-38176-3.
  • Jörg Alt / Michael Bommes (Hg.): Illegalität: Grenzen und Möglichkeiten der Migrationspolitik, ISBN 3-531-14834-6.
  • Klaus J. Bade, Michael Bommes und Rainer Münz (Hg.): Migrationsreport 2004. Fakten - Analysen - Perspektiven, ISBN 3-593-37478-1.
  • Klaus J. Bade / Michael Bommes (Hg.): IMIS-Beigräge 23/2004: Migration - Integration - Bildung. Grundfragen und Problembereiche, ISSN 0949-4723.
  • Klaus J. Bade / Rainer Münz (Hg.): Migrationsreport 2002. Fakten - Analysen - Perspektiven, ISBN 3-593-37005-0.
  • Klaus J. Bade / Rainer Münz (Hg.): Migrationsreport 2000. Fakten - Analysen - Perspektiven, ISBN 3-593-36328-3.
  • Klaus J. Bade (Hg.): Integration und Illegalität in Deutschland, ISBN 3-9803401-1-2.
  • Klaus J. Bade (Hg.): Das Manifest der 60. Deutschland und die Einwanderung, ISBN 3-406-37429-8. (Keine Publikation des RfM)

Weblinks


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