Rassenmerkmal

Rassenmerkmal

Ein Merkmal ist allgemein eine erkennbare Eigenschaft, die eine Person, eine Sache oder einen abstrakten Zusammenhang von anderen unterscheidet (Charakteristikum).

Der Begriff Merkmal, der in der deutschen Sprache seit dem 17. Jahrhundert belegt ist,[1] wird in der Philosophie auf die traditionelle Lehre vom Begriff bezogen, in der zwischen einem Seiendem, von dem der Begriff aussagbar ist (Materialobjekt), und dem Inhalt (Formalobjekt), der in diesem Begriff erfasst ist, unterschieden wird. Als Begriffsinhalt gilt das Merkmal oder die Gesamtheit der Merkmale.[2] Verwendet wird der Begriff sowohl in der semantischen Bedeutung von „Kennzeichen“ (differentia specifica) als auch im Sinne von „Eigenschaft“.[2]

Eine besondere Rolle spielte das Merkmal beim Klassifizieren von Gegenständen in der Taxonomie des 17. Jahrhunderts. In der Botanik war es Carl von Linné (1707-1778), der zur Unterscheidung der verschiedenen Pflanzenarten das wesentliche Merkmal ins Blickfeld seiner Einteilungen nahm. Nach ihm ergab sich das wesentliche Merkmal aus „der sorgfältigsten Beschreibung der Entwicklung der Blüte und Frucht der ersten Art. Alle anderen Arten der Gattung werden mit der ersten verglichen, wobei alle ungleichförmigen Merkmale ausgeschlossen werden. Nach dieser Arbeit erhält man das wesentliche Merkmal“.[3] Sowohl Linné als auch der Botaniker Joseph Pitton de Tournefort (1656-1798) definierten mit dem wesentlichen Merkmal eine Gattung.[4] In dieser spezifischen Bedeutung wurde der Begriff Merkmal von Linné und Tournefort im Sinne von „Essenz“, „Wesen“ und „Rasse“ benutzt.

Für den Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) war Merkmal „dasjenige an einem dinge, was einen theil des erkenntnis desselben ausmacht“.[1] Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) schrieb hingegen: „Nichts ist so sehr selbst das Merkmahl der Aeußerlichkeit und des Verkommens der Logik, als die beliebte Kategorie des Merkmahls.“[5]

In der Biologie um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Merkmal in der phylogenetischen Systematik mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Einerseits wurde der Begriff Merkmal in der Bedeutung „Struktur eines Organismus“ benutzt, wobei diese Bedeutung mit der Vorstellung verbunden war, dass die „Struktur“ durch Veränderung einen anderen Zustand erlangt. Andererseits wurde der Zustand, in dem sich eine „Struktur“ befindet, ebenso als Merkmal bezeichnet.[6] Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde der zuletzt genannte Ansatz zumeist bevorzugt, weil er aufgrund der Unterscheidung zwischen Merkmal (engl. character) und Merkmalszustand (engl. character state) eine genauere Beschreibung ermöglicht.[6] Dessen ungeachtet wurde der Merkmalbegriff von einigen Biologen weiterhin im Sinne von individuellen Eigenschaften definiert.[6]

Inhaltsverzeichnis

Linguistik

In der Allgemeinen Linguistik sind Merkmale Eigenschaften von sprachlichen Objekten, siehe distinktives Merkmal, Merkmalstruktur, semantisches Merkmal.

Schriftvergleichung

In der Schriftvergleichung sind Merkmale Eigenschaften von graphischen Objekten, wie z.B. Besonderheiten der Druckgebung, der Strichbeschaffenheit, der Formgebung und Bewegungsführung, des Bewegungsflusses, der Bewegungsrichtung sowie der horizontalen und vertikalen Ausdehnung und Flächengliederung.

Biologie

Übliche Merkmale zur Beschreibung einer Person sind z. B. Alter, Körpergröße, Haar- und Augenfarbe.

Diese Merkmale betreffen alle Aspekte eines Lebewesens, wie sie in den Fächern Morphologie, Ökologie, Physiologie und Verhaltensforschung untersucht werden. Nicht von allen Wissenschaftlern werden auch geografische Verbreitung und Häufigkeit als Merkmale angesehen.

Die Ausprägung eines Merkmals hängt sowohl von den Erbanlagen als auch von äußeren Umwelteinflüssen ab. Dabei legen die Gene in ihrer Gesamtheit den Toleranzbereich fest, in dem Merkmale auf Grund der Umwelteinflüsse variieren können. Diese umweltgesteuerte Ausprägung wird als Modifikation bezeichnet.

Eine große Rolle spielen Umwelteinflüsse vor allem in der Ethologie, wenn Verhaltensmerkmale erst in der Entwicklung des Individuums durch Prägung oder andere Lernformen ausgebildet werden.

Erst in letzter Zeit wird deutlich, dass auch Mechanismen der Selbstorganisation eine Rolle spielen. (Beispiele: Frühembryonale Vernetzung der Nervenzellen des Gehirns, Ausbildung der Knochenbälkchen)

Im Rahmen der Genetik spricht man auch von den phänotypischen Merkmalen der Lebewesen.

Statistik und Empirik

In der Statistik spricht man von einem Merkmal im Sinne einer erhobenen Größe bzw. einer statistischen Variable

Angewandte Informatik

In der angewandten Informatik benutzt man Merkmale von Daten in Signalform (Bilder, Sprachdaten), um die Daten besser verarbeiten zu können (Beispiele sind die Energie eines Sprachsignals oder eines Bildes, MFCCs oder LPCs in der Spracherkennung). Verschiedene Merkmale werden oft zu Merkmalsvektoren zusammengefasst, welche die Mustererkennung erleichtern.

Quantitative Merkmale

Quantitative Merkmale werden gemessen oder gezählt. Die Werte zu dem Merkmal werden als Zahlenwerte plus Einheit angegeben. Ein möglicher Wert zu dem Merkmal Länge ist z.B. 30cm und zu dem Merkmal Gewicht z.B. 5kg.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch. 9., vollständig neu bearbeitete Auflage von Helmut Henne und Georg Objartel unter Mitarbeit von Heidrun Kämper-Jensen, Tübingen 1992, S. 569, ISBN 3-484-10679-4.
  2. a b Peter Prechtl, Franz-Peter Burkard: Metzler Philosophielexikon. Begriffe und Definitionen. Stuttgart / Weimar 1996, S. 320 f., ISBN 3-476-01257-3.
  3. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 14. Aufl., Frankfurt a.M. 1997, S. 182 f., ISBN 3-518-27696-4.
  4. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 14. Aufl., Frankfurt a.M. 1997, S. 188.
  5. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Logik. Nachgeschr. von Karl Hegel. Hrsg. von Udo Rameil unter Mitarb. von Hans-Christian Lucas. Berlin 2001, S. 327, ISBN 3-7873-0783-4. Google Books
  6. a b c Winfried Henke, Bernhard Wiesmüller, Hartmut Rothe: Phylogenetische Systematik. Eine Einführung. Berlin / Heidelberg u.a. 2002, S. 60, ISBN 3-540-43643-X. Google Books

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