Raoul Aslan

Raoul Aslan

Raoul Aslan (* 16. Oktober 1886 Thessaloniki, Osmanisches Reich heute Griechenland; † 17. Juni 1958 in Litzlberg, Gemeinde Seewalchen am Attersee; eigentlich Raoul Maria Eduard Karl Aslan-Zumpart) war über Jahre hinaus als Schauspieler des Wiener Burgtheaters tätig und 1945-1948 auch Burgtheaterdirektor. Filme interessierten ihn nicht sonderlich, weshalb er nur in wenigen Produktionen mitspielte.

Inhaltsverzeichnis

Karriere

Schon in der Schulzeit war die Schauspielerei für ihn von besonderem Interesse. Darunter litten jedoch seine schulischen Leistungen. Nach einem Vorsprechen bei Adolf von Sonnenthal empfahl ihn jener an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wo Aslan ab 1906 als Volontär Schauspielunterricht bei Franziska Ellmenreich erhielt. Im selben Jahr spielte er im Stück Julius Caesar mit. In den weiteren Jahren lernte er die Schauspielerei an einigen kleineren Bühnen, bis er 1911 in Stuttgart die ersten große Erfolge hatte.

Der ganz große Erfolg gelang ihm 1917, als er in Wien einen Vertrag bekam . Die Rolle des Gabriel Schilling brachte ihm hier den Durchbruch. Danach erhielt er im Jahr 1920 einen Vertrag ans Burgtheater, wo er die meiste Zeit verbrachte. Seinen ersten Film drehte er 1918. Zu den Stummfilmen dieser Zeit gehören Das andere Ich (1918) und Die Venus (1922). Trotzdem spielte er lieber am Burgtheater. 1926 bekam er als Erster den Titel „Kammerschauspieler“ (früheren „Hofschauspieler“). In den Jahren arbeitete er als Schauspieler, Regisseur und Direktor an diesem Theater. In den 1930er Jahren drehte er noch einige andere Filme, darunter die Filme Yorck (1931), Der weiße Dämon (1932), Unsichtbare Gegner bzw. Öl ins Feuer (1933) und Mädchenpensionat (1936).

Am 20. April 1945 nahm Aslan zunächst ohne höheren Auftrag – als einziger bis heute – die Position des Burg-Direktors ein. Die wenigen in Wien verbliebenen Burgschauspieler hatten sich um den beliebten Mimen geschart, er hatte die Leitung übernommen und wurde später von den Sowjets darin bestätigt, auch weil er die NS-Zeit hindurch „aufrechten Antifaschismus“ bewiesen hatte, wenn auch offenbar nur im persönlichen Gespräch, da schriftliche Unterlagen nicht existieren. Das Burgtheater stand wegen Bombenschäden nicht zur Verfügung, und so schloss Aslan nach vielen Besprechungen und Behördengängen einen Mietvertrag mit dem Besitzer des Etablissement Ronacher. Am 30. April 1945 schaffte man es dort mit Grillparzers Sappho die erste Burgtheateraufführung im befreiten Wien zu organisieren, zu der der sowjetische Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin – wenn auch verspätet – erschien. Aslans Lebensgefährte Riedl spielte dabei die Hauptrolle des Phaon[1].

Vor der Aufführung hielt Aslan noch eine Ansprache wo er unter anderem auf die Zeit vor dem März 1938 hinwies.

„An der Stätte, wo vor über 70 Jahren der große Burgtheaterdirektor Heinrich Laube das Wiener Stadttheater begründet hat, hier, nahe dem Herzen Wiens, wird das Burgtheater für die nächste Zeit seine Stätte des Wirkens aufschlagen. Wieder als österreichisches Staatstheater, getreu seiner ruhmvollen Tradition. [...] Was das Burgtheater war, hoffen wir bleiben zu können: ein Theater der schauspielerischen Persönlichkeiten, durch unseren Kunstwillen zusammengeschlossen zu einem festen Ensemble. Die Persönlichkeit will sich frei entfalten können, sie will aber auch wieder richtig eingesetzt sein auf dem Platz, der ihr dank der ihr mitgegebenen Gaben zukommt. Sie ist gebunden durch Art und Sitte, Tradition, Kultur und Landschaft, ungebunden jedoch durch den Geist, der durch sie hindurch wirkt. Seine Flamme ist für jeden sichtbar, sie ist international und durch keine Zeit begrenzt.“

Raoul Aslan: 30. April 1945[2]

Ab 19. Mai 1945 begann man auch wieder das dazugehörige Akademietheater zu bespielen. Zu den wesentlichen Aufgaben des Burgtheaters zählte die Wiederbelebung von drei im Jahr 1938 unterbrochenen Traditionen: Die Wiederaufnahme der Stücke von Autoren, die verboten gewesen waren, die Wiedereinstellung von einst als untragbar angesehenen Mitgliedern sowie die Wiedereinführung geschlossener Vorstellungen für das „Theater der Jugend“. Für letzteres gab es am 23. März 1946 mit Kabale und Liebe die erste geschlossene Vorstellung. Am 7. März 1948 endete die Direktionszeit Aslans, er blieb dem Burgtheater aber weiterhin verbunden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen nur noch wenige Filmproduktionen, wie Matthäus-Passion (1949), Mozart (1955) und Wilhelm Tell (1956).

Leben

Das Grabmal von Raoul Aslan auf dem Grinzinger Friedhof

Raoul Aslan entstammt einer vormals wohlhabenden Familie mit armenischen Vorfahren, wie die Etymologie des Namens zeigt, und wurde von einer Wiener Gouvernante, Fräulein Birn, erzogen, die ihn auch Deutsch lehrte. Mit seiner Mutter übersiedelte er 1896 nach Wien, um dort die Schule zu besuchen - zunächst die Volksschule in der Johannesgasse, ab Herbst 1897 das k. k. Staatsgymnasium in der Fichtnergasse. Nach der zweiten Klasse musste ihn seine Mutter, wegen schlechter Schulerfolge ins Piaristenkonvent nach Horn geben. Aber auch in Horn kam es zu keiner schulischen Trendwende und die 7. und 8. Klasse besuchte er wieder in der Fichtnergasse, wobei er nach den vorliegenden Quellen die 7. Klasse wiederholen musste und die Reifeprüfung niemals erfolgreich ablegen konnte.

Ab 1914 unterhielt er eine Liebesbeziehung zu seinem Jugendfreund Zeljko Koconda. Im Jahre 1932 lernte er im Café Ritter auf der Mariahilfer Straße den 20 Jahre jüngeren Schauspieler Tonio Riedl (1906 - 1966) kennen. 1936 trennte er sich endgültig von Koconda. Riedl verließ Wien zeitweise, um selbst Karriere zu machen, und nach Kriegsbeginn 1939 spielte er in Fronttheatern. Aslan freundete sich mit dem Burgtheaterdirektor Lothar Müthel an, der ihn nach Meinung Lotte Tobischs, so gut es ging, deckte[3]. Er spielte Hauptrollen an der Burg und schrieb in drei Jahren knapp tausend fromme und sehnsüchtige Briefe an sein „geliebtes Engerl“. Zusätzlich bemüht sich Aslan erfolglos um eine „uk-Stellung“ für Riedl, also Unabkömmlichkeit als Schauspieler vom Theater, wie er sie selbst innehatte. [1] Nach der Schließung aller Theater 1944 wurde Aslan zum Volkssturm eingezogen und er absolvierte am Burgtheater Luftschutzdienst[3]. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus unternahm er nichts, um seine Homosexualität zu tarnen, ebenso wenig wie seine Ablehnung des nationalsozialistischen Systems[3]. Letztere entfaltete er anscheinend nur im persönlichen Gespräch, denn schriftliche Aufzeichnungen dazu existieren keine. Er ist damit einer der wenigen berühmten und bekannten Homosexuellen, die keine Probleme mit der Obrigkeit bekamen, ebenso wie der Deutsche Gustaf Gründgens. Er war auch zutiefst katholisch und besuchte wenn möglich jeden Tag die Messe[3][4].

Von 1934 bis zu seinem Tod lebte Aslan zusammen mit Riedl im Dachgeschoss des Hauses Strudlhofgasse 13. In den letzten Jahren teilten sie sich die Wohnung mit dem Privatsekretär Hermann Fanslau. Nachdem Aslan einem Herzinfarkt erlagen war, unternahmen Riedl und Fanslau eine Weltreise und blieben zusammen.[1]

Beerdigt ist Raoul Aslan auf dem Grinzinger Friedhof (Gruppe MA, Nummer 24 A) in Wien in einem ehrenhalber gewidmeten Grab. Sein Lebensgefährte Riedl, den Aslan adoptiert hat, wurde unter dem Namen Riedl-Aslan im selben Grab beigesetzt.

Auszeichnungen

Filme

  • 1918: Das andere Ich
  • 1919: Marquis Fun
  • 1920: Golgatha
  • 1920: Gold (Gold, der Menschheit Fluch)
  • 1921: Venus
  • 1930: Das Flötenkonzert von Sanssouci
  • 1931: Yorck
  • 1932: Stupéfiants
  • 1932: Der weiße Dämon
  • 1933: Unsichtbare Gegner
  • 1933: Les requins du pétrole
  • 1933: Leise flehen meine Lieder
  • 1952: Symphonie Wien
  • 1954: Das Licht der Liebe
  • 1955: Mozart
  • 1956: Wilhelm Tell

Literatur

  • Erhard Buschbeck: Raoul Aslan und das Burgtheater. Müller, Wien 1946.
  • Dieder Aslan: Ein Lebensbericht über Raoul Aslan. Wilhelm Frick Verlag, Wien 1953.
  • Herta David: Aslans Direktionszeit am Burgtheater. Dissertation, Wien 1966.
  • Margarethe Gruber (Hrsg.): Raoul Aslan Begegnung im Licht – Briefwechsel mit Tonio Riedl. Wilhelm Braumüller Verlag, Wien 1978, ISBN 3-7003-0178-2.
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1992, ISBN 3-218-00543-4, (Band 1) S. 173f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Andreas Brunner, Hannes Sulzenbacher: Schwules Wien - Reiseführer durch die Donaumetropole, Promedia 1998, ISBN 3-85371-131-6, S. 85
  2. Minna von Alth, Gertrude Olzyna, Rudolf Holaubek; Österreichischer Bundestheaterverband (Hrsg.): Burgtheater 1776-1976. Aufführungen und Besetzungen von zweihundert Jahren. 1. Band, Carl Ueberreuter, Wien 1992, ISBN 978-3-8000-6340-6, S. 630
  3. a b c d Lucian O. Meysels: Die Welt der Lotte Tobisch. Edition Va Bene, Klosterneuburg/Wien 2002, ISBN 978-3-85167-120-9, S. 30 f.; Google Buchvorschau
  4. Hellmut Laun: So bin ich Gott begegnet, bei Bischof Andreas Laun
  5. 16. Oktober 1946: Ehrenring der Stadt Wien für Burgtheaterdirektor Raoul Aslan
  6. E. Lebenssaft: Aslan, Raoul im Österreichischen Biographischen Lexikon ab 1815 (2. überarbeitete Auflage – online) (kostenpflichtige Registrierung notwendig)

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