Quirinus-Münster

Quirinus-Münster
Quirinus-Münster, Westfassade
Quirinus-Münster, Choransicht
Münster-Kuppel

Das Quirinus-Münster ist eine der bedeutendsten spätromanischen Kirchen am Niederrhein, wenn nicht Deutschlands, und Wahrzeichen der Stadt Neuss. Es wurde zwischen 1209 und 1230 erbaut.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Jahre 16 v. Chr. errichteten die Römer ein Legionslager südlich der heutigen Stadt Neuss. Außerhalb des militärischen Bereichs entstand sehr bald eine zivile Siedlung. Anhand von Funden lässt sich vermuten, dass – ähnlich wie in Köln oder Xanten – unter der römischen Bevölkerung auch Christen waren.

Wie bei den Römern üblich, wurden die Verstorbenen außerhalb der Siedlung beigesetzt. Ein solches Gräberfeld befand sich im Bereich der heutigen Kirche. Unter dem Münster sind Reste einer Apsis aus römischer Zeit gefunden worden. Sie sind Teil einer cella memoriae, also eines antiken Gebäudes für das Totengedächtnis, und durch eine Glasplatte im heutigen Boden sichtbar gemacht worden.

Wohl um 850 kam es zur Gründung eines Klosters. Ob dieses Kloster den Normannen-Einfall 866 überstanden hat, ist ungewiss. Sicher ist, dass das Kloster später in ein adliges Damenstift umgewandelt wurde. Die erste urkundliche Erwähnung einer Kirche an diesem Ort stammt aus dem Jahr 1043 anlässlich einer Schenkung durch Heinrich III. In diesem Dokument wird auch der Stadtpatron Quirinus erstmalig genannt. Seine Gebeine wurden nach alter Überlieferung 1050 von der Neusser Äbtissin Gepa von Rom nach Neuss gebracht. Ein reger Pilgerstrom war die willkommene Folge.

Der hieraus resultierende Wohlstand mag eine der Ursachen gewesen sein, die – nach mehreren Vorgängerbauten – 1209 zum Bau der heutigen Kirche führte. Der Grundstein mit Nennung des Baumeisters Wolbero ist bis heute erhalten und in der Kirche zu sehen. Der Bau orientierte sich u.a. an der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol, erkennbar vor allem an den drei Konchen im Chorraum. Auch die Außenansicht des Chorraums macht den Einfluss der romanischen Kirchen Kölns deutlich.

Wahrzeichen der Kirche war der fast 100 Meter hohe Westturm, der die Stadtansicht von Neuss bis ins 18.Jahrhundert prägte. 1741 wurde die Kirche durch Blitzschlag und nachfolgenden Brand schwer beschädigt. Die gotischen Spitzhelme auf Westturm und dem Ostturm über der Vierung sowie einige Zwerggalerien wurden nicht wieder aufgebaut. Statt dessen erhielt der Bau die barocke Kuppel mit dem Standbild des Quirinus sowie ein flaches Pyramidendach auf dem Hauptturm.

Verheerend waren die Folgen der Französischen Revolution. Wertvolle Ausstattungsgegenstände waren bereits vor der Besetzung in Sicherheit gebracht worden (und kehrten nicht wieder zurück) oder wurden zerstört. Die Kirche diente als Lagerraum, die Klostergebäude wurden abgerissen.

Auch in den folgenden Jahrhunderten wurde das Münster beschädigt – so 1914 bei einem Brand im Turm oder 1944 bei einem Bombenangriff, bei dem einige Personen in der Krypta den Tod fanden. Dank ständiger und aufwendiger Restaurierungen bis in die jüngste Zeit erstrahlt so das Münster auch 800 Jahre nach Baubeginn im alten Glanz.

Bau

Innenraum mit Chor
Bogenfriese

Das Äußere des Quirinus-Münsters besticht durch den reizvollen Farbkontrast zwischen hellem Tuff und schwarzem Basalt. Beide Gesteinsarten sind vulkanischen Ursprungs. Sie wurden in der nahegelegenen Eifel abgebaut und per Schiff auf dem Rhein nach Neuss transportiert. Die Fassade und das Westwerk des Münsters sind überaus reich gestaltet: Lisenen, große Blendarkaden und Bogenfriese sind zwar in der Romanik üblich (ihr Ursprung liegt in der Lombardei), finden sich aber nirgendwo in vergleichbarem Umfang. Mit dem Quirinus-Münster hatte die Romanik im Rheinland ihren Höhepunkt erreicht – zugleich auch ihren Endpunkt, denn nur wenige Jahre später (1248) begann mit dem Bau des Kölner Doms eine neue Epoche. Der neue Stil der Gotik hatte bereits Einfluss auf den Neusser Bau: am Turm des Quirinus-Münsters kann man einige Spitzbögen erkennen.

Lisenen und Blendarkaden finden sich am gesamten Bauwerk. Auffällig sind die Formen der Fenster: Fächer- und Schlüssellochfenster trifft man andernorts nur selten an.

Der dreischiffige Innenraum vom Typ einer Basilika besticht durch seine Farbgebung, die sich an aufgefundenen Farbresten aus der Stauferzeit orientiert. Der Wandaufbau ist dreiteilig: über den Arkaden öffnet sich eine Empore, darüber befindet sich der Obergaden mit den erwähnten Fächerfenstern.

Unter dem Altar stößt man auf den ältesten Teil der Kirche: die Krypta mit zwei Säulen aus der Zeit um 1050 und Fußbodenresten aus dem 9. Jahrhundert.

Ausstattung

Quirinusschrein

Ursprünglich war das Quirinus-Münster sehr prächtig ausgestattet: Über dem Hauptaltar war, ähnlich wie in Sankt Paul vor den Mauern und anderen Kirchen in Rom, ein Ziborium im neugotischen Stil errichtet. Viele weitere, teilweise sehr kostbare, Objekte wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet, so dass heute von der ehemaligen Pracht nicht mehr viel übrig ist. Trotzdem aber verfügt das Münster noch immer über erwähnenswerte Ausstattungsstücke:

Chorgestühl, um 1550

Blickfang ist der in der Apsis aufgestellte Quirinusschrein aus dem 19. Jh., der die Reliquien des Heiligen birgt. Er ersetzt einen älteren, der sich heute im städtischen Clemens-Sels-Museum befindet. Der ursprüngliche Schrein aus dem Mittelalter ist bereits 1585 zerstört worden. Beachtenswert sind weiterhin ein römischer Sarkophag, ein Pestkreuz (1360) und eine Marienstatue (vor 1430).

Der Kirchturm birgt ein Geläut von sieben Glocken, die größte Glocke wiegt 5.750 Kilogramm (Quirinusglocke), die Sebastianusglocke als kleinste 600 Kilogramm.

Die Kirche besitzt eine Seifert-Orgel aus dem Jahre 1907. Das Chorgestühl aus dem 15. Jahrhundert befindet sich in der Nord- und Südkonche.

Weitere Fotos des Innenraums

Weblinks

Literatur

  • Helmut Wessels: Neuss und St. Quirin zu Fuß – 3 Rundgänge durch das mittelalterliche Neuss und das Quirinusmünster. 2004, ISBN 3-7616-1801-8 (engl. ISBN 3-7616-1956-1)

51.1990555555566.69320555555567Koordinaten: 51° 11′ 56,6″ N, 6° 41′ 35,54″ O


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