Quintus Septimius Florens Tertullianus

Quintus Septimius Florens Tertullianus
Tertullians Apologeticum (Codex Balliolensis)

Quintus Septimius Florens Tertullianus oder kurz Tertullian (* um 150; † um 230) war ein bedeutender, aber auch umstrittener früher christlicher Schriftsteller. Er hieß eigentlich Quintus Septimius Florens. Sein Beiname Tertullianus bedeutet in etwa: „Dreimal im Käfig“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Tertullian wurde in Karthago (im heutigen Tunesien) als Sohn eines römischen Offiziers geboren. Um 190 wurde er Christ und siedelte nach Rom über. Ausgehen kann man von rhetorischen Kenntnissen. Viele seiner Schriften lesen sich auch wie ein juristisches Plädoyer, entweder für oder wider. Zu seinen Werken zählen viele Streitschriften gegen die Juden, gegen die Gnosis (Valentinianer und Doketisten), gegen Marcionisten, andere Häresien und gegen die Kindertaufe, aber auch Verteidigungsschriften für das Christentum vor heidnischem Publikum. Seine Polemik hatte wesentlichen Einfluss auf das Verschwinden des Theaterspiels im Frühmittelalter.

Mehr als dreißig seiner Schriften sind erhalten. In der ersten Zeit seiner Schriftstellerei beschäftigte Tertullian sich mit privaten (u.a. De pallio, De patienta, Ad uxorem) und katechetischen Themen (u.a. De spectaculis, De idololatria, De testimonio animae, De baptismo). 197 schrieb er seine ersten apologetischen Werke. Tertullian plante offenbar ein größeres apologetisches Werk, als die Christenverfolgung in Karthago drastisch zunahm. Deshalb änderte er seinen Plan und stellte nun in Kürze sein gesammeltes Material zum Apologeticum zusammen, welches den Vorständen der afrikanischen Provinz überreicht worden ist. Während der Severianischen Verfolgung richtete er eine Trostschrift an die im Kerker befindlichen Märtyrer um 202 (Ad martyras). Sein Sprachstil hob sich von anderen ab. Tertullian gilt als einer der originellsten lateinischen Kirchenautoren. Er schrieb sehr engagiert, aber auch leidenschaftlich und teilweise polemisch.

Tertullian sympathisierte mit den Montanisten. Ob er zu ihnen übertrat, ist bis heute umstritten. Das häufig genannte Jahr 207 für seinen vermeintlichen oder tatsächlichen Übertritt ist nicht gesichert. Seine rigoristische Moral, wie z. B. sein Verbot der Wiederheirat nach dem Tod des Partners, wurde immer wieder in diese Richtung interpretiert. Hieronymus behauptete später sogar, Tertullian hätte eine eigene Kirche gegründet. Er wird in keiner heutigen christlichen Kirche als Heiliger anerkannt.

In der Orthodoxen Kirche wird Tertullian teilweise als Quelle einer unguten theologischen Tendenz angesehen, die sich in Augustinus von Hippo fortsetzte und 1054 schließlich zum Bruch zwischen West- und Ostkirche führte.

Tertullian starb im hohen Alter irgendwann zwischen 220 und 240. Sein Verdienst lag darin, dass er die Theologie in die Latinität geholt hatte. Er übersetzte zahlreiche biblische Texte aus dem Griechischen und schuf dabei neue lateinische Worte. Viele spätere Vaterunser-Auslegungen sind von ihm abhängig. Außerdem wurde sein Apologeticum als große Ausnahme ins Griechische übersetzt, was auf eine große Relevanz dieses Werkes hinweist.

Der „heidnischen“ Philosophie (vor allem Platon und der Stoa) blieb er – trotz aller Angriffe im Detail – im ganzen verpflichtet. In De pallio rechtfertigt er seine Gewohnheit, weiterhin den Philosophenmantel zu tragen.

Theologie

Durch seinen scharfen, glänzenden Stil – und die Tatsache, dass er der erste Kirchenvater war, der auf Lateinisch schrieb – gilt er als der Vater des Kirchenlateins. Er ist der erste im christlichen Kontext, bei dem die Begriffe trinitas für griech. τριάς („Dreifaltigkeit“ Gottes) oder damnatio für griech. ἀνάϑεμαVerdammung, Verurteilung“ historisch greifbar werden. Tertullians theologische Begriffe und Formeln sind in späteren Auseinandersetzungen von Bedeutung: So nannte er Vater, Sohn, Heiligen Geist „drei Personen“ (tres personae), die aber eine Einheit Gottes (una substantia) bilden. Christus sei wahrer Mensch und zugleich Gott. Demnach sei zwischen menschlichen und göttlichen Eigenschaften Christi zu unterscheiden: Sie seien zwar in der Person des Sohnes vereint, aber nicht vermischt.

Tertullian vertrat auch die Auffassung, dass die Ungläubigen in einer Hölle bei vollem Bewusstsein endlos bestraft werden. In seiner Abhandlung Über die Auferstehung des Fleisches kritisiert Tertullian diejenigen Christen, die den in Matthäus Kap. 10, V. 28 benutzten Ausdruck „Zerstörung“ so interpretieren, dass damit die endgültige Annihilation oder Vernichtung gemeint sei oder ein zeitlich begrenzter Tod und nicht eine ewige Strafe. Gegenüber dieser Auffassung betont Tertullian, dass das Feuer der Hölle ewig sei – und ausdrücklich als eine ewig andauernde Strafe angekündigt sei. Als solche stelle die Strafe ein „nie endendes Töten“ dar – ein Töten, dessen Wirkungen Furcht erregender seien als die eines nur von Menschen begangenen Mordes, womit er weit über die Aussagen der Bibel hinaus ging. In seiner Apologie meinte er, dass „diejenigen, die Gott anbeten, für immer bei Gott sein werden [...], aber die Gotteslästerer und diejenigen, die sich Gott nicht von ganzen Herzen hingegeben haben, werden in gleicher Weise für immer im Feuer der Strafe sein“. Damit distanziert er sich scharf gegen die Allerlösung, die sein Zeitgenosse Origenes vertrat.

So beeinflusste er nachhaltig spätere Kirchenväter, vor allem Cyprianus und Augustinus, die ebenfalls im Gebiet des heutigen Tunesien und Algerien wirkten, und somit die gesamte westliche Kirche. In dem theologischen Lehrschreiben des Papstes Leo der Große an das Konzil von Chalcedon, dem so genannten Tomus Leonis, tauchen ähnliche Begriffe auf.

Werke (Auswahl)

  • Adversus Marcionem – Streitschrift gegen Marcion in fünf Büchern. Marcion war ein Häretiker mit einer gewissen Nähe zur Gnosis, der das AT verwarf und nur ein NT akzeptierte, das von allen jüdischen Einflüssen bereinigt war. Sein Kanon bestand lediglich aus dem Lukasevangelium und einigen, gekürzten Paulusbriefen.
  • Adversus Judaeos – Streitschrift gegen die Juden. Ihnen wird Verstocktheit vorgeworfen, da sie Jesus nicht als Messias anerkannten.
  • Apologeticum, um 197, gilt als sein bedeutendstes Werk, in dem er das Christentum vor dem Heidentum verteidigt, indem er es mit seinen eigenen Waffen, Wissenschaft aber auch Staatstreue, zu schlagen versucht.
  • De cultu feminarum (Vom Putz der Frauen) – Streitschrift gegen die Putz- und Schminksucht der Frauen (und Männer).
  • De spectaculis/Über die Spiele. Reclam 1988. ISBN 978-3-15-008477-9 – Systematische Abhandlung über das römische Spielewesen: Wagenrennen im Circus, Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen im Amphitheater, Athletenwettkämpfe im Stadio, Mimus und Pantomimus auf der Bühne. Wer als Christ Schauspiele besucht, begibt sich in die Gesellschaft der Dämonen, die diese Stätten beherrschen, vor 200.
  • Adversus Praxean/Gegen Praxeas. Übersetzt und eingeleitet von Hermann J. Sieben. Freiburg/Br. 2001. ISBN 978-3-451-23921-2 – Streitschrift gegen den Modalisten Praxeas, um 213
  • Ad Uxorem/An seine Frau, um 207

Zitate

  • Semen est sanguis christianorum. (Das Blut der Christen, die in Zeiten der Verfolgung aus Liebe zu Gott den Tod erleiden, ist eine Saat, die aufgeht und reiche Frucht bringt) [1]
  • „Certum est, quia impossibile"“ („Es ist sicher, weil es unmöglich ist.“) – Über die Auferstehung. Gemeint ist: Etwas derart jeder Erfahrung Spottendes wie die Auferstehung Jesu Christi wäre niemals von den ersten Jüngern geglaubt worden, wenn sie es nicht tatsächlich erlebt hätten. Daraus wurde im 17. Jahrhundert der oft zitierte Satz: Credo quia absurdum [est] („Ich glaube, weil es widersinnig ist“).
  • „‚Christianos ad leonem!‘ – Tantos ad unum?“ („‚Die Christen vor den Löwen!‘ – So viele vor einen?“) – Beispiel für Tertullians Rhetorik, die hier einen guten Schuss Galgenhumor enthält. Die Tatsache, dass – egal ob es sintflutartig regnet oder schlimme Dürre gibt, ob die Erde bebt oder stillsteht – immer heißt, die Christen seien schuld, und gehörten vor den Löwen, kommentiert er mit dieser lapidaren Frage: Sind das nicht zu viele für nur einen?

Literatur

  • Timothy D. Barnes: Tertullian: A Historical and Literary Study. Oxford 1985, ISBN 0198143621.
  • David E. Wilhite: Tertullian the African. An Anthropological Reading of Tertullian's Context and Identities. Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019453-1
  • Henrike Maria Zilling: Tertullian. Untertan Gottes und des Kaisers. Paderborn 2004, ISBN 3-506-71333-7.

Weblinks

Belege

  1. Radio Vatikan: Vatikan: Papst, Genialiät reicht nicht 30. Mai 2007

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