Quartsextakkord

Quartsextakkord
Quartsextakkord

Ein Quartsextakkord ist die zweite Umkehrung eines Dreiklangs. Der tiefste Ton des Akkordes ist nicht der Grundton des Dreiklangs, sondern seine Quinte.

Die Bezeichnung Quartsextakkord stammt aus der Generalbassschreibweise: Der festgelegte Basston wird zum Dreiklang ergänzt, indem eine Quarte und eine Sexte darüber geschichtet werden. Angezeigt wird dies durch eine 4 und durch eine 6 unter dem Basston.

Inhaltsverzeichnis

Konsonanz oder Dissonanz

Vergleich mit Sextakkord

Die häufige Einordnung des Sextakkords als konsonant bzw. des Quartsextakkords als dissonant rührt von den frühen Kontrapunktregeln her, nach denen Terz und Sexte über einem Grundton als konsonant, die "primäre Quart" (Quarte über einem Grundton) - und damit auch der Quartsextakkord - allerdings als dissonant bezeichnet wurden.

Akustisch lässt sich der Dissonanzcharakter des Quartsextakkords, solange er dreitönig in enger Lage vorliegt, nicht verifizieren. Denn da er nur konsonante Intervalle (Quart, große Sext und große Terz) enthält, besteht kein unmittelbarer Grund, ihn als dissonant anzusehen. Ein solcher könnte allenfalls noch in Dissonanzreibungen der mitschwingenden Obertöne oder Differenztöne zu suchen sein.

Die folgende Oberton- und Differenztonanalyse [1] zeigt jedoch, dass der Quartsextakkord sogar einen höheren Konsonanzgrad aufweist als der Sextakkord, der allgemein als konsonant gilt.

Obertonanalyse

Dreiklang Umkehrungen Oberton.jpg

Bei dem in der nebenstehenden Grafik dargestellten C-Dur-Quartsextakkord (g-c'-e') ergibt sich eine Dissonanz (kleine Sekunde) zwischen dem dreigestrichenen c (dritter Oberton des c') und dem zweigestrichen h (zweiter Oberton des e' und vierter Oberton des g).

Der Vergleich mit den Verhältnissen des ebenfalls dargestellten Sextakkords zeigt, dass bei diesem die Reibung einer kleinen Sekunde bereits in einem tieferen Bereich der Obertonreihen auftritt, nämlich zwischen dem h' (zweiter Oberton des e) und dem c" (erster Oberton des c'). Hinzu kommt ein weiterer Konflikt zwischen dem gis" (vierter Oberton des e) und dem doppelten g" als Oberton der beiden anderen Akkordtöne.

Differenztonanalyse

Die Betrachtung der Differenztöne (1.Ordnung) ergibt folgendes Bild:

Sextakkord (e - g - c')

  • Die Terz e-g erzeugt den Dfferenzton C1.
  • Die Quart g-c' liefert das C eine Oktave höher.
  • Die Sext e-c' ergibt als Differenzton das G.

Quartsextakkord (g - c' - e')

  • Die Quart g-c' liefert den Differenzton C.
  • Die Terz c'-e' ergibt den gleichen Ton C.
  • Die Sext g-e' erzeugt das c eine Oktave höher.



In beiden Fällen ergeben die Differenztöne zusammen mit dem Akkord ein vollkommen konsonantes Klangbild, wobei der Gesamtklang beim Sextakkord etwas dunkler und farbiger, beim Quartsextakkord etwas heller und reiner ist.

Auffassungsdissonanz

Trotz der akustischen Makellosigkeit des Quartsextakkords wird er in bestimmten Fällen als dissonant (Auffassungsdissonanz) und auflösungsbedürftig empfunden. Dieses Auflösungsbestreben wurde zum Beispiel in Instrumentalkonzerten der Klassik gerne als Spannungsmoment eingesetzt, um Aufmerksamkeit für die improvisatorische Kadenz des Solisten zu erregen. Die hier empfundene Dissonanzspannung ist jedoch weniger in der Struktur des Akkords selbst begründet als vielmehr darin, dass in solchen Fällen der Basston sehr starkes Gewicht bekommt, indem er durch meist oktavierte Bässe verstärkt wird. Die durch einen solch gewichtigen Basston erzeugte (n) Obertonreihe (n) dissonieren (akustisch real) mit den Akkordtönen und versuchen diese in ihren reinen Klang hinein zu ziehen.[2]

Verwendung des Quartsextakkordes

Den beiden kontextabhängigen Interpretationen als Dissonanz oder Konsonanz entsprechen unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten des Quartsextakkords.

als Dissonanz

Vorhaltsquartsextakkord

Vorhaltsquartsextakkord

Werden die Terz und Quinte eines Klanges vorgehalten, indem sie durch Quarte und Sexte ersetzt werden, so spricht man von einem Vorhaltsquartsextakkord. Die Funktions- sowie Stufentheorie gehen bei der Bezeichnung dieses Akkordes daher nicht von einer Dreiklangsumkehrung aus, sondern vom Grundton (=Basston) der Harmonie, die mit einem Quartsextvorhalt versehen ist. Er wird auch kadenzierender Quartsextakkord genannt.

Insbesondere in der Kadenz findet der Vorhaltsquartsextakkord als Dominant-Vorhalt häufige Verwendung.

Der Vorhaltsquartsextakkord tritt immer auf betonter Zählzeit auf.

Wechselquartsextakkord

Wechselquartsextakkord

Wenn bei einem Funktionswechsel über gleichbleibendem Basston auf unbetonter Zählzeit ein Quartsextakkord entsteht, so spricht man von einem Wechselquartsextakkord. Da er anschließend wieder in den "richtigen" Akkord zurückkehrt ("aufgelöst wird") ist auch er als eher dissonant zu interpretieren.

Durchgangsquartsextakkord

indifferent hinsichtlich Kon- oder Dissonanz

Durchgangsquartsextakkord

Wenn die Bassstimme Stufe für Stufe z. B. vom Grundton zur Terz emporsteigt und hierbei auf unbetonter Zählzeit durch Funktionswechsel ein Quartsextakkord entsteht, so spricht man von einem Durchgangsquartsextakkord.

Umkehrungsquartsextakkord

Umkehrungsquartsextakkord

Wenn die Bassstimme bei gleichbleibender Funktion auf unbetonter Zählzeit in die Quinte der Harmonie springt, so spricht man von einem Umkehrungsquartsextakkord. Dieser tritt häufig in Märschen, volkstümlicher Musik oder einfacher Tanzmusik auf, wo oft der Basston zwischen Grundton und Quinte des Akkords wechselt (Wechselbass).

als Konsonanz

"Schwebeklang"

Ohne erkennbares Auflösungsbestreben wird der Quartsextakkord bisweilen (und dann meist in repetierter Form) zum Beispiel in Liedbegleitungen verwendet, um den Eindruck einer "schwebenden" Leichtigkeit zu erzielen. Beispiele:

Schlussakkord

In neuerer Musik begegnet man dem Quartsextakkord auch gelegentlich als Schlussakkord.

Beispiele:

Anmerkungen

  1. Die Methode der Differenztonanalyse zur Klangwertbestimmung wurde von Paul Hindemith in seiner Unterweisung im Tonsatz vorgestellt.
  2. Man kann dieses akustische Phänomen durch ein Experiment am Klavier nachvollziehen. Dazu schlage man z.B. gleichzeitig die Töne G1 - G - g - c' - e' an. Da die tiefen Töne langsamer verklingen als die hohen, hört man nach einer gewissen Zeit sehr deutlich die Reibung zwischen den Obertönen der Bässe und den hohen Akkordtönen. Zum Schluss hört man statt der Akkordtöne nur noch die Obertöne und hat den Eindruck einer automatisch vollzogenen Auflösung.
  3. Die Zusammensetzung dieses Klangs ist f'-d"-b", so dass keine hörbaren Konflikte zwischen den Obertönen des Basstons und den höheren Akkordtönen auftreten können. Es entsteht vielmehr der Eindruck eines reinen, "ätherisch entschwebenden" Klangs.

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