Aunjetitzer Kultur

Aunjetitzer Kultur
Aunjetitzer Kultur
Zeitalter: Bronzezeit - Frühe Bronzezeit
Absolut: 2300 v. Chr. - 1550 v. Chr.
Relativ: Bz A1 - B (Reinecke)
Ausdehnung
Norden: Mitteldeutschland (Sachsen-Anhalt, westliches und östliches Sachsen, Thüringen)
Süden: Böhmen, Mähren, Niederösterreich (nördlich der Donau), Südwestslowakei
Westen: östliches Niedersachsen
Osten: Schlesien-Großpolen
Leitformen

Aunjetitzer Tasse, "zyprische" Schleifenkopfnadel, , Ösenkopfnadel, gegossene Bronzegegenstände

Der Begriff Aunjetitzer Kultur (tschechisch Únětická kultura; benannt nach dem Fundort Únětice/Aunjetitz in Böhmen, nördlich von Prag) bezeichnet eine Sachgütergemeinschaft der Frühbronzezeit im Zeitraum von ca. 2300 v. Chr. bis 1600/1500 v. Chr. Sie geht aus den endneolithischen Kulturen der Glockenbecher und Schnurkeramik hervor. Nach 1600 v. Chr. wird sie durch die Hügelgräberbronzezeit abgelöst. Der Name „Úněticer Kultur“ tauchte erstmals in dem 1910 erschienenen „Handbuch der Tschechischen Archäologie“ der Prager Prähistoriker Karel Buchtela und Lubor Niederle auf.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitungsgebiet und angrenzende Kulturgruppen

Das Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur während der Stufe Bz A1 zieht sich von Thüringen über Sachsen-Anhalt, Sachsen, Böhmen, Mähren, Schlesien, Südwestslowakei bis Niederösterreich nördlich der Donau.

Während der Stufe Bz A2 lässt sie sich auch im östlichen Niedersachsen, Brandenburg und dem Südwesten Polens nachweisen. Die archäologischen Funde der Aunjetitzer Kultur in Mecklenburg-Vorpommern werden jedoch als Importe betrachtet.[1]

Gleichzeitige, benachbarte Kulturgruppen sind:

im Westen: Straubinger Gruppe, Adlerberg-Kultur und Singener Gruppe

im Nordwesten: später Sögel-Kreis

im Norden und Nordosten: Iwno Gruppe, Grobia Gruppe

im Osten: Mierczanowice-Gruppe, Chlopice-Vesele-Gruppe.

im Südosten: Nitra-Gruppe, später Mad’arovce-Gruppe (=Böheimkirchen-Veterov)

im Süden: Unterwölblinger Gruppe, Wieselburger Gruppe, später Böheimkirchen-Veterov

Wichtige Funde

Die bekanntesten Funde der Aunjetitzer stammen aus dem Grabhügel von Leubingen nahe Erfurt in Thüringen, dem Grabhügel von Helmsdorf im Mansfelder Land in Sachsen-Anhalt, dem Grab von Dieskau und dem Grab von Łeki Małe. Die ersten beiden Grabhügel mit jeweils 34 Metern Durchmesser konnten dendrochronologisch datiert werden: Leubingen auf 1942 (± 10) v. Chr. und Helmsdorf auf 1840 (± 60) v. Chr (Datierung der Totenlade von Helmsdorf).[2]

Depotfunde:

Depots von Dieskau, Saalekreis, Sachsen-Anhalt.

Depots von Melz, Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, Mecklenburg-Vorpommern. 2400-1900 v. Chr.

Depot von Kyhna, Landkreis Nordsachsen, Sachsen.

Depot von Bennewitz, Landkreis Leipzig, Sachsen.

Depot von Guben/Bresinchen, Landkreis Spree-Neiße, Brandenburg. um 1700 v. Chr.

(Siehe auch: Weitere Depotfunde der Aunjetitzer Kultur)

Gräberfelder:

Nohra, Großbrembach und Unterhautzenthal (Niederösterreich)

Die Aunjetitzer Kultur und die Bronze

Im Vergleich zu den umgebenden Kulturgruppen, bei denen sich der Übergang zur Bronzezeit anfangs durch gehämmertes Kupfer zeigt und nur langsam zu gegossenen Formen übergeht, finden sich bei den Aunjetitzern bereits sehr früh gegossene Kupfer- und Arsenbronzegegenstände , die allmählich durch Zinnbronze ersetzt wird. Die Herstellung dürfte als "Guss in verlorener Form", aber auch unter Verwendung von mehrteiligen wiederverwendbaren Schalengussformen ausgeführt worden sein.

Noch nicht geklärt ist, ob im Erzgebirge, welches im Gebiet der Aunjetitzer Kultur liegt, damals Bergbau auf Kupfererze und das in Europa seltene Zinn betrieben wurde. Salz dürfte ebenfalls ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor gewesen sein, den bereits Oscar Montelius 1900 mit dem beobachteten Metallreichtum in der Gegend von Halle in Verbindung brachte.

Die Träger der Aunjetitzer Kultur

Wie bereits die sogenannten Schnurkeramiker unterscheiden sich auch die Träger der Aunjetitzer Kultur physisch nicht signifikant von der heutigen Bevölkerung Mitteleuropas [3]. Manche Linguisten nehmen an, dass die Träger beider Kulturen indogermanische Idiome sprachen. Begründet wird dies vor allem damit, dass indogermanische Dialekte sich wegen etymologisch übereinstimmender Flussnamen indogermanischer Herkunft in weiten Teilen Mitteleuropas (Alteuropäische Hydronymie) spätestens im Laufe des dritten Jahrtausends vor Christus in Mitteleuropa ausgebreitet haben müssten und wegen der gleichzeitigen Ausbreitung der Bronzegewinnung in Mitteleuropa. Diese wird wegen des indogermanischen Wortes *ayos (= Kupfer, Bronze, vgl. lat. aes und dt. Erz) ebenfalls indogermanisch-sprachigen Gruppen zugeschrieben. Der Münchner Indogermanist Wolfram Euler vertritt die Ansicht, dass die Träger der südlichen Gruppe der Aunjetitzer Kultur (südlich von Erzgebirge und Sudeten) Vorformen der späteren italisch-keltischen Idiome sprachen, während die nördlich davon siedelnden Gruppen prägermanische Idiome sprachen[4].

Literatur

  • Martin Bartelheim: Studien zur böhmischen Aunjetitzer Kultur. Chronologische und chorologische Untersuchungen. Bonn 1998.
  • Wolfram Euler, Konrad Badenheuer: Sprache und Herkunft der Germanen - Abriss des Protogermanischen vor der Ersten Lautverschiebung, 244 S., ISBN 978-3-9812110-1-6, London/Hamburg 2009.
  • Daniela Kern: Überlegungen zum Nachweis von Mobilität und Migration in Ostösterreich zur Zeit der Glockenbecher. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 133, 2003.
  • Ernst Lauermann: Studien zur Aunjetitz-Kultur im nördlichen Niederösterreich. Bonn 2003.
  • Richard Pittioni: Urgeschichte des Österreichischen Raumes. Wien 1954.
  • Ernst Probst: Deutschland in der Bronzezeit, München 1996.
  • Otto Helmut Urban: Der lange Weg zur Geschichte Österreichs. Österreichische Geschichte bis 15 v. Chr. Wien 2000.
  • Bernd Zich: Studien zur regionalen und chronologischen Gliederung der nördlichen Aunjetitzer Kultur. Berlin 1996.
  • Friederike Koch (Hrsg.): Bronzezeit - Die Lausitz vor 3000 Jahren. Kamenz 2007.

Einzelnachweise

  1. Ernst Probst 1996
  2. Bernd Becker, Rüdiger Krause, Bernd Kromer, Zur absoluten Chronologie der frühen Bronzezeit. Germania 67/2, 1989, 421-442.
  3. Probst 1996: 44
  4. Wolfram Euler, Konrad Badenheuer 2009, S. 24 - 26 und 48 - 50

Weblinks


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