Psychobilly

Psychobilly

Psychobilly ist eine Musikrichtung, die zu Beginn der 1980er Jahre in England als Reaktion auf die Rockabilly-Welle entstand. Psychobilly vermischt dabei Rhythmik und Melodik des Rockabilly mit der Aggressivität und Energie der Punkmusik. Besonderen Einfluss auf die Musik zu Beginn der 80er Jahre hatten, neben den Stray Cats auch Bands wie The Legendary Raw Deal, später umbenannt in The Meteors, The Cramps und The Gun Club mit ihrem typischen Garage/Trash Rock and Roll und die Ramones mit ihrem schnellen Punk. Auch Einflüsse von Musikern aus den 1950ern und 1960ern wie beispielsweise Hasil Adkins oder The Trashmen sind im Psychobilly wiederzufinden.

Das Wort Psychobilly stammt aus dem Song „One Piece At A Time“ von Johnny Cash, in dem ein Automobil, bestehend aus im Laufe der Zeit in der Fabrik gestohlenen und nicht zusammengehörigen Einzelteilen, „Psychobilly-Cadillac“ genannt wird. Die Nutzung des Wortes Psycho zeigt auch, woher die meisten Psychobilly-Bands ihre Inspirationen erhalten: Horrorfilme, B-Movies, Geschichten über Psychopathen und Monster.

Psychobilly wird klassischerweise mit Gitarre, Bass (üblicherweise, aber nicht zwingend, ein Kontrabass, Slap-Bass oder ein E-Bass) und Schlagzeug gespielt. Variationen mit Saxophon und/oder Klavier/Orgel sind durchaus üblich.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte 1980er

Zu Beginn der 1980er Jahre war die Definition von Psychobilly noch nicht eindeutig belegt und keiner konnte sich unter diesem Begriff etwas Konkretes vorstellen. Als Folge tummelten sich anfangs eine ganze Menge Bands unter diesem Begriff, die aus aktueller Sicht keine Verbindung zu dieser Musik haben. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenstellung des Samplers Blood on the cats.

Als Begründer des Psychobilly, wie er sich dann im Laufe der nächsten Jahre durchsetzte, gilt die Band The Meteors. Weitere Bands der ersten Psychobilly-Welle waren neben anderen:

Sparky (Demented Are Go)

Neben diesen Psychobilly-Bands (wobei viele davon sich nicht als Psychobilly-Band sahen, sondern eher als Neo-Rockabilly-Band, ein Begriff der sehr eng mit Psychobilly vernetzt ist und stellenweise sogar synonym genutzt wird.) gab es auch eine ganze Menge anderer Bands, vor allem aus der damals in Großbritannien sehr aktiven Garage-Punk-Szene. Diese spielten immer wieder mit Psychobilly-Bands zusammen und erhielten vom damaligen Psychobilly-Publikum auch sehr viel Zuspruch. Einige davon waren:

  • Thee Milkshakes
  • The Vibes

Es gab auch schon erste Anzeichen einer Psychobilly-Subkultur auf dem Festland, überwiegend in Holland, Belgien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Einige der ersten Bands, die hier in Erscheinung traten, waren z. B.:

Auch auf dem Festland gab es Bands aus angrenzenden Randbereichen, die aufgrund identischer musikalischer Wurzeln und ihres Auftretens zum Grenzbereich der damaligen Psychobilly-Szene gezählt wurden, wie beispielsweise:

  • The Raymen (D), die damals eher einen düsteren Country-Trash-Rockabilly mit vielen Cramps-Einflüssen spielten und
  • The Waltons (D), mit ihrem wilden und fröhlichen Cow-Punk und Live-Auftritten, die immer sehr viel Party-Charakter hatten.

Identifikation

Es entstand eine Jugend- oder Subkultur, die sich durch folgende Punkte identifizierte:

  • mehr oder weniger einheitliches Outfit, auffallend vor allem die Frisur, Flattop oder nur Flat genannt. Hierbei sind die Haare an den Seiten und zumeist auch am Hinterkopf abrasiert. Die Haare auf dem Oberkopf sind von hinten nach vorne flach ansteigend geschnitten. Wenn sie hochgestellt werden (top), bilden sie eine von der Stirn zum Hinterkopf abfallende Ebene (flat). Sie werden unter Einsatz von Haarspray und Haarwachs bewusst zu einer großen Tolle oder nach oben und vorne gestylt. Die Kleidung ähnelt meist einer Mischung aus den Kleidungsstilen von Punks (Nietengürtel, Lederjacke mit Nieten und Schriftzügen), Teddyboys (Creeper-Schuhe, Drape-Jacke, Fellapplikationen), Rockern (Jeans- oder Lederweste, Lederhose, Bikerstiefel), sowie Mods (Harringtonjacke, Donkey Jacket) und Skinheads (mit Chlorreinigern gebleichte Hose, Bomberjacke, DocMartens-Stiefel, Fred-Perry-Hemd)
  • Symbolik, sehr beliebt ist der Slap-Bass, der in allen möglichen Formen und Zusammenhängen (Plakate, Websites, T-Shirts, Plattencover) immer wieder auftaucht. Ansonsten allgemein eine Mischung aus der Symbolik des Okkulten/Horror (Totenschädel, Knochen, Särge, Kreuze, …) und des 50er Rock ’n’ Roll (Würfel, Pin-Ups, Flammen, Billardkugel (8-Ball), Hot-Rods, …)
  • Freizeitverhalten, Konzert- und Festivalbesuche, wobei es nicht ungewöhnlich ist, dass französische Anhänger dieser Jugendkultur auf einem Festival in Dresden angetroffen werden, oder dänische Anhänger in Bayern. Auf diesen Konzerten wird üblicherweise sehr viel Alkohol konsumiert und es wird eine Form des Pogo getanzt, das sogenannte „Wrecken“, (manchmal auch mit von der Bühne in die Moshpit bzw. Wreckingpit herabgeworfenem Mehl, das an den verschwitzten Körpern der Tanzenden kleben bleibt).
  • Vorlieben für bestimmte Medienformen wie B-Movies, Horrorfilme und -bücher, Comics
  • Die Musik als Hauptmerkmal.
  • Die Subkultur ist traditionell „unpolitisch“ und verwahrt sich gegen Vereinnahmung durch politische Gruppen, was aber nicht ausschließt, dass Konzerte auch von Anhängern des rechts- wie linksradikalen Spektrums besucht werden. Die Anhänger dieser Subkultur nennen sich selbst Psychobillys oder kurz Psychos.

Geschichte 1990er

Anfang der 1990er Jahre verlagerte sich das Zentrum der Szene von Großbritannien auf das Festland. Die Zahl der Anhänger, Bands und Veranstaltungen auf der Insel nahmen rapide ab - gleichzeitig stieg deren Zahl auf dem Festland an. Als Zentrum bildeten sich Holland und Deutschland heraus. Mit dem Auftreten der Band Skitzo Ende der 1980er Jahre kam eine neue Stilrichtung in die Psychobilly-Musik. Einige Bands spielten sehr schnell und verzerrt und der Gesang wurde aggressiver. Bands dieser zweiten großen Welle waren beispielsweise:

In anderen Ländern, speziell in den USA, waren Psychobilly-Bands bis auf wenige Ausnahmen (Monsters (CH), Quakes (USA), Happy Drivers(F), Brioles (E)) eher eine Randerscheinung und eine Szene wie in Deutschland oder Holland gab es nicht.

Eine Ausnahme bildet Japan. Hier gab es schon Ende der 80er eine aktive Psychobilly-Szene, die jedoch bis auf wenige Ausnahmen (The Falcons) von den Europäern kaum wahrgenommen wurde.

Das alles änderte sich sehr schnell gegen Ende der 1990er Jahre. Psychobilly war plötzlich eine Subkultur mit Bands und aktiven Szenen in Australien (z. B. Fireballs), Brasilien (z. B. Os Catalepticos), Frankreich (z. B. Banane Metallik), der Ukraine (z. B. Mad Heads), Russland (z. B. Meantraitors) und anderen Ländern. Besonders in den USA entstand in den letzten Jahren ein wahrer Psychobilly-Boom (prominentes Beispiel ist Tiger Army). Das geht soweit, dass die ganz großen Jahres-Top-Festivals, die ursprünglich in England und dann in Deutschland stattfanden, jetzt in den USA stattfinden. Wobei das größte Psychobilly-Festival der Welt, das Satanic Stomp, noch immer alljährlich in Deutschland Anfang April stattfindet. 2006 haben die Filmemacher David Kornowski und Halloweenmike das Thema Psychobilly aufgearbeitet und in einer umfassenden Filmdokumentation unter dem Titel: The Story of Psychobillies Part 1/3 veröffentlicht. Es ist die erste Dokumentation über die Subkultur Psychobilly.

Diskographie

Sampler, die einen Überblick über Psychobilly geben, sind z. B:

  • Rockabilly Psychosis and the Garage Disease: Die Anfänge des Psychobilly und seine Wurzeln
  • Blood on the cats: Der erste Versuch einer Psychobilly-Compilation
  • Stomping at the Klub Foot (Serie): Live-Aufnahmen aus dem legendären Klub Foot, der in den 80er Jahren das Zentrum des Psychobilly war
  • Psycho attack over Europe (Serie): Internationale Compilationserie aus den 80ern

Wichtige Alben

  • The Meteors: In Heaven (Lost Soul)
  • The Meteors: Wreckin Crew (ID Records)
  • The Meteors: Teenagers From Outer Space (Big Beat)
  • The Ricochets: Made in the Shade (Nervous Records)
  • Frantic Flintstones: A Nightmare on Nervous (Nervous Records)
  • Guana Batz: Held Down To Vinyl…At Last! (ID Records)
  • Batmobile: Batmobile (KIX4U)
  • Sting-Rays: Dinosaurs (Big Beat, 1983)
  • The P.O.X.: It's so dark (Wahnsinn Records, 1985)
  • The P.O.X.: Voodoo Power (KIX4U, 1986)
  • Sunny Domestozs: Barkin At the Moon (Drinkin' Lonesome, 1985)
  • Sunny Domestozs: Get Ready For The Getready (Roof Records, 1986)
  • Frenzy: Hall of Mirrors (Nervous Records)
  • Coffin Nails: Ein Bier bitte (Nervous Records)
  • The Vibes: What's Inside? (Chainsaw)
  • Demented Are Go: In Sickness & In Health (ID Records, 1986)
  • Demented Are Go: Kicked Out of Hell (ID Records)
  • Skitzo: Skitzo Mania (Nervous Records, 1987)
  • The Swamp Dogs: My True Story (Rundell Records, 1987)

Weblinks


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