Prätorianerpräfekt

Prätorianerpräfekt

Ein Prätorianerpräfekt (lateinisch praefectus praetorio oder praetorii) war in der frühen und hohen Kaiserzeit der Befehlshaber der als Garde des römischen Kaisers dienenden Elitetruppe der Prätorianer. In der Spätantike war er der höchste zivile Verwaltungsbeamte des Römischen Reiches.

Inhaltsverzeichnis

Der Praefectus praetorio von Augustus bis Diokletian

Seit dem Jahr 2 v. Chr. war der Prätorianerpräfekt Kommandeur der römischen Gardetruppen (Prätorianer), die den Kaiser beschützten. Ursprünglich ein Amt mit nur geringer Macht, änderte sich dies bereits unter Tiberius. Mehrmals kam es zu Umsturzversuchen, und die Prätorianer beanspruchten schon früh die Rolle als Kaisermacher. In späterer Zeit vereinigte das Amt immer mehr Befugnisse auf sich (Verwaltung, Heer, Finanzen), insbesondere waren um 200 n.Chr. die Prätorianerpräfekten Papinian, Ulpian und Iulius Paulus bedeutende römische Juristen, die gleichsam als "Justizminister" tätig waren und Wesentliches zur Weiterentwicklung des Römischen Rechtes beitrugen. Normalerweise war die Prätorianerpräfektur ein ritterliches Amt, nur ausnahmsweise und sehr selten wurde es von Senatoren bekleidet. War der Kaiser schwach, konnte der Kommandeur der Garde zum inoffiziellen eigentlichen Regenten des Imperiums werden. Im 3. Jahrhundert gelang einigen Präfekten - wie Macrinus oder Philippus Arabs - sogar der Aufstieg zum Kaisertum. Andererseits hatten die Präfekten die Garde mitunter selbst nicht unter Kontrolle und wurden von dieser manchmal sogar erschlagen. Nicht selten wurden unbeliebte Präfekten vom Kaiser auch als Bauernopfer fallengelassen und getötet.

Die Zahl der Praefecti schwankte. Ursprünglich waren es zwei, später konnte es jedoch durchaus vorkommen, dass drei oder mehr Personen dieses Amt bekleideten, gerade weil sie im Laufe der Zeit so viele (auch zivile) Kompetenzen an sich gezogen hatten. Umgekehrt gab es nicht selten aber auch nur einen einzigen Prätorianerpräfekten.

Bekannte Prätorianerpräfekten mit teils erstaunlicher Machtfülle waren:

Der Praefectus praetorio von Konstantin dem Großen bis Herakleios

In der Spätantike (4. bis 7. Jahrhundert) änderte sich die Funktion des Amtes grundlegend. Die Praefecti wurden im Jahr 312, in der Regierungszeit Konstantins des Großen, in Hinblick auf ihren militärischen Einfluss entmachtet. Zu oft hatten sie sich mit Hilfe der Garde in die Politik eingemischt. Daher entband Konstantin sie von ihren militärischen Aufgaben. Die Prätorianergarde, die Konstantins Rivalen Maxentius loyal gedient hatte, wurde aufgelöst, und der Kaiser wies ihnen stattdessen rein zivile Aufgaben zu, wobei zu beachten ist, dass die Mitarbeiter der Präfektur fortan de iure als Soldaten (milites) galten und sogar pro forma militärischen Einheiten wie der Legio I Adiutrix zugewiesen wurden. Die Prätorianerpräfektur wurde somit zum zentralen Verwaltungsorgan des Reiches und entwickelte sich schließlich zur ersten Verwaltungsebene unterhalb des Kaisers. (Einige Forscher wie Hartmut Leppin plädieren dafür, praefectus praetorio ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als "Prätorianerpräfekt", sondern als "Prätoriumspräfekt" zu übersetzen, um den grundlegenden Wandel des Amtes zu verdeutlichen.) Im Verlauf des 4. Jahrhunderts entstanden drei Prätorianerpräfekturen mit tausenden Mitarbeitern, die von jeweils einem Prätorianerpräfekt verwaltet wurden:

Die administrative Zweiteilung des Reiches im Jahr 395 hatte Konsequenzen für die Präfekten, da die Präfektur Illyricum, Italia et Africa geteilt werden musste. Zum Weströmischen Reich gehörten danach der Praefectus praetorio Galliarum und der Praefectus praetorio Italiae et Africae (dem auch Pannonien unterstand), zum Oströmischen Reich der Praefectus praetorio per Orientem und der Praefectus praetorio Illyrici. Besonders der Praefectus praetorio per Orientem erlangte, da er über die reichsten Provinzen des Imperiums gebot, früh besonders großen Einfluss, zumal er meist in Konstantinopel residierte und daher oft eine persönliche Nähe zum jeweiligen oströmischen Kaiser aufbauen konnte.

Grundsätzlich war jede Prätorianerpräfektur in zwei Zweige unterteilt: die Finanzverwaltung (die scriniarii) und die juristische Abteilung (die exceptores), wobei letztere im 6. Jahrhundert an Einfluss verlor. Seine wichtige Rolle behielt das Amt bis zum Ende der spätantiken Phase Ostroms im 7. Jahrhundert. Auch im Westen überdauerte es in Italien bis in die Zeit der Ostgotenkönige. Als es dann unter Kaiser Justinian I. gelang, 534 das Vandalenreich zu erobern, wurde das Gebiet sogleich einem neuen Prätorianerpräfekten unterstellt; ebenso verfuhr man 554, nach dem Gotenkrieg, auch mit Italien. Um 540 führte der mächtige praefectus praetorio per Orientem Johannes der Kappadokier in Ostrom zahlreiche weitreichende Reformen durch. Erst mit dem Verlust der syrischen und afrikanischen Reichsgebiete am Ende der Antike (seit 632) und der Neuorganisation des verbliebenen Reiches in Themen verlor es seine zentrale Stellung und wurde bald nach Kaiser Herakleios faktisch abgeschafft; die verbliebenen westlichen Gebiete in Italien und Nordafrika waren bereits unter Kaiser Maurikios als Exarchate reorganisiert worden.

Siehe auch

Literatur

  • Altay Coşkun: Die Praefecti praesent(al)es und die Regionalisierung der Praetorianerpraefecturen im vierten Jahrhundert. In: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. Band 1, 2004, S. 279–328.
  • Christopher Kelly: Ruling the Later Roman Empire. Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts 2004, ISBN 0-674-01564-9.
  • Adolf Lippold: Praefectus praetorio. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 4, Stuttgart 1972, Sp. 1106.
  • Joachim Migl: Die Ordnung der Ämter. Prätorianerpräfektur und Vikariat in der Regionalverwaltung des Römischen Reiches von Konstantin bis zur Valentinianischen Dynastie. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1994, ISBN 3-631-47881-X (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Band 623; zugleich Dissertation, Freiburg im Breisgau 1993).

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