Protestantische Rompilger

Protestantische Rompilger

Protestantische Rompilger. Der Verrat an Luther und der „Mythus des 20. Jahrhunderts“ ist eine 1937 veröffentlichte Kampfschrift des NSDAP-Politikers Alfred Rosenberg und eine Hetzschrift gegen die evangelischen Kritiker seines Buches Der Mythus des 20. Jahrhunderts (1930), die größtenteils der Bekennenden Kirche angehörten.

In der Rompilger-Schrift fordert Rosenberg die Loslösung der Deutschen vom Christentum und bezeichnet die christliche Lehre von Sünde und Gnade als „Lehre von der Minderwertigkeit“.

Inhaltsverzeichnis

Publikation

Das Buch erschien im Hoheneichen-Verlag, München, im August 1937 in einer 86-seitigen Fassung und erlebte noch im selben Jahr mehrere Auflagen von zusammen mehreren hunderttausend Exemplaren. Nach dem Erscheinen seines Buches An die Dunkelmänner unserer Zeit. Eine Antwort auf die Angriffe gegen den „Mythus des 20. Jahrhunderts“, in dem er sich 1935 gegen seine katholischen Kritiker gewandt hatte, stellte Rosenberg die fertig konzipierte Rompilger-Schrift – seine zweite Ergänzungsschrift zum Mythus des 20. Jahrhunderts – auf Hitlers Wunsch hin zurück. Obwohl am 1. Juli 1937 das von Goebbels angeordnete Buchkritikverbot in Kraft getreten war, erschienen bis Jahresende 1937 noch mehrere kritische Stellungnahmen.[1]

Reaktionen der Evangelische Kirche

Die Schrift löste bei der Deutschen Evangelischen Kirche, der evangelisch-lutherischen Kirche, dem Bruderrat der Evangelischen Kirche, der schlesischen Bekenntnissynode, dem Martin-Luther-Bund und anderen mit ihnen verbundenen Kirchen einen Sturm der Entrüstung aus. Eine öffentliche Erwiderung der protestantischen Kirchenführer erschien unter dem Titel Die Erklärung der 96 evangelischen Kirchenführer gegen Alfred Rosenberg.

Im Sommer 1937 hielt Theodor Dipper Vorträge, in denen er sich kritisch mit Rosenberg auseinandersetzte. Am 16. Dezember 1937 wurde gegen Theodor Dipper ein Redeverbot verhängt. „Sie haben mit Ihrer Verfügung die Verkündigung des Wortes Gottes verboten. Diese Verkündigung aber ist mir als Prediger des Wortes Gottes befohlen“, wird er zitiert.

Walter Künneth veröffentlichte unter anderem Wider die Verfälschung des Protestantismus. Evangelische Antwort auf Alfred Rosenbergs Schrift ‚Protestantische Rompilger‘ und seine Erwiderung Sterbender Protestantismus? Die evangelische Wahrheit, die in 112.000 Exemplaren verbreitet wurde.[2] Seine dritte Entgegnungsschrift Wider die Verfälschung des Protestantismus wurde vor der Drucklegung im Oktober 1937 beschlagnahmt.[3] Gegen Künneth sprach das Reichssicherheitshauptamt Ende 1937 ein „Rede- und Schreibverbot ‚aus staatspolitischen Gründen‘“ aus. Die Universität Berlin entzog ihm die Lehrerlaubnis. Die Gestapo schloss die zur Inneren Mission gehörende Apologetische Centrale in Berlin-Spandau, deren Leiter Künneth war.[4]

Auch aus den Reihen der nationalsozialistischen Deutschen Christen erfuhren Rosenbergs Rompilger Skepsis und punktuelle Kritik. Im Gegensatz zur Bekennenden Kirche interpretierten sie Rosenberg jedoch nicht als auf die Theologie durchgreifend, sondern machten „das verleugnende Sowohl-als-auch zum bestimmenden Prinzip“: Die nationalsozialistische Weltanschauung könne neben der christlichen Religion bestehen.[5] Siegfried Scharfe erklärte die Deutschen Christen zur „Volkskirche“ und für „bereit, ‚sich in die große Front der völkischen Marschierer einzuordnen‘, wollen aber ihrer ‚geistlichen Bestimmung ganz treu bleiben‘.“[6]

Folgen

Rosenberg führte seinen mit dem Kirchenkampf in Verbindung stehenden Feldzug um das Lebensrecht der Kirchen im nationalsozialistischen Staat unvermindert weiter und geriet darüber auch mit Parteigenossen in Konflikt. Dietrich Müller schildert den Niedergang von Rosenbergs streng kirchenfeindlicher Position in den Jahren 1938–1940:

„Die Ablehnung seiner drei ‚Mythus‘-Schriften hat Rosenberg nicht ruhen lassen. 1939 verfasste er eine vierte Schrift zur Klärung der nationalsozialistischen Begriffe ‚Weltanschauung und Religion‘ als katechismusartige Thesen. Der Stellvertreter des Führers, Martin Bormann, schlug Rosenberg vor – selbst er hatte keinen Zugang zu Hitler mehr – sie als Broschüre innerhalb der Partei zu verbreiten, damit RMK Kerrl durch seine ‚törichten Behauptungen‘, Religion dürfe nicht als Politik und Politik nicht als Religion ‚missbraucht‘ werden, die Öffentlichkeit nicht beunruhigen könne. Rosenberg ließ sich von seinen Visionen nicht abbringen, auch wenn man, wie er einräumte, die beiden Kirchen jetzt noch nicht als staatsfeindlich verbieten könne. Die von Rosenberg und Kerrl geplanten Veröffentlichungen wurden vom Führer 1940 als unzeitgemäß zurückgestellt[.]“[7]

Hitler vertagte diese Auseinandersetzung auf die Zeit nach dem „Endsieg“.

Ausgabe

  • Protestantische Rompilger. Der Verrat an Luther und der „Mythus des 20. Jahrhunderts“. 1. Auflage. Hoheneichen, München 1937 (86 Seiten).

Erwiderungsschriften

  • Ulrich Nielsen (Hrsg.): Ein Wort zu Alfred Rosenbergs Protestantische Rompilger: Rompilger oder Protestanten? Schriften-Verlag, Basel [ca. 1937] (12 Seiten; Evangelische Schriften, Heft 8).
  • Protestantische Rompilger. Flugblatt des protestantischen Dekans Kornacker. Kempten 1937.
  • Walter Künneth: Evangelische Wahrheit! Ein Wort zu Alfred Rosenbergs Schrift „Protestantische Rompilger“. Wichern-Verlag, Berlin 1937 (30 Seiten).
  • Siegfried Scharfe: Verrat an Luther? Erwiderung auf Alfred Rosenbergs „Protestantische Rompilger“. Deutscher Bibeltag, Halle 1937 (31 Seiten).

Literatur

  • Friedrich Siegmund-Schultze (Hrsg.): Ökumenisches Jahrbuch 1936–1937. Max Niehans Verlag, Zürich 1939.
  • Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB).

Einzelnachweise

  1. Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 155–158. Für eine Liste der Buchbesprechungen und sonstigen publizistischen Stellungnahmen siehe ebenda, S. 215–220.
  2. Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 156.
  3. Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 156f.
  4. Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 159.
  5. Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 158f.
  6. Siegfried Scharfe: Verrat an Luther? Erwiderung auf Alfred Rosenbergs „Protestantische Rompilger“. Deutscher Bibeltag, Halle 1937, S. 28–31; zitiert nach Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 159.
  7. Dietrich Müller: Buchbesprechung im politischen Kontext des Nationalsozialismus. Entwicklungslinien im Rezensionswesen in Deutschland vor und nach 1933. Dissertation, Universität Mainz 2008 (online: urn:nbn:de:hebis:77-19345, PDF, 4,3 MB), S. 160. Vgl. Raimund Baumgärtner: Weltanschauungskampf im Dritten Reich. Die Auseinandersetzungen der Kirchen mit Alfred Rosenberg. Grünewald, Mainz 1977, S. 75–81, und Martin Broszat: Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung. 5. Auflage, dtv, München 1969, S. 298–300.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Protestantische Rompilger — (subtitled: Der Verrat an Luther , or The treason of Luther ) was a polemic written by Alfred Rosenberg to answer the Protestant criticism (mainly from the Confessing Church) of his 1930 The Myth of the Twentieth Century . It was also aimed… …   Wikipedia

  • Hoheneichen Verlag — Der Hoheneichen Verlag war ein während des Ersten Weltkriegs im Jahre 1915 von Dietrich Eckart gegründeter Verlag,[1] dessen Firmensitz in Wolfratshausen bei München sowie in München Schwabing lag.[2] Verlegt wurde insbesondere national… …   Deutsch Wikipedia

  • Hoheneichen-Verlag — Der Hoheneichen Verlag war ein während des Ersten Weltkriegs im Jahre 1915 von Dietrich Eckart gegründeter Verlag,[1] dessen Firmensitz in Wolfratshausen bei München sowie in München Schwabing lag.[2] Verlegt wurde insbesondere national… …   Deutsch Wikipedia

  • EKKW — Karte Basisdaten Fläche: ca. 10.000 km² Leitender Geistlicher: Bischof …   Deutsch Wikipedia

  • Curt Letsche — im Jahr 1946 Curt Letsche (* 12. Oktober 1912 in Zürich; † 17. Februar 2010 in Jena[1]; eigentlich Kurt Karl Letsche) war seit 1958 Schriftsteller von Science Fiction und …   Deutsch Wikipedia

  • Alfred Ernst Rosenberg — Alfred Rosenberg (Januar 1941), Aufnahme aus dem Bundesarchiv Alfred Ernst Rosenberg (* 12. Januar 1893 in Reval, damals ein Teil von Russland, heute Tallinn, Estland; † 16. Oktober 1946 in …   Deutsch Wikipedia

  • August Friedrich Karl Marahrens — Die Neutralität dieses Artikels oder Abschnitts ist umstritten. Eine Begründung steht auf der Diskussionsseite. August Friedrich Karl Marahrens (* 11. Oktober 1875 in Hannover; † 3. Mai 1950 in Loccum, Niedersachsen) war Landesbischof der …   Deutsch Wikipedia

  • Bargfeld (Aukrug) — Dieser Artikel behandelt die Gemeinde Aukrug, die sich aus den Dörfern Bargfeld, Böken, Bünzen, Innien und Homfeld entwickelt hat. Aukrug heißt auch ein Ortsteil von Süderheistedt. Weitere Bedeutungen von Homfeld werden unter Homfeld aufgeführt.… …   Deutsch Wikipedia

  • Bischof Meiser — Hans Meiser (* 16. Februar 1881 in Nürnberg; † 8. Juni 1956 in München) war deutscher evangelischer Theologe, Pfarrer und von 1933 bis 1955 Landesbischof der Evangelisch Lutherischen Kirche in Bayern. Meiser hat sich stark für das lutherische… …   Deutsch Wikipedia

  • Bünzen (Schleswig-Holstein) — Dieser Artikel behandelt die Gemeinde Aukrug, die sich aus den Dörfern Bargfeld, Böken, Bünzen, Innien und Homfeld entwickelt hat. Aukrug heißt auch ein Ortsteil von Süderheistedt. Weitere Bedeutungen von Homfeld werden unter Homfeld aufgeführt.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”