Projektfinanzierung

Projektfinanzierung

Unter dem Begriff Projektfinanzierung wird die Finanzierung einer wirtschaftlich und zumeist rechtlich abgrenzbaren, sich selbst refinanzierenden Wirtschaftseinheit von begrenzter Lebensdauer verstanden. Die Projektfinanzierung bildet damit den Gegenentwurf zum sogenannten Corporate-credit-rating-based-financing. Die Finanzierungsmittel werden demnach weder in der klassischen Form der auf die Bonität des Bestellers gerichteten Auftragsfinanzierung noch in Form einer projektbezogenen und direkt auf die Bonität der beteiligten Sponsoren abzielenden Finanzierung aufgebracht, sondern in Abhängigkeit von der erwarteten Projektwirtschaftlichkeit sui generis bereitgestellt.

Typischerweise besitzt eine Projektfinanzierung die nachfolgend erläuterten Merkmale:

  1. Cash-flow-orientierte Kreditvergabe (Cash-flow-related-lending),
  2. Explizite Risikoteilung (Risk-sharing) und
  3. Bilanzexterne Finanzierung (Off-balance-sheet-financing).

Inhaltsverzeichnis

Cash-flow-orientierte Kreditvergabe (Cash-flow-related-lending)

Aus der hohen Spezifität projektfinanzierter Vorhaben folgt im Vergleich zur Höhe der Anschaffungskosten regelmäßig ein unverhältnismäßig niedriges Liquidationserlöspotenzial. Beispielsweise ist anzunehmen, dass im Fall der vorzeitigen Beendigung eines baulich bereits fertiggestellten Infrastrukturprojekts nur sehr geringe Resterlöse aus dem Verkauf der Einzelgegenstände des Sachanlagevermögens zu erwarten sind. Bei Projektfinanzierungen stehen deshalb als Sicherheit für die Rückzahlung der gewährten Kredite nicht die Projektaktiva und ihre potenziellen Zerschlagungswerte im Vordergrund der Kreditvergabeentscheidung, sondern die Fremdkapitalgeber orientieren sich primär an der Schuldendienstfähigkeit der für die Zukunft erwarteten Cash-Flows. Im Gegensatz zum traditionellen Balance-sheet-related-lending beziehungsweise Asset-based-financing spielt demnach das bilanzierte Vermögen der Projektgesellschaft nur eine untergeordnete Rolle. Ein wesentliches Risiko für die Kreditgeber in einer Projektfinanzierung stellt das Fertigstellungsrisiko (Completion Risk) dar, denn das Projekt kann nur dann einen positiven Cash-Flow generieren, wenn es fertig gestellt wird und somit seine bestimmungsgemäßen Aufgaben erfüllt.

Explizite Risikoteilung (Risk-sharing)

Die Risikoteilung beschreibt die Aufteilung der Projektrisiken zwischen den verschiedenen Projektbeteiligten. Nach dem generellen Effizienz-Prinzip der Risikoallokation sollten die einzelnen Projektrisiken möglichst den Beteiligten zugewiesen werden, die diese aufgrund ihres Einzelrisiko-bezogenen Know-hows am besten handhaben können. Das versucht Projektfinanzierung umzusetzen, indem direkt mit einer Projektleistung zusammen hängende Risiken dem jeweiligen Träger der Leistung überantwortet und die verbleibenden Refinanzierungsrisiken phasenbezogen den Eigen- und Fremdkapitalgebern sowie Dritten zugewiesen werden. In Abhängigkeit von der projektspezifischen Risikosituation und der Risikobereitschaft der Finanziers kann das prospektiv ausgerichtete Cash-flow-related-lending mit zusätzlichen Rückgriffsrechten (Recourse) der Kreditgeber gegenüber den Eigenkapitalgebern ausgestattet werden. Dabei lassen sich die drei Stufen des Non-recourse-, Limited-recourse und Full-recourse-financing unterscheiden. Während das in der Praxis weitgehend unübliche Non-recourse-financing den Rückgriff der Kreditgeber auf die Eigenkapitaleinlage der Projektträger beschränkt, beschreibt das für Projektfinanzierungen typische Limited-recourse-financing die zeitlich, betragsmäßig oder Situationseintritt-bedingt begrenzte Haftung der Mutterunternehmen über ihre Gesellschaftereinlage hinaus. Die Extremalausprägung des Full-recourse-financing durchbricht aufgrund des vollen Rückgriffs auf die Eigenkapitalgeber das Projektfinanzierungsprinzip der Risikoteilung und ist deshalb nicht der Projektfinanzierung im eigentlichen Sinne, sondern dem traditionellen, auf die Bonität der Mutterunternehmen abstellenden Corporate-credit-rating-based-financing zuzuordnen. Im Zuge der expliziten Risikoallokation lassen sich Eigenkapital-Quoten erreichen, die vor allem für anglo-amerikanische Verhältnisse als ungewöhnlich gering einzustufen sind. Das Einzelinteressen-übergreifende Hauptanliegen des Risk-sharing besteht in der Etablierung einer Finanzierungsstruktur, die es den Projektbeteiligten ermöglicht, bei Eintritt projekt-inhärenter Risiken nicht zu einem sofortigen Abbruch des Gesamtprojekts gezwungen zu sein.

Bilanzexterne Finanzierung (Off-balance-sheet-financing)

Die Gründung der Projektgesellschaft kann bei geeigneter Wahl der Beteiligungsquoten und Mitspracherechte dazu führen, dass bei den Sponsoren gemäß der für sie relevanten Rechnungslegungsvorschriften nur der jeweilige Anteil am Eigenkapital der Gesellschaft zu bilanzieren ist. Da sämtliche Projekt-Kredite bei dieser als Equity-Methode bezeichneten Art der Kapitalkonsolidierung ausschließlich in der Einzelbilanz der Projektgesellschaft ausgewiesen werden, entfällt für die Sponsoren eine im Zuge der Voll- oder Quotenkonsolidierung aufgrund der insbesondere im Vergleich zu US-amerikanischen Going-concern-Unternehmen unverhältnismäßig hohen Verschuldungsgrade von Projektgesellschaften eintretende Verschlechterung der passivseitigen vertikalen Bilanzstruktur. Da die Beteiligung an einer Projektgesellschaft lediglich At-Equity im Anlagevermögen auszuweisen ist, werden zusätzlich die horizontalen sowie die aktivseitig vertikalen Bilanzrelationen geschont. Allerdings kann dieser sogenannte Off-balance-sheet-Effekt aufgrund passivierungspflichtiger Eventualverbindlichkeiten aus dem Limited-recourse der Sponsoren aufgehoben werden. Die im Rahmen des Limited-recourse-financing entstehenden Haftungsverhältnisse sind zudem grundsätzlich im Anhang zu vermerken. Der Begriff des Off-balance-sheet-financing ist demnach nicht in seiner wörtlichen Absolutheit zu übersetzen, sondern als Phänomen besonders geringer Auswirkungen eines Eigenkapital-Engagements auf die Bilanz des Projektsponsors zu interpretieren.

Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass ausschließlich die Besonderheit der Finanzierung einer wirtschaftlich und zumeist rechtlich abgrenzbaren, sich selbst refinanzierenden Wirtschaftseinheit von begrenzter Lebensdauer, das Cash-flow-related-lending sowie das Risk-sharing als konstituierende Merkmale der Projektfinanzierung anzusehen sind. Das Off-balance-sheet-financing besitzt lediglich differenzierenden Charakter.

Literatur

  • Daniel Beckmann: Controlling Betreibermodell-basierter Infrastrukturprojekte. Eine Konzeption aus Projektträgersich. Shaker, Aachen 2003, ISBN 3-8322-1203-5 (Berichte aus der Betriebswirtschaft), (Zugleich: Braunschweig, Techn. Univ., Diss., 2003).
  • Christian Decker: Internationale Projektfinanzierung. Konzeption und Prüfung. Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8370-4068-5 (Zugleich: Bremen, Univ., Diss., 2007: Grundsätze ordnungsmäßiger Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei internationalen Projektfinanzierungen, prüfungstheoretische Fundierung und Operationalisierung von § 18 Satz 1 KWG bei zukunftsorientierter Kreditvergabeentscheidung.).
  • Alexander Reuter, Claus Wecker: Projektfinanzierung. Anwendungsmöglichkeiten, Risikomanagement, Vertragsgestaltung, bilanzielle Behandlung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7910-1477-3 (Schriftenreihe Der Betrieb).
  • Heinrich Uekermann: Risikopolitik bei Projektfinanzierungen. Maßnahmen und ihre Ausgestaltung. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 1992, ISBN 3-8244-0174-6 (DUV. Wirtschaftswissenschaft), (Zugleich: Diss. Uni. Münster 1992).

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