Produktionskampagne

Produktionskampagne

Der Begriff Produktionskampagne entstammt der Kategorie Supply Chain Management (Produktionsplanung) und beschreibt eine Menge von zeitlich hintereinander eingelasteten Produktionsaufträgen zur Herstellung von Produkten. Bei nahezu allen namhaften Prozessfertigern Mitteleuropas, ist der Begriff Produktionskampagne mit derselben Semantik gebräuchlich. Dies wurde von Experten der führenden mitteleuropäischen Prozessfertiger im Rahmen einer Arbeitsgruppe des VCI zum Thema "Kampagnenplanung" in den Jahren 2004 und 2005 erarbeitet. Weiterhin werden Produktionskampagnen in vielen bedeutenden internationalen Unternehmen verwendet (z. B. Eli Lilly in den USA oder Tata Steel in Indien).

Mit Produktionskampagnen oder kurz Kampagnen wird in der chemischen und pharmazeutischen Industrie, in der Lebensmittelindustrie, in der Stahlindustrie und in weiteren Industrien (Aromen, Glas, Papier) gearbeitet.

Produktionskampagnen müssen von Werbekampagnen und Marketingkampagnen abgegrenzt werden, da sie unterschiedlichen Anwendungsbereichen entstammen und unterschiedliche Definitionen haben.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele für Produktionskampagnen

  • Wirkstoffkampagnen in chemischen oder pharmazeutischen Industrien, die Durchlaufzeiten von wenigen Tagen bis einigen Monaten haben können.
  • Verpackungskampagnen, um Bulkware zu verpacken, die teilweise nur für wenige Stunden laufen.
Detaillierte Darstellung von Produktionskampagnen in einem Gantt-Chart

Kampagnenbedingungen

Produktionskampagnen sind eine Zusammenfassung von Produktionsaufträgen, die den folgenden Bedingungen genügt:

  • Kompatible Aufträge: Im Fall von Einproduktkampagnen dürfen lediglich Produktionsaufträge die dasselbe Produkt produzieren in der Kampagne gruppiert werden. Bei Mehrproduktkampagnen wird üblicherweise die Rüstgruppe auf einer Engpass-Ressource als Gruppierungsbegriff herangezogen. Je nach Industrie, Unternehmen, Geschäftsbereich und Prozess gibt es unterschiedliche Regeln, welche Aufträge zur selben Kampagne zusammengefasst werden können. Komplexere Regeln sind üblich und werden zur Kampagnenbildung herangezogen.
  • Unterbrechnungsfrei: Die Produktionsaufträge einer Kampagne werden zeitlich hintereinander ausgeführt. Möglichst ohne zeitliche Lücken zwischen den Aufträgen in denen nicht gearbeitet wird. Insbesondere Aufträge die nicht zur Kampagne gehören, dürfen nicht zwischen zwei Aufträgen die zur Kampagne gehören liegen.
  • Anlagenrein: Häufig ist es möglich einen Produktionsauftrag auf unterschiedlichen Anlagen zu produzieren. Für alle Aufträge einer Produktionskampagne muss die Anlagenauswahl gleich sein. Wenn also ein Auftrag einer Produktionskampagne die Anlagen A und B als Alternativen hat und für diesen Auftrag wurde Anlage A ausgewählt, müssen auch alle anderen Aufträge der Kampagne die Anlage A verwenden. Insbesondere werden Produktionskampagnen nicht standortübergreifend verstanden. Diese Regel muss nicht für alle Vorgänge der Aufträge der Produktionsaufträge gelten und es gibt seltene Ausnahmen.

Weitere Bedingungen für Produktionskampagnen sind selten, kommen jedoch vor.

Einprodukt- und Mehrproduktkampagnen

Eine Einproduktkampagne besteht aus Produktionsaufträgen für dasselbe Produkt (Chemie). Hat ein Produktionsauftrag Kuppelprodukte oder Nebenprodukte, wird üblicherweise das führende Produkt betrachtet. Meist haben die Produktionsaufträge in einer Einproduktkampagne auch dieselbe Losgröße und dieselbe Bezugsquelle, um einheitliche Chargen zu gewährleisten. Bei Mehrproduktkampagnen sind in der Kampagne Produktionsaufträge für unterschiedliche Produkte zusammengefasst. Diese Produkte haben üblicherweise eine Gemeinsamkeit: Sie gehören beispielsweise derselben Produktgruppe an oder zwischen Aufträgen einer solchen Mehrproduktkampagne übersteigen die Rüstaufwände nicht einen gewissen Schwellwert.

Kampagnenbildung

Die Bildung von Produktionskampagnen ist ein komplexer Prozess, der eine Spezialisierung der Erstellung eines machbaren Produktionsplans ist. Momentan sind in der Praxis zwei Verfahren üblich:

  • Kampagnendefinition: Regelmäßig legt das Management aus Erfahrungswerten, aktuellen Lagerbeständen, Bedarfssituation, Preisen und Anlagensituationen die Kampagnenreihenfolgen und - größen für einzelne Geschäftsbereiche fest. Dazu sind monatliche Besprechungen üblich.
  • Kampagnenplanung: Durch ein Computersystem (meist sind dies Enterprise-Resource-Planning-Systeme oder modenere APS) wird ein machbarer Produktionsplan erstellt, der die Definitionen der Produktionskampagnen umfasst. Dazu werden Optimierer und Heuristiken eingesetzt die sich dem Bereich Operations Research zuordnen lassen. Beispielsweise bieten SAP und OR Soft Jaenike, Software zur Erstellung und Verwaltung von Produktionskampagnen an.

Rüst- und Reinigungsaufträge

In vielen Fällen wird es zwischen zwei Kampagnen notwendig die Produktionsanlagen zu reinigen, zu rüsten oder umzubauen. Üblicherweise endet eine Kampagne mit einem Reinigungsauftrag und die nachfolgende Kampagne beginnt mit einem Rüstauftrag. In der Praxis, insbesondere während der Planungsphase, wird oft ohne Reinigungs- und nur mit Rüstaufträgen gearbeitet. Eine Besonderheit ist, dass die Übergangszeiten zwischen Kampagnen, also die Reinigungs- und Rüstzeiten, reihenfolgeabhängig sind. Je nach Kampagnensequenz variieren die Reinigungs- und Rüstzeiten und somit die Übergangszeit. Die Aufwände die bei einem Kampagnenwechsel anfallen können in bestimmten Industrien und Geschäftsbereichen, geplante Anlagenstillstände von mehr als 10 Tagen bedeuten. Dies stellt einen wesentlichen Kostenfaktor dar und bedeutet ein erhebliches Optimierungspotential. Ein wichtiges Ziel der Kampagnenplanung ist die Ermittlung einer optimalen oder möglichst guten Kampagnengröße und –sequenz. Wenn Reinigungs- oder Rüstaufwände auftreten, müssen sie durch spezielle Rüst- oder Reinigungsaufträge abgebildet werden, um beispielsweise terminierte Bedarfe für Reinigungsmaterialien abzustetzen, die Abwicklung des Rüstens und Reinigens samt den Rückmeldungen sicherzustellen und eine geordnete Integration der Rüst- und Reinigungsaufwende in die angeschlossenen Finanzsysteme sicherzustellen.

Durchführung von Produktionskampagnen

Die Gruppierung der Produktionsaufträge zu Produktionskampagnen geschieht üblicherweise während der Planungsphase. Kommt die Kampagne nun zur Ausführung, werden die Aufträge der Kampagne sukzessive abgearbeitet. Beginnend mit dem ersten Auftrag der Kampagne, meist dem Rüstauftrag, werden die Rückmeldungen der einzelnen Aufträge erfasst. Dies unterscheidet sich nur unwesentlich von der Ausführung von Produktionsaufträgen ohne Kampagnenzuordnung.

Manche Produkte, die zur Herstellung der Kampagnenprodukte benötigt werden, sind so kritisch, dass sie komplett, für die ganze Kampagne aus dem Lager entnommen werden, wenn der erste Auftrag begonnen wird. Das heißt, dass der Bedarf für dieses Produkt nicht je Produktionsauftrag, über die gesamte Kampagnenlänge auftritt, sondern konzentriert am Beginn der Kampagne.

In anderen Fällen wird nicht auf die einzelnen Produktionsaufträge der Kampagne zurückgemeldet, sondern die Rückmeldungen werden auf Kampagnenebene erfasst. Dies ist insbesondere bei kurzen Kampagnen, die wenige Stunden oder Tage dauern, aber gleichzeitig viele Aufträge enthalten.

Kalkulation von Produktionskampagnen

Zu Beginn und am Ende der Produktionskampanen fallen mitunter wesentliche Aufwände zum Rüsten oder Reinigen der Produktionsanlagen an. Diese Kosten sind kampagnenspezifisch und werden oft anteilig auf die einzelnen Produktionsaufträge der Kampagne verteilt. Während bei Fertigungen ohne Kampagnen die Rüst- und Reinigungskosten jeweils für einen Auftrag kalkuliert werden, können bei Fertigungen mit Produktionskampagnen die allgemeinen Kosten über alle Aufträge verteilt werden. In manchen Fällen geht man sogar soweit, nicht die einzelnen Aufträge zu kalkulieren, sondern lediglich gesamte Kampagnen. Hier ist dann nicht der Auftrag der Kostensammler, sondern die Produktionskampagne.


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