Procain

Procain
Strukturformel
Strukturformel von Procain
Allgemeines
Freiname Procain
Andere Namen

4-Aminobenzoesäure-β-diethylaminoethylester

Summenformel C13H20N2O2
CAS-Nummer
PubChem 4914
ATC-Code
DrugBank DB00721
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Lokalanästhetika

Wirkmechanismus

Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle[1]

Verschreibungspflichtig: Ja (teilweise)
Eigenschaften
Molare Masse
  • 236,31 g·mol−1 (Procain)
  • 272,77 g·mol−1 (Procain·Hydrochlorid)
Schmelzpunkt
pKs-Wert

8,05 (15 °C)[3]

Löslichkeit

Wasser: 9,45 g·l−1 (30 °C)[3]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [4]

Hydrochlorid

06 – Giftig oder sehr giftig

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301-317
EUH: keine EUH-Sätze
P: 280-​301+310 [4]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [5]

T
Giftig
Procain-Hydrochlorid
R- und S-Sätze R: 25-43
S: 24-36/37-45
LD50

350 mg·kg−1 (Maus p.o.)[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Procain ist ein Lokalanästhetikum vom Ester-Typ, das zuerst in der Zahnmedizin eingesetzt wurde. Es ist hauptsächlich unter dem Markennamen Novocain oder Novocaine bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erstmals synthetisiert wurde Procain im Jahre 1898[6] von dem deutschen Chemiker Alfred Einhorn, welcher dem Wirkstoff den Namen Novocain zuordnete (von lat. novus „neu“ und cain wie in Cocain).

Anwendung

Procain wird für die Lokalanästhesie nur noch selten verwendet, da hierfür wirksamere, weit tiefer eindringfähige Stoffe, wie etwa Lidocain, zur Verfügung stehen. Allerdings wird es weiterhin – wegen seiner sympaticolytischen, antientzündlichen und perfusionssteigernden Wirkung – in der Neuraltherapie verwendet, einer Behandlungsform aus dem Bereich der Alternativmedizin. Relativ neu ist die Entdeckung, dass Procain das Enzym DNA-Methylase hemmen kann.[7] Dieser Umstand kann genutzt werden, um paragenetische Schäden der Genexpression rückgängig zu machen. Dies ist vor allem bei Schäden an so genannten Tumorsuppressorgenen wie p53 interessant.

Vor der Entdeckung des Procains war Cocain das meistverwendete Lokalanästhetikum. Procain besitzt keine euphorisierende Wirkung wie Cocain und fällt daher nicht unter den Geltungsbereich der Betäubungsmittelgesetze und -verordnungen.

Wirkmechanismus

Durch den Einsatz von Procain werden spannungsabhängige Natriumkanäle blockiert und somit der schnelle Natriumeinstrom (der für eine Depolarisation an der Zellmembran von Axonen zuständig ist) verhindert. Dadurch wird eine Reizweiterleitung unterbunden. In geringerem Maße werden auch andere Ionenkanäle, wie z. B. Kaliumkanäle blockiert. Damit das Lokalanästhetikum am Ionenkanal wirken kann, muss es in seiner unprotonierten Form in die Zelle eindringen und dort in protonierter Wirkform am Natriumkanal angreifen. Der Einsatz in entzündlichem Gewebe ist erschwert, da dort das pH-Gleichgewicht auf die Seite der protonierten Form verschoben ist und das geladene Molekül die Zellmembran nicht penetriert.[1]

Abbau

Procain wird im Blut und in den Geweben durch die Pseudocholinesterase in Paraaminobenzoesäure (PABA) und Diethylaminoethanol verstoffwechselt.

Herstellung

Es sind zwei verschiedene Methoden zur Procain-Synthese in der Literatur beschrieben.[8] Die basenkatalysierte Umesterung von 4-Aminobenzoesäureethylester mit 2-Diethylaminoethanol liefert direkt Procain:

Synthese von Procain.

Alternativ kann Procain aus 4-Nitrobenzoesäure hergestellt werden. Dazu wird 4-Nitrobenzoesäure mit Thionylchlorid in 4-Nitrobenzoesäurechlorid umgewandelt. Dann wird mit 2-Diethylaminoethanol verestert und die Nitrogruppe mit Wasserstoff/Raney-Nickel zur Aminogruppe reduziert.

Einzelnachweise

  1. a b Mutschler, Geisslinger, Kroemer, Schäfer-Korting, Mutschler Arzneimittelwirkungen, 8. Auflage, 2001, ISBN 3-8047-1763-2, S. 267 ff.
  2. a b The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1333–1334, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. a b c Procain bei ChemIDplus.
  4. a b Datenblatt Procaine hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 22. April 2011.
  5. Datenblatt PROCAINE HYDROCHLORIDE CRS beim EDQM, abgerufen am 1. September 2008.
  6. Isomura S, Hoffman TZ, Wirsching P, Janda KD: Synthesis, properties, and reactivity of cocaine benzoylthio ester possessing the cocaine absolute configuration. In: Journal of the American Chemical Society. 124, Nr. 14, April 2002, S. 3661–3668. PMID 11929256. Abgerufen am 7. April 2010.
  7. Villar-Garea A, Fraga MF, Espada J, Esteller M.: Procaine is a DNA-demethylating agent with growth-inhibitory effects in human cancer cells., In: Cancer Research, 63, 4984–4989, August 15, 2003, PMID 12941824
  8. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances, 4. Auflage (2000), 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.

Handelsnamen

Monopräparate

Geroaslan-H3 (A), Gerovital H 3 (A), Hewedolor (D), K.H.3 (A), Lophakomp-Procain (D), Novanaest (A), Pasconeural (D), diverse Generika (D)

Kombinationspräparate

Gero-H3-Aslan (D), Fortepen (A), Ginvapast (CH), NeyChon (D), NeyGero (D), NeyGeront (D), Otalgan (D, CH), Otosan (CH), Retarpen compositum (A)

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