Pro juventute

Pro juventute

pro juventute (lat. Für die Jugend) ist eine seit 1912 existierende, in der Schweiz ansässige Stiftung mit ZEWO-Gütesiegel. Sie ist privat, politisch unabhängig und konfessionsneutral. Seit dem Gründungsjahr finanziert sich die Stiftung mit dem Verkauf von Wohltätigkeitsmarken, Spenden, Legate und Beiträge der öffentlichen Hand. Die Wohltätigkeitsmarken erscheinen einmal jährlich in Serien zu vier Stück.

Inhaltsverzeichnis

Angebote / Ziele

Unter Beachtung der Uno-Kinderrechtskonvention setzt sich Pro Juventute für die Erfüllung der Bedürfnisse und die Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz ein. Kinder und Jugendliche sollen in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden. Weiterhin ist die Stiftung eine Anlaufstelle in Notfällen und sie bietet soziale Dienstleistungen.

Dienstleistungen und Projekte

pro juventute bietet verschiedene Dienstleistungen in den Bereichen „Bildung“, „Gesundheit“ und „Armut“ an und unterstützt Personen und Institutionen, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen. Die Stiftung arbeitet mit privaten und staatlichen Stellen, die sich für junge Menschen engagieren, zusammen.

Beratung 147

pro juventute bietet Kindern und Jugendlichen bis 18. Jahren professionelle Beratung und Unterstützung an; rund um die Uhr, jeden Tag. Das Angebot ist für die Kinder und Jugendlichen kostenlos und anonym. Hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen stehen folgende Angebote der pro juventute Beratung 147 zur Verfügung:

  • Umfassende Informationen für Kinder und Jugendliche, ein Fragen- und Antwortenpool sowie Adressen von Beratungsstellen findet man unter www.147.ch
  • Die SMS-Beratung 147 beantwortet die Fragen der Kinder und Jugendlichen in der Regel innert drei Arbeitstagen. Die SMS-Beratung 147 ist daher bei akuten Fällen nicht geeignet.
  • Das pro juventute Telefon 147 kann von Kindern und Jugendlichen angerufen werden, wenn sie Hilfe und Rat brauchen, oder jemanden suchen, der ihnen zuhört.
  • Die pro juventute Chat-Beratung 147 ist ein sicherer und begleiteter Chatroom, in dem Kinder und Jugendliche Fragen stellen und sich austauschen können.

Schweizweit nimmt das Team der pro juventute Beratung 147 rund 750 Anrufe und SMS von Kindern und Jugendlichen pro Tag entgegen. Rund die Hälfte der Kosten für die pro juventute Telefonhilfe wird durch Beiträge von Bund und Kantonen gedeckt, der Rest wird durch Spendengelder finanziert.

Handyprofis

Das Projekt pro juventute Handyprofis möchte die Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern am Beispiel des Handys fördern. Diverse Workshops mit den Themenbereichen Kommunikation und Kommunikationsverhalten, Handyspezifische Formen von Gewalt, Abhängigkeit vom Handy, Finanzen und Umwelt und Gesundheit können in einem Baukastensystem wahlweise zusammengestellt werden.

Ferienpass

Während der Schulferien organisieren die pro juventute-Bezirke Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche. Diese Ferienpässe bestehen aus Wanderungen, Sportangeboten, Ausflügen und anderen Freizeitangeboten. Rund 50'000 Kinder und Jugendliche nehmen jeweils an den kostengünstigen Aktivitäten und Kursen teil.

Internationale Brieffreundschaften von pro juventute

pro juventute vermittelt Brieffreundschaften an Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Die Stiftung vermittelt Brieffreundinnen und -freunde sowohl in europäischen Ländern als auch in Nord- und Südamerika, Asien, Afrika und Australien. Jährlich entstehen daraus über 7000 Brieffreundschaften, welche mit der Unterstützung von pro juventute entstanden sind.

"Kinder lernen ihre Rechte kennen"

Seit die Uno-Kinderrechtskonvention im Jahr 1997 von der Schweiz ratifiziert wurde, hat die Schweiz die Pflicht, Kinder über ihre Rechte aufzuklären. pro juventute leistet dazu einen Beitrag und bietet Impulstage für Schulklassen aller Stufen an, in denen Kinder über ihre Rechte aufgeklärt werden können. An einem Impulstag unterrichten speziell ausgebildete Wanderlehrkräfte die Kinder. Dazu gehört auch Unterrichtsmaterial für die Lehrkräfte und eine Broschüre für die Eltern, die sie über die Kinderrechte und ihre Umsetzung im schweizerischen Alltag informiert.

Finanzielle Unterstützung

Hilfsfonds

pro juventute unterstützt Kinder mit Geld aus dem Hilfsfonds, damit sie trotz Geldnot am sozialen Leben teilnehmen können. Beispielsweise wird einem Kind die Teilnahme an einem Lager ermöglicht, ein Kostenbeitrag an einen Spielgruppenplatz wird bezahlt oder Nachhilfestunden werden finanziell unterstützt. Die pro juventute-Bezirke wenden jährlich insgesamt 6 Millionen Franken für diese finanzielle Unterstützung auf.

Kinder- und Familienferienfonds

Mit dem Kinder- und Familienferienfonds hilft pro juventute zusammen mit der Hug AG in Luzern Familien, die sich sonst keine Ferien leisten könnten. Sie unterhält dafür in St. Moritz das Familienferienhotel Chesa Spuondas, das über 17 Familienzimmer mit über 34 Betten verfügt.

Familienpatenschaften

Bei einer Familienpatenschaft von pro juventute übernimmt eine Einzelperson, eine Familie oder auch eine Firma eine Patenschaft für eine Familie und unterstützt diese finanziell und/oder materiell. Eine Patenschaft bleibt normalerweise über mehrere Monate oder sogar Jahre bestehen und soll vor allem dazu beitragen, Armut bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern.

Zusätzliche Leistungen an Witwen, Witwer und Waisen

Witwen und Witwer sowie Halb- und Vollwaisen in finanzieller Not können bei pro juventute Unterstützung beantragen. Je nach Situation erhalten sie einmalig oder mehrmals einen Beitrag als Ergänzung zu den gesetzlichen Leistungen des Bundes und der Kantone. Beispielsweise werden Beiträge ausgerichtet an die Kosten einer Haushaltshilfe zur Betreuung der Kinder oder an die Kosten eines Studiums. Jährlich können rund 300 Bezügerinnen und Bezüger von solchen zusätzlichen Leistungen profitieren. Die Unterstützung wird von der AHV finanziert.

Publikationen

Elternbriefe

Die pro juventute Elternbriefe begleiten Eltern während der ersten sechs Lebensjahre ihres Kindes mit Ratschlägen und Informationen zu Pflege, Ernährung und Erziehung. Die pro juventute Elternbriefe sind kurz und übersichtlich und werden laufend aktualisiert. Sie erreichen pro Jahr rund 50.000 Mütter und Väter. In einigen Gemeinden der Schweiz werden die pro juventute Elternbriefe von den Gemeinden verteilt.

Grosselternbrief

Der pro juventute Grosselternbrief richtet sich speziell an Grossmütter und Grossväter und bietet Denkanstösse für ein spannendes und bereicherndes Grosselterndasein an. Er ist in gut verständlicher und optisch attraktiver Form erhältlich.

„Unser Baby“

Die pro juventute-Broschüre „Unser Baby“ bietet fremdsprachigen Eltern Ratschläge und Informationen zur Pflege, Ernährung und Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr. Die Broschüre gibt es in sieben Sprachen: Albanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Türkisch, Tamilisch, Spanisch, Portugiesisch und Englisch.

Ratgeber „FamilienPraxis“

pro juventute gibt gemeinsam mit dem Orell-Füssli-Verlag die Reihe „FamilienPraxis“ heraus. Die Bücher dieser Reihe informieren Eltern über wichtige Fragen rund um die Familie. Sie behandeln die Bereiche Zusammenleben, Erziehung, Gesundheit, Ausbildung und Freizeit und bieten vertiefte Informationen und Anregungen für den Alltag. Die Ratgeber sind für die Praxis geschrieben: Fallbeispiele, Erfahrungsberichte und Tipps für den Erziehungsalltag stehen im Vordergrund. Wo theoretisches Wissen wichtig ist, wird es in den Büchern der Reihe „FamilienPraxis“ in einfach verständlicher Form vermittelt.

Ratgeber Testament

Die Broschüre pro juventute-Ratgeber Testament informiert über die Vorteile eines Testaments, die Bedeutung eines Legats oder eines Vermächtnisses, über Pflichtteile, Testamentsformen, das Verfassen eines Testaments und über die Änderung oder Widerrufung eines Testaments.

Zürcher Gemeinschaftszentren

pro juventute betreibt in Zürich 18 Gemeinschaftszentren, die den Einwohnern der jeweiligen Quartiere als Treffpunkt und als Raum für verschiedenste Veranstaltungen dienen. Jährlich besuchen rund 1 Million Menschen eines der 18 pro juventute Zürcher Gemeinschaftszentren.

Geschichte

Gründung (1912)

Anlass für die Gründung von pro juventute war die Tuberkulose, an der im Jahr 1912 rund 10.000 Schweizerinnen und Schweizer erkrankt waren. Der damalige Sekretär der Tuberkulosekommission der Stadt Zürich, Dr. Carl Horber, erkannte, dass mit der Tuberkulosebekämpfung bei der Jugend begonnen werden musste, und zwar vor allem durch vorbeugende Massnahmen. Horber arbeitete zusammen mit Ulrich Wille junior (Sohn des gleichnamigen Generals zwischen 1914 und 1918) und Regierungsrat A. Aepli das Projekt der schweizerischen Stiftung pro juventute aus. Ulrich Wille junior ging vor allem wegen seiner nazifreundlichen Einstellung in die Geschichte ein.

Die Initianten der Stiftung wollten nicht nur die Tuberkulose bekämpfen. Es ging ihnen auch darum, die Zersplitterung der Jugendhilfe zu stoppen: 1912 gab es mehr als 3000 private Organisationen der Jugendhilfe in der Schweiz. Die Zusammenarbeit unter diesen Organisationen und die private Jugendhilfe sollte gefördert werden. pro juventute war zudem als Sensor für die Lücken in der Jugendhilfe gedacht. Die Stiftung wollte entweder mit eigenem praktischem Engagement auf solche Lücken reagieren oder indem sie anderen Trägern die entsprechenden Aufgaben übertrug.

Die Initianten der Stiftung wandten sich an die Schweizerische gemeinnützige Gesellschaft (SGG), welche pro juventute ihren zuständigen Organen zur Aufnahme als selbstständige schweizerische Stiftung vorschlug.

An der Hauptversammlung der SGG im September 1912 in Aarau wurden die Statuten der Stiftung pro juventute genehmigt und der erste Stiftungsrat gewählt. Von Anfang an sass mindestens ein Bundesrat (Mitglied der Schweizer Regierung) im Stiftungsrat von pro juventute: Bundesrat Arthur Hoffmann wurde erster Stiftungsratspräsident von pro juventute, und auch Bundesrat Giuseppe Motta war Mitglied des Stiftungsrates. Insbesondere seit der Reduktion des Stiftungsrats von 60 auf 11 Mitglieder im Jahr 2004 ist der pro juventute-Stiftungsrat allerdings nicht mehr so prominent besetzt.

Am 10. November 1912 fand unter dem Vorsitz von Arthur Hoffmann in Olten die Gründungsversammlung von pro juventute statt.

Um die ersten Projekte zur Bekämpfung der Tuberkulose zu finanzieren erhielt pro juventute eine Erlaubnis von der Schweizer Post nicht frankaturgültige Briefmarken an den Postschaltern verkaufen zu lassen, deren Erlöse der Stiftung zufließen. Auf Grund des fehlenden Frankaturwertes wird diese Ausgabe meist als Vorläufer der Pro-Juventute-Marken angesehen. Trotzdem kommen diese Marken häufig auf Briefen in Verbindung mit gewöhnlichen Freimarken vor. Die Briefmarken trugen keinen Landesnamen, jedoch die Inschrift „Viel Sonnenschein im neuen Jahr“ sowie die Angabe Verkaufspreis von 10 Rappen. Es wurde eine deutsche, französische und italienische Variante ausgegeben. Als Motiv wurde eine Kindergruppe gewählt.

Erste frankaturgültige Pro-Juventute-Marke vom Jahr 1913

Da die erste Briefmarkenausgabe der Pro Juventute sehr erfolgreich war, entschloss man sich bereits im folgenden Jahr 1913]eine frankaturgültige Pro-Juventute-Marke auszugeben. Diese Wohltätigkeitsmarke mit dem Bildnis der Helvetia hatte einen Frankaturwert von 5 Rappen zu sowie einen Aufschlag von weiteren 5 Rappen, die der Pro Juventute zuflossen. Insgesamt wurden 3'310'000 Stück verkauft. In den nächsten Jahren wurden bald ganze Pro-Juventute-Sätze mit mehreren verschiedenen Pro-Juventute-Marken ausgeben. Während des Ersten Weltkrieges widmete sich Pro Juventute mit ihren Erlösen aus den Briefmarkenverkäufen vor allem der Bekämpfung von kriegsbedingten Nöten.

Gründung von Organisationen für Freizeit, Ferien und Gesundheit (1912–1924)

Während und nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich die Stiftung vor allem für die Linderung der Not ein, die durch den Krieg verursacht worden war. 1918 holte die Stiftung das erste Mal eine Gruppe von Auslandschweizerkindern zu Erholungsferien in die Schweiz. Dieses Projekt mündete im Jahr 1920 in die Hilfsaktion „Schweizerhilfe“, einen Zusammenschluss von pro juventute und anderen Organisationen, der vor allem den Auslandschweizerkindern in den kriegsgeschädigten Ländern helfen sollte. Die Schweizerhilfe wurde 1939 zu einer eigenständigen Stiftung, die noch heute unter dem Namen „Stiftung für junge Auslandschweizer“ existiert. Heute kümmert sich diese Stiftung darum, dass Kinder mit schweizerischen Wurzeln ihre Heimat kennen lernen können, indem sie für diese Kinder Ferien in der Schweiz organisiert und sie wenn nötig auch finanziell unterstützt, damit Ferien überhaupt möglich werden.

1922 gründete pro juventute das Kindersanatorium in Davos, wo an Tuberkulose erkrankte Kinder behandelt wurden. Als im Laufe der Zeit die Anzahl von Tuberkulosefällen sank, spezialisierte sich das Kindersanatorium auf die Behandlung von asthmakranken Kindern. 1960 waren schon 85 Prozent des Sanatoriums von asthmakranken Kindern belegt. Heute heisst das Kindersanatorium in Davos „Alpine Kinderklinik Davos“ und wird von einer eigenen Stiftung getragen. Eine der Haupttätigkeiten der Alpinen Kinderklinik Davos ist nach wie vor die Behandlung von Lungenkrankheiten.

1924 initiierte pro juventute zusammen mit anderen Organisationen die Gründung des „Schweizerischen Bundes für Jugendherbergen“ (heute: „Schweizer Jugendherbergen“) und übernahm deren Geschäftsstelle. Im selben Jahr entstand aus einer Tagung zum Thema „Ferien und Freizeit für Jugendliche“ die „Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Ferien und Freizeit“ (SAF). Aus der SAF wurde drei Jahre später die „Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände“, unter der heute rund 80 Jugendorganisationen der Schweiz vereinigt sind (Stand 2007).

Gründung der Pro-Juventute-Unterorganisation "Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse“ (1926-1972)

Auf Anregung von Bundesrat Giuseppe Motta gründete pro juventute 1926 eine Organisation zur „Versorgung von Kindern vagabundierender Schweizer Familien“, die später „Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse“ genannt wurde. Diese Unterabteilung wurde von 1926 bis 1958 von Dr. Alfred Siegfried geleitet. Dieser war 1924 als Lehrer am Humanistischen Gymnasium Basel entlassen worden, weil er einen Schüler sexuell missbrauchte. Der Nachfolger von Alfred Siegfried als Chef des "Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse*, Peter Döbeli, wurde ebenfalls wegen sexuellen Missbrauchs Abhängiger verurteilt. Viele der aus ihren jenischen Herkunftsfamilien gerissenen Mündel des "Hilfswerks" wurden in Heimen, Anstalten oder in Familien, wo sie als Verdingkinder zu arbeiten hatten, sexuell missbraucht. Die Aktion hatte zum Ziel, Fahrende sesshaft zu machen und die jenische Kultur und Tradition zu beseitigen. Zu dieser Zeit wurden verschiedene Stellen damit beauftragt, Kinder von Fahrenden aus ihren Familien zu nehmen, um sie – so lautete die damalige Begründung – vor Verwahrlosung und Vagantität zu schützen. Solche Vormundschaften führten neben pro juventute (619 Vormundschaften) auch die Vormundschaftsbehörden der Gemeinden, Sozialämter, Fürsorgestellen und weitere private Organisationen, zum Beispiel das Serafische Liebeswerk. Insgesamt wurden rund 2000 Kinder von Fahrenden im Auftrag der Vormundschaftsbehörden der Kantone in Pflegefamilien und Heimen platziert.

Eindeutige Gerichtsurteile gibt es bisher nicht, aber wahrscheinlich betrieb die „Aktion Kinder der Landstrasse“ gemessen am heutigen Strafrecht Völkermord an den Jenischen. Denn Völkermord ist laut der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes der Vereinten Nationen auch „die gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“ (aus der Übersetzung des „Übereinkommens vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“).

Ursprünge von Sozialpraktika, Gemeinschaftszentren und Familienferiendorf (1939–1962)

Die pro juventute Praktikantinnenhilfe, die 1939 aus privater Initiative gegründet worden war, wurde 1941 der pro juventute angegliedert. Ziel der Praktikantinnenhilfe war es, überlastete Bäuerinnen bei der Arbeit zu unterstützen. Ab 1946 konnten auch nicht bäuerliche Familien die Praktikantinnenhilfe in Anspruch nehmen. Die Praktikantinnenhilfe gibt es bis heute als Sozialpraktikum von pro juventute, mit dem überlastete Familien unterstützt werden – heute sind das vor allem alleinerziehende Väter oder Mütter sowie bäuerliche Familien.

1945 übernahm die Stiftung die Mittelbeschaffung für die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi. Diese Stiftung hat zum Ziel, benachteiligte Kinder und Jugendliche in der Schweiz und im Ausland den Zugang zu Bildung zu ermöglichen und das friedliche interkulturelle Zusammenleben zu fördern. Bis 1950 führte pro juventute das Sekretariat der Stiftung. Heute finanziert sich das Kinderdorf Pestalozzi zum grössten Teil aus Spenden, Patenschaften und Legaten.

1954 wurden die ersten Robinsonspielplätze eröffnet, die bis heute in vielen Teilen der Schweiz existieren. Die Grundidee dieser Plätze war es, den Kindern in der Stadt Lebensraum zu erhalten. In Zürich entwickelten sich aus den Robinsonspielplätzen im Laufe der Zeit die pro juventute Zürcher Gemeinschaftszentren, die unter der Trägerschaft von pro juventute bis heute bestehen und eine Art Treffpunkt für Jung und Alt in der Stadt Zürich bilden.

1962 nahm pro juventute das Familienferiendorf „Bosco della Bella“ in Betrieb. Das Familienferiendorf ermöglicht familienfreundliche Ferien zu einem ebenso familienfreundlichen Preis. Das Dorf wurde 2006 an das Centro Bosco della Bella SA übergeben.

Ende Oktober 2008 fanden die letzten pro juventute-Sozialpraktika statt.

Erste pro juventute Elternbriefe und Verlagsgründung (1969–1971)

1969 schickte pro juventute das erste Mal die pro juventute Elternbriefe an alle Eltern von Neugeborenen in Zürich und Basel. Die pro juventute Elternbriefe werden bis heute laufend aktualisiert und in vielen Gemeinden an Eltern verteilt. Sie geben passend zum Alter des Kindes monatliche Ratschläge beispielsweise zur Ernährung, Körperpflege, Erziehung und Förderung der Kinder. Die pro juventute Elternbriefe erreichen jährlich rund 50.000 Väter und Mütter.

1971 gründete pro juventute den „Verlag pro juventute“, der im Jahr 2003 an die orell füssli Verlag AG verkauft wurde. Pro juventute und der Verlag arbeiten heute im Rahmen der Ratgeberreihe „FamilienPraxis“ zusammen.

Auflösung des Hilfswerkes „Kinder der Landstrasse“ (1972)

Nach Vorwürfen der Zeitschrift „Der Schweizerische Beobachter“ und der Einsetzung einer Fachkommission leitete pro juventute 1972 die Auflösung des „Hilfswerkes Kinder der Landstrasse“ ein. Die Stiftung pro juventute bekennt sich zur Mitverantwortung an der Aktion „Kinder der Landstrasse“ und hat sich wiederholt dafür entschuldigt und ihr Bedauern ausgedrückt.

Familienbegleitung, Drogenrehabilitation, Kinderrechte, Petition, Beratung 147, Stiftungsrat und Handyprofis (1985–2008)

1985 startete pro juventute das Pilotprojekt „Familienbegleitung“, das helfen sollte, schwerwiegende Konflikte in Familien zu lösen, wenn sie alleine nicht weiterkamen. Aus diesem Pilotprojekt entstand die pro juventute Sozialpädagogische Familienbegleitung, die Eltern im Familienalltag mit ihren Kindern unterstützt.

In den 90er-Jahren waren Aids und Drogen in der ganzen Schweiz ein brennendes Thema, mit dem sich auch pro juventute auseinandersetzte. Mit Infoveranstaltungen, Medien für die Gesundheitserziehung und politischem Engagement setzte sie sich für eine verbesserte Aufklärung, Prävention und Hilfe im Bereich Drogen und Aids ein.

1991 startete pro juventute gemeinsam mit der Schweizerischen Fachstelle für Alkoholprobleme das Projekt „Radix – Gesundheitsförderung in der Gemeinde“. Radix besteht bis heute und unterstützt gesundheitsfördernde Aktivitäten in der ganzen Schweiz mit spezifischen Angeboten für Gemeinden, Schulen und Betriebe.

1994 setzte sich pro juventute für die Ratifikation der Uno-Konvention für die Rechte des Kindes ein. Drei Jahre später hatte sie Erfolg damit: Am 26. März 1997 trat die Kinderrechtskonvention in der Schweiz in Kraft.

1998 erhielt pro juventute vom Bund den Auftrag, eine Telefonhilfe für Kinder und Jugendliche unter der Nummer 147 aufzubauen. Im März 1999 ging die pro juventute Beratung 147 in Betrieb. Sie ist rund um die Uhr erreichbar; seit 2004 bietet sie ihre Dienste kostenlos an. Ebenfalls im Jahr 2004 übernahm pro juventute tschau.ch, welche im Internet ähnliche Dienste wie die pro juventute Beratung 147 anbietet. Seit dem 1. Juli 2007 wird tschau.ch nicht mehr von pro juventute, sondern von der Schweizer Kinder- und Jugendförderung Infoklick.ch geführt.

Mit einer Pressekonferenz startet pro juventute im September 2007 die nationale Petition «Stopp der (un)heimlichen Gewalt». Darin fordert pro juventute die politischen Instanzen auf, eine zeitgemässe, einheitliche und wirksame Regelung für den Schweizerischen Kinder- und Jugendmedienschutz zu erlassen.

Im November 2007 startet pro juventute mit der SMS-Beratung 147 in der Deutschschweiz. Diese kostenlose und professionelle Dienstleistung ergänzt das bestehende Beratungsangebot im Internet (www.147.ch) und per Telefon (pro juventute Telefon 147). Damit steht Kindern und Jugendliche in der Deutschschweiz eine einfach zugängliche und für sie vertraute Alternative zur bestehenden pro juventute Beratung 147 zur Verfügung.

Im Mai 2008 wird Josef Felder zum neuen Präsidenten von pro juventute gewählt. Er löst Christine Beerli ab, die während zehn Jahren die Stiftung pro juventute leitete. Zusätzlich zum neuen Präsidenten erhält der Stiftungsrat mit Ellen Ringier, Hans C. Bodmer, Jean Guinand und Reto Medici vier neue Mitglieder.

Am 15. Juni 2008 findet zum zweiten Mal der Schweizer Vätertag statt. pro juventute setzt sich zusammen mit maenner.ch dafür ein, dass väterliches Engagement in der Familie wertgeschätzt und angereizt wird. Mit der Aktion «Brief an meinen Vater» verleiht pro juventute auch den Kindern eine Stimme. Sie schreiben ihren Vätern einen Brief und sagen, was sie schon immer sagen wollten.

Zur Förderung der Kompetenz in Unterhaltungsmedien hat pro juventute das Projekt «Handyprofis» im November 2008 lanciert. Ziel des Angebotes ist es, am Beispiel des Handys die Medienkompetenz bei Kindern, Jugendlichen und auch Eltern zu fördern.

pro juventute erweitert ihr Beratungsangebot für Jugendliche mit einem sicheren Chatroom: www.147.ch. Die Chat-Beratung 147 steht ab November 2008 in der Deutschschweiz zur Verfügung. Eine Ausweitung auf den französischen- und italienischsprachigen Teil der Schweiz wird im 2009 evaluiert.

Philatelie

Die Pro-Juventute-Marken sind, vor allem bei Schweizer Philatelisten, ein beliebtes Sammelgebiet. Sie werden meist als gewöhnliche Freimarken, seltener separat, gesammelt. Vor allem einige ältere Ausgaben erzielen auf Grund ihrer Seltenheit höhere Preise. Die Pro-Juventute-Marken wurden meist mehrere Jahre lang hindurch zu einem bestimmten Thema ausgegeben, so dass zusammen grosse Sätze, wie die Schweizer Kantonswappen, bilden. Von 2006 bis 2008 kreierten Jugendliche in Zusammenarbeit mit dem Künstler Ted Scapa die Ausgaben der Pro-Juventute-Marken, die von der Schweizerischen Post herausgegeben werden.

Finanzierung

pro juventute erwirtschaftet als private Stiftung rund ein Drittel ihrer Mittel durch den Verkauf von Briefmarken und Artikeln, mit sozialen Dienstleistungen, durch Spenden und Legate sowie mit Einkünften aus Sponsoring und anderen Partnerschaften.

Laut einem rundschau-Bericht auf 3sat vom 13. Januar 2008 konnte Pro Juventute bereits das sechste Jahr in Folge (2001 bis 2007) die anfallenden Kosten für die zur Verfügung gestellten Angebote und Publikationen nicht durch Spenden ausgleichen.

Das negative operative Ergebnis der Jahresrechnung 2007/08 zeigt, dass sich die Stiftung in einer anspruchsvollen finanziellen Situation befindet. Dem gegenüber verfügt pro juventute über eine stabile Vermögensstruktur. Die Finanzierung und die Liquidität der Stiftung sind kurz- und mittelfristig gesichert und damit auch das Angebot für die Kinder und Jugendlichen in der Schweiz. Die Stiftungsführung unter der Leitung des neuen Präsidenten Josef Felder leitet die nötigen Schritte zur Erreichung einer ausgeglichenen Rechnung und der nachhaltigen Finanzierung von pro juventute ein. Im Zentrum stehen die Weiterentwicklung neuer Mittelbeschaffungsinstrumente und die engere Verknüpfung der Leistungen mit der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand.

Weblinks


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