Priskos

Priskos

Priskos (lat. Priscus; * ca. 410/20; † um 474) war ein oströmischer Geschichtsschreiber des 5. Jahrhunderts nach Christus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Priskos diente dem oströmischen Kaiser und war umfassend philosophisch und rhetorisch gebildet. Wie jeder höhere Amtsträger beherrschte er nach Ausweis seines Werkes fließend Griechisch und Latein, was ihm bei seinen diplomatischen Missionen von Nutzen war. Nach dem mittelbyzantinischen Lexikon Suda stammte er aus Panion in Thrakien.[1] Er begleitete den römischen General Maximinus auf dessen Wunsch hin auf mehrere diplomatische Missionen (in welcher Funktion genau ist umstritten). Nach dem Tod des Maximinus 453 hielt sich Priskos zunächst in Ägypten auf und diente dann seit 456 dem magister officiorum Euphemius in beratender Funktion, möglicherweise als assessor (juristischer Berater).

Werk

Priskos verfasste nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst in griechischer Sprache ein der Zeitgeschichte gewidmetes Werk in acht Büchern in der Tradition der antiken Geschichtsschreibung. Das Werk als Ganzes ist zwar verloren, doch sind wichtige Teile – etwa der berühmte, ausführliche Bericht über seine Teilnahme an einer Gesandtschaftsreise 448/49 zum Hunnenkönig Attila – als (teils recht umfangreiche) Fragmente erhalten geblieben. Titel und Zeitraum der Darstellung sind nicht genau bekannt, jedoch geht kein bekanntes Fragment über das Jahr 471 hinaus, und der früheste zeitgenössische Abschnitt berichtet von der Machtübernahme durch Attila und Bleda (etwa 433/34). Vermutlich stellte der Beginn der Herrschaft Attilas auch den von Priskos gewählten Anfangspunkt dar; als wahrscheinlichstes Enddatum gilt in der Forschung das Jahr 474 (Tod Kaiser Leos I.).[2] In den Fragmenten des Priskos wird weder auf die Absetzung des Romulus Augustulus noch auf Odoaker eingegangen oder angespielt, weshalb vielfach angenommen wird, dass das Werk noch vor 476 beendet wurde; es sind aber auch spätere Daten möglich.

Die erhaltenen Fragmente erwecken den Eindruck, Priskos habe sich vornehmlich mit der römischen Außenpolitik befasst, doch kann diese Auswahl auch dem Interesse der späteren Kompilatoren geschuldet sein. Offenbar stellte die Geschichte der Hunnen und ihrer Beziehungen zum Römischen Reich einen Schwerpunkt des Werkes dar; aber auch die römisch-persischen Kontakte wurden von Priskos behandelt. Sein Stil war – typisch für spätantike Geschichtsschreiber – klassizistisch; so bezeichnete er anachronistisch die Hunnen als Skythen und die persischen Sassaniden als Parther. Literarische Vorbilder waren offensichtlich Herodot und Thukydides, um deren Nachahmung (Mimesis) er sich in einer archaisierenden Kunstprosa bemühte;[3] die Belagerung von Naissus durch die Hunnen im Jahr 441 wird sogar in engster Anlehnung an die bei Thukydides geschilderte Belagerung von Plataiai erzählt. Durch diesen Ansatz, der dem Leser die klassische Bildung (paideia) des Autors demonstrieren soll, wird bisweilen der Blick auf das tatsächliche Geschehen versperrt. Priskos war dennoch ein scharfer Beobachter und bietet eine Fülle von wichtigen Informationen, die als überwiegend zuverlässig gelten. Ob er Christ oder Heide war, ist unbekannt; das Fehlen von christlichen Bezügen in den Fragmenten lässt sich grundsätzlich auch mit seinem klassizistischen Stil erklären.

Priskos kann trotz des weitgehenden Verlustes seines Werkes als einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber zumindest der Spätantike gelten; die bei anderen Autoren überlieferten Passagen aus seinem Werk stellen sehr wichtige Quellen für die Geschichte des 5. Jahrhunderts dar. Das Werk wurde unter anderem von Euagrios Scholastikos und Jordanes (eventuell vermittelt über die verlorene Gotengeschichte des Cassiodor) benutzt, vielleicht auch von Prokopios von Caesarea. Der Historiker Malchos schloss möglicherweise direkt an das Werk des Priskos an.

Textausgaben

  • Roger C. Blockley (Hrsg./Übers.): The Fragmentary Classicising Historians of the Later Roman Empire. 2 Bde., Liverpool 1981/83. (Die derzeitige Standardedition. Griechischer Text mit englischer Übersetzung in Band 2, S. 222–377. Allerdings verwendet Blockley bzgl. der Fragmente eine andere Nummerierung als die in den zuvor lange Zeit gängigen Texteditionen von Carl Müller und Ludwig Dindorf übliche.)
  • Pia Carolla (Hrsg.): Priscus Panita. Excerpta et fragmenta. Berlin 2008. (Alternative Edition zu der Blockleys, die die Fragmente teilweise anders anordnet und zählt als dieser. Ohne Übersetzung.)

Übersetzungen

  • Ernst Doblhofer: Byzantinische Diplomaten und östliche Barbaren. Aus den Excerpta de legationibus des Konstantinos Porphyrogennetos ausgewählte Abschnitte des Priskos und Menander Protektor (Byzantinische Geschichtsschreiber 4). Graz 1955. (Auswahlübersetzung der wichtigsten Fragmente.)
  • Colin Gordon: The Age of Attila. Fifth-Century Byzantium and the Barbarians. University of Michigan Press, Ann Arbor 1960. (Beinhaltet die meisten Fragmente in englischer Übersetzung.)

Literatur

  • Barry Baldwin: Priscus of Panium. In: Byzantion 50, 1980, S. 18–61.
  • Roger Blockley: The Development of Greek Historiography: Priscus, Malchus, Candidus. In: G. Marasco (Hrsg.): Greek and Roman Historiography in Late Antiquity. Fourth to Sixth Century A. D. Leiden/Boston 2003, S. 289–315.
  • Dariusz Brodka: Attila, Tyche und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern. Eine Untersuchung zum Geschichtsdenken des Priskos von Panion. In: Hermes 136/2, 2008, S. 227ff.
  • Bruno W. Häuptli: Priskos von Panion. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 27, Nordhausen 2007, ISBN 978-3-88309-393-2, Sp. 1082–1085.
  • Heinz-Günther Nesselrath: Priscus. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 23, 2003, S. 466–468.
  • David Rohrbacher: The Historians of Late Antiquity. London u.a. 2002, S. 82–92.
  • Warren Treadgold: The early Byzantine Historians. Basingstoke u.a. 2007, S. 96–102.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Suda Stichwort Priskos (Πρίσκος), Adler-Nummer: pi 2301, Suda-Online
  2. Zusammenfassend Rohrbacher, The Historians of Late Antiquity, S. 88.
  3. Rohrbacher, The Historians of Late Antiquity, S. 91f.

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